Angebotsgestaltung in touristisch geprägten Gebieten
Erstellt am: 06.09.2023 | Stand des Wissens: 06.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Die Wahl des Fortbewegungsmittels von Reisenden oder Erholungssuchenden zur Befriedigung ihrer Mobilitätsbedürfnisse hängt vor allem vom Reiseziel und dem dort vorhandenen Angebot ab [FGSV21]. Die Anforderungen an den Freizeitverkehr unterscheiden sich insbesondere in zeitlicher Hinsicht von jenen an den Alltagsverkehr und wirken häufig komplementär. Für ein erfolgreiches Angebotskonzept müssen sie jedoch gleichermaßen berücksichtigt werden [KePi20].
Während in dicht besiedelten Gebieten am Abend, in der Nacht und am Wochenende meist ein recht gutes Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) vorherrscht, sind viele Freizeitziele im ländlichen Raum an Wochenenden oder in Ferienzeiten oft nur sehr eingeschränkt oder gar nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Die Erholungsuchenden steigen deshalb auf den Pkw um oder müssen auf den Besuch dieser Reiseziele verzichten [DNV16a]. Eine für Touristen angemessene Bedienungshäufigkeit und Haltestellendichte ist bislang häufig nicht gegeben. Komplizierte Verkehrstageregelungen, unübersichtliche Fußnoten in Fahrplänen oder wenig nutzerfreundliche Anmelderegelungen bei flexiblen Bedienformen können ein Übriges tun [FGSV21]. Deshalb erscheint der ÖV bei Touristen wenig attraktiv und wird gemieden. So nutzten im Jahr 2022 Urlaubsreisende mit einer Übernachtungsdauer ab 4 Nächten mit einem Anteil von 46 % das Auto, während nur jeder Zehnte die Reise mit dem Zug oder dem Bus antrat [FUR23].

Der Anteil der Nutzer von motorisierten Individualverkehrsmitteln war 2022 bei Kurzreisen mit einer Dauer von 2 bis 4 Tagen mit 68 Prozent höher als bei länger andauernden Urlaubsreisen, allerdings gilt dies auch für den Anteil von Bus- und Bahnnutzern.

Der hohe Anteil Pkw-Anreisender hat Auswirkungen auf den touristischen Verkehr am Reiseziel. Das Hauptverkehrsmittel, welches zur An- und Abreise genutzt wird, ist maßgeblich mitentscheidend für die Verkehrsmittelwahl vor Ort. Die Wahrscheinlichkeit, dass Touristen, die mit dem ÖV anreisen, diesen auch am Urlaubsort nutzen, ist fünfmal höher als bei Pkw-Anreisenden. Hier zeigt sich, dass nicht nur das Mobilitätsangebot am Zielort selbst, sondern auch das Mobilitätsangebot für die An- und Abreise für eine nachhaltige Tourismusentwicklung von großer Bedeutung sind [KePi20]. Oft führen diese Wege über Landkreis- oder Bundeslandgrenzen hinaus. Die Anschlüsse von Verkehrsmitteln einzelner Verkehrsverbünde sind jedoch oft nicht aufeinander abgestimmt und verhindern ein durchgehendes Angebot [LoMe13].
Tagesgäste haben im Vergleich zu Übernachtungsgästen ein geringeres Zeitbudget, da sie neben den geplanten Aktivitäten auch Zeit für die An- und Abreise benötigen. Dadurch sind sie besonders auf direkte Verbindungen oder zumindest lückenlose Anschlussbeziehungen, aber auch auf die Flexibilität bei der Verkehrsmittelwahl angewiesen [FGSV21].
Die Gestaltung der Zu- und Übergänge zu den Verkehrsmitteln sollte so barrierefrei wie möglich erfolgen, ist jedoch noch lückenhaft. Hier sollte nicht nur an körperlich oder geistig eingeschränkte Personen, sondern auch an ältere Reisende oder Fahrgäste mit schwerem Gepäck, Rollstühlen, Kinderwagen oder Fahrrädern gedacht werden. Bisher ist die Fahrradmitnahme im Fernverkehr nur in Verbindung mit einer Fahrradkarte und vorheriger Reservierung möglich [DB23]. Im Nahverkehr gibt es je nach Verkehrsverbund unterschiedliche Regelungen. Hier bestehen besonders an stark frequentierten Wochenenden Kapazitätsengpässe [LoMe13].
Ausflüge oder Unternehmungen außerhalb des Kerngebiets des ÖPNV und besonders ihre spontane Verlängerung oder Verkürzung beispielsweise durch Wetterumschwünge erfordern meist eine genaue Planung der Hin- und Rückfahrtmöglichkeiten. Das Angebot sollte also eine angemessene Taktdichte aufweisen. Besonders die letzten Fahrten des Tages sollten an den Bedürfnissen der Touristen oder den Öffnungszeiten touristischer Einrichtungen ausgerichtet sein und die Planung einer Rückfallebene erlauben. Ansonsten wäre das Aktivitätsumfeld von ÖV-anreisenden Besuchern stark eingeschränkt [FGSV21].
Hinsichtlich einer erfolgreichen Umsetzung einer Verkehrswende im Tourismus ist eine Attraktivitätssteigerung der ÖV-Angebote erforderlich. Sie müssen mindestens gleichermaßen attraktiv sein, wie der eigene Pkw und eine durchgehende Mobilität gewährleisten [KePi20].