Passive Sicherheitsmaßnahmen im Schienenverkehr
Erstellt am: 01.12.2003 | Stand des Wissens: 22.03.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Unter passiven Sicherheitsmaßnahmen werden all diejenigen Maßnahmen zusammengefasst, die im Fall eines sicherheitsrelevanten Ereignisses die Schadensauswirkungen auf den Fahrgast, das Personal oder das Ladegut (beziehungsweise dessen Umhüllung) reduzieren. Da die Eintrittswahrscheinlichkeit von technischem oder menschlichem Versagen durch aktive Sicherheitsmaßnahmen nur gesenkt, aber nicht vollständig beseitigt werden kann, ist die Implementierung von passiven Maßnahmen zur Reduzierung des potentiellen Schadensausmaßes gerechtfertigt [HeSc01, S. 294]. Der Ablauf eines Unfallprozesses sowie die Verteilung aktiver und passiver Sicherheitsmaßnahmen sind in Abbildung 1 dargestellt.
Im Schienenpersonenverkehr sollen für einen Aufprall ausgelegte Konstruktionen die Unfallfolgen abmildern. Dabei sind die wichtigsten Ziele für den Fahrzeugentwurf:
- das Sichern von Überlebensraum für Fahrgäste und Personal durch eine kontrollierte Umwandlung der kinetischen Kollisionsenergie in Verformungsarbeit (Nutzung der Frontpartie des Zuges zum Abbau der Energie, Energieabsorption in speziellen Deformationszonen zwischen den Wagen),
- der Einbau von Schutzvorrichtungen zur Vermeidung des sogenannten Aufkletterns der Fahrzeuge,
- die Entwicklung von Inneneinrichtungen, die die Verletzungsschwere bei den Fahrzeuginsassen verringern.
[HeUd02, S. 346 f.]
Wesentliche Forschungsvorhaben im Bereich der Inneneinrichtung waren die EU-Projekte SAFETRAIN und SAFETRAM, deren Ergebnisse die Grundlage für die internationale Normierung im Bereich der passiven Sicherheit von Schienenfahrzeugen bilden (DIN EN 15277) [HeUd02, S. 346 f.].
Für den Schienengüterverkehr und hier insbesondere den Gefahrguttransport sind insbesondere der Überpufferungsschutz, die Gestaltung von Tankaufbauten und auf Crash ausgelegte Wagenelemente von Bedeutung.
Der Überpufferungsschutz soll verhindern, dass die Puffer zweier gekuppelter Fahrzeuge im Unglücksfall so aneinander vorbeigleiten, dass Fahrzeugaufbauten (insbesondere bei Tankkesselwagen) durch Bauelemente eines anderen Wagens beschädigt werden und Ladegut austreten kann. Der Einsatz spezieller Stoßverzehrelemente und Hochleistungspuffer soll bewirken, dass die Kollisionsenergie so weit wie möglich absorbiert und gelenkt wird. Einen wesentlichen Innovationsschub in diesem Bereich brachten das Projekt "Entwicklung und Bau eines Chemiekesselwagens für erhöhte Sicherheitsanforderungen" (CeSa) sowie die Arbeitsgruppe "Tank- und Fahrzeugtechnik" [BMVBS02].
Auf Basis der im CeSa-Projekt erarbeiteten Grundlagen entstand unter anderem der modifizierte Kesselwagen Safe Tank Car der Firma Wascosa mit diversen Sicherheitsausrüstungen. Er ist seit Sommer 2010 erfolgreich im Einsatz. [Wasc11]. "Im Bereich der Tank- und Fahrzeugtechnik lassen sich [...] durch entsprechende konstruktive Maßnahmen [...] weitere Sicherheitsgewinne realisieren. In Teilen ist dies auch beim Altbestand der Wagen, auch unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Aspekte, erreichbar" [BMVBS02, S. 31].