Radfahrer als Akteure des Nichtmotorisierten Verkehrs
Erstellt am: 25.09.2003 | Stand des Wissens: 17.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Bei den Radfahrern handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe. Unterschiede in der soziodemographischen Nutzerstruktur (Kinder, Jugendliche, Erwerbstätige, Rentner, et cetera) und den Wegezwecken (Arbeit, Ausbildung, Freizeit, et cetera) schlagen sich in einem breiten Spektrum an unterschiedlichen Nutzungsansprüchen nieder. Damit werden auch unterschiedliche Anforderungen an die bestehende oder neu zu planende Radwegeinfrastruktur gestellt.
Nur etwa ein Prozent der Bevölkerung legt (fast) alle Wege mit dem Fahrrad zurück. Damit sind Radfahrer in der Regel typische multimodale Verkehrsteilnehmer, die im Alltag neben Rad- und Fußwegen den Öffentlichen Verkehr (ÖV) und/oder den Motorisierten Individualverkehr (MIV) nutzen. Sie sind damit überdurchschnittlich gut über die individuellen Vorteile der verschiedenen Verkehrsmittel informiert, sodass im Gegensatz zu reinen Autofahrern von einer mehr rationalen Verkehrsmittelwahl ausgegangen werden kann [Interde10].
Die Studie Mobilität in Deutschland 2017 hat unter anderem Folgendes ergeben: Der Fahrradbestand beträgt in Deutschland circa 77 Millionen (8 Prozent mehr als 2002) [Nobi18, S.3]. Das ergibt pro Person 0,93 Fahrräder. In 78 Prozent der deutschen Haushalte gibt es mindestens ein Fahrrad, im Durchschnitt aber verfügen die Haushalte über zwei Fahrräder [MiD19a, Nobi18, S.39]. Die Verkehrsleistung des Radverkehrs beträgt in Deutschland 112 Millionen Personenkilometer, das entspricht 3,5 Prozent der Gesamtpersonenverkehrsleistung pro Tag. Der Anteil am Verkehrsaufkommen ist deutlich größer, denn es werden elf Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt. Die durchschnittliche, mit dem Rad zurückgelegte Wegelänge beträgt vier Kilometer [Nobi18, S.45 ff.].
Die häufigsten Wegezwecke der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege sind Freizeit (31 Prozent), Arbeit (19 Prozent) und Einkauf (16 Prozent) [MiD19a]. Es gibt nur einen geringfügigen Unterschied in den Anteilen der weiblichen und männlichen Radfahrenden. Insgesamt nutzen 18 Prozent der Radfahrer*innen das Rad (fast) täglich, 17 Prozent an ein bis drei Tagen die Woche und 15 Prozent an ein bis drei Tagen und 50 Prozent noch seltener oder nie [MiD19a]. Im Gegensatz zu allen anderen Verkehrsmitteln ist der Radfahreranteil auch über fast alle Einkommensklassen stabil und auch der Haushaltstyp (ein, zwei oder mindestens drei Erwachsene, mit oder ohne Kind, Alleinerziehende, et cetera) hat kaum einen Einfluss auf die Fahrradnutzung.
Die 10 bis 19-Jährigen nutzen mit 19 Prozent (Modal Split nach Wegen) am häufigsten das Fahrrad, bei allen anderen Altersgruppen liegt der Anteil der Radnutzung zwischen acht und elf Prozent [Nobi18, S. 50]. Bis zu einem Alter von neun Jahren und bei den 20 bis 29-Jährigen gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Radfahren in Bezug auf die zurückgelegte Strecke. In den anderen Altersgruppen legen Männer eine höhere Tagesstrecke mit dem Fahrrad als Frauen zurück [Nobi18, S. 52]. Es gibt mehr männliche "Vielfahrer", das heißt ein größerer Anteil (32 Prozent) an Männern nutzt das Fahrrad mehrmals pro Woche, als dies bei den Frauen (27 Prozent) der Fall ist [BMVI19al, S. 16]. Zudem gibt es mehr Frauen, die (fast) nie Radfahren beziehungsweise kein Fahrrad besitzen. Frauen legen verstärkt Wegeketten zurück, während Männer das Rad eher für einen Einzelzweck nutzen [BMVBW98h].
An Wochenenden ist das Verkehrsaufkommen des Radverkehrs deutlich geringer als in der Woche, die Verkehrsleistung sinkt aber nur geringfügig, das heißt es werden zwar weniger Wege mit dem Fahrrad unternommen, die insgesamt zurückgelegte Strecke ändert sich aber kaum. Folglich sind die mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege am Wochenende länger und nehmen auch mehr Zeit in Anspruch [infas10].
Im öffentlichen Straßenverkehr gewinnt neben dem Rad auch das Lastenfahrrad immer mehr an Bedeutung. Es weist auf ein hohes Potenzial zur Reduzierung der Autonutzung hin. In der Regel werden Einkäufe (zum Beispiel Lebensmittel, Getränkekisten, Baumarktutensilien) transportiert oder Kinder per Lastenrad befördert. Lastenräder werden auch für den Auf- und Abbau beziehungsweise die Versorgung von Events eingesetzt. Männer nutzen Sharing-Systeme für Lastenräder häufiger als Frauen [Beck18]. Dementsprechend steigt die Nachfrage nach öffentlichen Abstellmöglichkeiten mit angepassten Bügelsystemen und ausreichender Fläche, um die Nutzung von Lastenrädern attraktiver zu gestalten. Eine mögliche Beschilderung der Parkplätze ist durch die neue Beschilderungsmöglichkeit seit der StVO-Reform (2020) möglich [ADFC21].