Wartung und Instandhaltung von Schienenfahrzeugen am Beispiel der ICE-Zuggarnituren
Erstellt am: 28.11.2003 | Stand des Wissens: 05.04.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Das seitens der Eisenbahnverkehrsunternehmen im Rahmen einer Fahrzeugneubeschaffung verfolgte Anforderungsprofil zielt maßgeblich auf die Senkung des Wartungsaufwands ab. Die Bahnindustrie versucht, den Wünschen der potentiellen Abnehmer mit Hilfe unterschiedlicher Maßnahmen nachzukommen. So verfolgt beispielsweise die Siemens AG als Systemhersteller im Falle des Fahrzeugtyps "Velaro" (Weiterentwicklung ICE3) eine langfristige Evolutionsstrategie, welche darauf abzielt, im Verlauf betreffender Ausschreibungsverfahren keine vollumfänglichen Neukonstruktionen anzubieten, sondern stattdessen auf Basis bestehender Modellreihen betriebskostensenkende Modifikationen durchzuführen. Hierbei werden etwa konstruktive Veränderungen realisiert, die zeiteffizientere Wartungs- und Instandhaltungsprozesse ermöglichen. [Steu09, S. 420 ff.]
Ein bedeutsamer Einfluss auf Wartungsintervalle ergibt sich jedoch in erster Linie aus dem Bestreben zur Einführung elektronischer Diagnosesysteme, die den Ist-Zustand einzelner Baugruppen kontinuierlich überwachen und sich anbahnende Schäden selbständig, frühzeitig und zuverlässig erkennen. Infolgedessen könnten aufwandsintensive präventive Instandhaltungsmaßnahmen mit starrer Zuordnung zu Laufleistungsgrenzen durch vorausschauende Instandhaltungsprozesse ersetzt werden. Kilometerbezogene Wartungszyklen würden dabei eine entsprechende Flexibilisierung erfahren. [Steu09, S. 420 ff.]
Wartung der ICE-Flotte
Für die Wartung und Instandhaltung der Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ InterCityExpress (ICE) hat die Deutsche Bahn AG seit 1991 acht ICE-Werke errichtet. Das neueste Werk wurde im Januar 2024 in Cottbus in Betrieb genommen. In der beinahe 450 Meter langen Werkshalle soll die ICE-4-Flotte gewartet werden. Da die 374 Meter langen Züge in einem Stück in die Halle passen, wird für die Wartung lediglich ein Zeitraum von zwei Wochen pro Zug veranschlagt. [TS24] An den weiteren Standorten in Deutschland werden die ICE-Züge anderer Baureihen (BR) kontinuierlich gereinigt, überprüft, gewartet, repariert und für den folgenden Einsatz vorbereitet. [Übbi13] Jedes der ICE-Werke dient als Basis für eine spezielle Baureihe: In Hamburg werden beispielsweise die Züge der ersten Generation gewartet, das Werk in Berlin-Rummelsburg ist auf die BR ICE 2 spezialisiert und in München bzw. Frankfurt-Griesheim erfolgt die Betreuung der neuesten BR ICE 3 und ICE T. Kleinere Wartungsarbeiten erfolgen zusätzlich in den Wartungs- bzw. Betriebswerken in Basel, Dortmund, Köln und Leipzig. [Fran06]
Im Normalbetrieb wird eine Zugeinheit innerhalb von einer Stunde nach Ankunft an der Endstation für die nächste Fahrt vorbereitet und bereitgestellt. Bereits vor der Ankunft des Zuges wird das zuständige ICE-Werk über die vom Bord-Computer während der Fahrt festgestellten Defekte informiert. Die tägliche Laufleistung eines ICE-Zuges beträgt bis zu 1.800 Kilometer. Den wartungsbedingten Werksaufenthalten liegen exakt festgelegte Zeitpläne zugrunde. Überschreitet ein Zug die zugelassenen Laufleistungen, darf er bis zum Abschluss der fälligen Inspektion jedoch nur ohne Fahrgäste fahren. [DBAG01c]
Für ICE-Züge gelten folgende Wartungsintervalle:
- Alle 8.000 Kilometer findet eine Laufwerkskontrolle der Züge inklusive Mängelbeseitigung statt. Zusätzlich werden der Dachbereich und die Einstiegstüren geprüft, sowie WC-Behälter entleert und Frischwasserbehälter befüllt.
- Eine gründliche Nachschau wird alle 24.000 Kilometern durchgeführt. Deren Dauer beträgt zwei bis drei Stunden. Dabei werden auch die Bremsen sowoe die Leit- und Sicherungstechnik im Zug überprüft.
- Alle 144.000 Kilometer erfolgt die erste Inspektionsstufe. Innerhalb von 8 Stunden erfolgt eine Revision der Bremsen. Zusätzlich erhalten die Klimaanlage, Kücheneinrichtungen, Sitze und Fahrgastinformationssysteme eine Prüfung.
- Nach 288.000 Kilometern erfolgt in der Inspektionsstufe 2 zusätzlich eine Überprüfung der Fahrmotoren, Lager, Batterien, Wellen und Kupplungen.
- Nach 576.000 Kilometern wird in der Inspektionsstufe 3 die Überprüfung von Luftpresser, Trafo-Kühlung und Fahrgasträume hinzugefügt. [DBAG13d]
- Alle zwei Jahre - nach ca. 1,2 Millionen Kilometern - wird jeder ICE einer so genannten "Revision" unterzogen, in der Arbeiten an allen Komponenten stattfinden. Nach circa 2,4 Millionen Kilometer wird das Fahrzeug dann komplett in seine Einzelteile zerlegt. Diese "schwere Instandhaltung", die unter anderem den Austausch der Drehgestelle umfasst, findet nicht in den normalen ICE-Werken sondern im DB-Werk Krefeld und Nürnberg statt und dauert zweimal fünf Tage. [DBAG01c]
- Zusätzlich erfolgen kleine Reparaturen auch während des Fahrtverlaufs. Hierfür sind ICE-Bordtechniker täglich im gesamten Netz unterwegs.