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Infrastruktur und Distribution

Erstellt am: 27.02.2023 | Stand des Wissens: 27.02.2023
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Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Neben der Wasserstoffqualität ist eine zentrale Herausforderung die Versorgungssicherheit mit dem Energieträger Wasserstoff, welche durch eine geeignete Infrastruktur zur Lagerung und flächendeckenden Verteilung gewährleistet wird. Wasserstoff bietet den Vorteil, sowohl zentral als auch lokal (On-Site) in kleinen Anlagen erzeugt zu werden. Für die Verteilung des (verflüssigten) Wasserstoffs bieten sich wie bei den herkömmlichen Kraftstoffen die Landverkehrsträger Straße, Schiene (bisher ohne genehmigte Transportbehälter) und Binnenschiff an. Aber auch der Aufbau eines Wasserstoffnetzes analog zum Gasnetz, bestehend aus Pipelines und engmaschigen Versorgungsnetzen, ist eine Option. Bereits heute gibt es reine Wasserstoffnetze für industrielle Anwendungen, zum Beispiel im Ruhrgebiet und im mitteldeutschen Chemiedreieck Leuna. Die Wasserstofftankstelle ist das letzte Glied der Distributionskette; die Abgabe des Wasserstoffs an den Endverbraucher erfolgt über eine Wasserstoffzapfsäule (sogenannter Dispenser) [SRU21].
Aktuell gibt es in Deutschland noch keine öffentlichen Wasserstoffnetze, die diskriminierungsfrei zugänglich sind. Fast der gesamte Wasserstoff wird gegenwärtig direkt am Erzeugungsort verbraucht, lediglich 5 Prozent des Wasserstoffs werden transportiert. Das Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht soll der Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) dienen und einen Rahmen für einen zügigen und rechtssicheren Einstieg in den schrittweisen Aufbau einer nationalen Wasserstoffnetzinfrastruktur schaffen.
Neben einem separaten Wasserstoffnetz besteht die Möglichkeit, Wasserstoff in das bestehende Erdgasnetz beizumischen. Die Beimischungsquote ist jedoch aus technischen Gründen begrenzt, was sich in unterschiedlichen chemischen Eigenschaften der zwei Gase begründet. Der Wasserstoff kann in das Metall diffundieren, was wiederum zur Korrosion sowie Versprödung des Materials führt. Es kommt zu Einlagerungen atomaren Wasserstoffs, welcher an Störstellen zu molekularem Wasserstoff reagiert. Dies führt zu inneren Spannungen und Druckerhöhungen, wodurch sich Rissen im Metall bilden können [Podb21].Entsprechend ist die Beimischungsquote gemäß dem Regelwerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) derzeit auf 10 Prozent begrenzt, [Urba22]sofern das Netz nicht entsprechend umgerüstet wird. Im Dezember des Jahres 2021 wurde von dem regionalen Energieversorgungsunternehmen Avacon mit Sitz in Helmstedt ein Forschungsprojekt gestartet, welches eine Beimischung von Wasserstoff in das bestehende Gasverteilnetz in Höhe von 20 Prozent prüft.Weiterhin kann auch auf der Verbraucherseite eine Steigerung der Wasserstoffbeimischungsquote problematisch sein, da jede Nutzungsanwendung unterschiedlich hohe maximale Beimischungsquoten duldet. Laboruntersuchungen zeigen, dass eine Beimischung von bis zu 30 Prozent für viele Geräte in Haushalten tolerabel sei. [Urba22]
Bei größeren Mengen müsste die Erdgasinfrastruktur zu Teilen angepasst werden, was mit hohen Kosten verbunden wäre. Zudem muss der technische Aufwand einer Umwidmung zunächst erforscht werden. Während Gasnetzbetreiber in einer Marktkonsultation der Bundesnetzagentur (BNetzA) eine Beimischung befürworten, um alle derzeit mit Erdgas versorgten Sektoren zu dekarbonisieren, wird die Beimischung von anderen Befragten (Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Verbände, Behörden) mehrheitlich abgelehnt, da die Produktion von (umweltfreundlichem) Wasserstoff sehr kostenintensiv und hochwertig ist. Gasnetzbetreiber schlagen vor, die Beimischung von derzeit 10 Prozent perspektivisch auf 100 Prozent zu steigern. Im Projekt H2vorOrt erarbeiten Unternehmen der Erdgaswirtschaft gemeinsam mit dem DVGW Vorschläge zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bis 2050 [SRU21].
Über weite Distanzen kann der Wasserstoff auch mit Schiffen transportiert werden. Dabei ist die (volumetrische) Energiedichte von gasförmigem Wasserstoff grundsätzlich sehr gering, weshalb selbst komprimierter Wasserstoff als ungeeignet für den Transport über weite Distanzen gilt. Durch eine energieintensive Verflüssigung kann die volumetrische Energiedichte jedoch verdoppelt werden. Neben dem Transport von flüssigem und gasförmigem Wasserstoff wird gegenwärtig ebenfalls am Einsatz von Trägermaterialien wie Ammoniak oder flüssigen organischen Wasserstoffträgern (LOHC) zur Speicherung von Wasserstoff geforscht. Vorteile solcher Trägermaterialien sind eine bessere Transportfähigkeit sowie geringere Sicherheitsrisiken [SRU21].
Eine konkrete Kostenabschätzung der unterschiedlichen Transportmöglichkeiten ist derzeit schwierig. Grundsätzlich gilt, dass die Entfernung und der Wasserstoffbedarf wesentliche Faktoren für die Wirtschaftlichkeit der Transportmöglichkeiten sind. Zudem hat jedes Gut spezifische Eigenschaften, die eine dämpfende oder zunehmende Wirkung auf die Transportkosten haben. Im Falle der Energie ist neben der Transportsicherheit auch der transportierte Energiegehalt und damit die volumetrische Energiedichte relevant. So führt die geringe volumetrische Energiedichte zu mehr und somit insgesamt kostenintensiverem Transport im Vergleich zu herkömmlichen Benzin- und Dieselkraftstoffen. Ein großer, wenn nicht der größte Teil des Ladungsgewichts und -volumens von reinem Wasserstoff betreffen die Drucktanks. Die Energiedichte des flüssigen Wasserstoffs verdoppelt sich zwar, aber ist weiterhin niedriger als für Benzin und Diesel, so dass auch hier zusätzliche Transportkosten anfallen. Beim Einsatz von Trägermaterialien bleibt die Über- und Rücküberführung zu beachten, die zusätzliche Kosten verursachen kann.
Die perspektivische Versorgung von Wasserstofftankstellen hängt stark vom zukünftigen Wasserstoffverbrauch und den Einsatzbereichen im Verkehrssektor ab. Bei hohem Bedarf ist ein Verteilnetz möglich. Bei moderater Nachfrage hingegen kann die heute gängige Belieferung per Trailer bestehen bleiben. Grundsätzlich gilt, dass mit Wasserstoff betriebene Busse, Bahnen und auch der Schwerlastverkehr ein deutlich gröberes Netz an Tankstellen benötigen als ein Individualverkehr, da erstere an zentralen Standorten betrankt werden [BNetzA20].Im Dezember 2022 gab es in Deutschland 95 Wasserstofftankstellen in sieben deutschen Ballungszentren und entlang der verbindenden Hauptfernstraßen. [H2MO23]In anderen europäischen Ländern wie Frankreich existieren derzeit wesentlich weniger Wasserstofftankstellen. Das Netz soll zukünftig nachfragegerecht ausgebaut werden, insbesondere an Orten mit einer hohen Nutzfahrzeugnachfrage [H2MO23]. Derzeit ist jedoch unklar, wie die konkrete zukünftige Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland aussehen wird.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Klimaschutzpotenzial der Wasserstoffanwendung im Verkehrssektor (Stand des Wissens: 27.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?567750
Literatur
[BNetzA20] Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Hrsg.) Regulierung von Wasserstoffnetzen, 2020/07
[H2MO23] H2 MOBILITY Deutschland (Hrsg.) Das Tankstellennetz für Wasserstoffautos in Deutschland , 2023
[Podb21] Podbregar, Nadja Wasserstoff unschädlich für Erdgas-Leitungen?, 2021/12/21
[SRU21] Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Hrsg.) Wasserstoff im Klimaschutz: Klasse statt Masse, 2021
[Urba22] Urbansky, Frank Wasserstoff im Erdgasnetz für Haushalte nicht ausreichend, 2022/04/22
Glossar
Wasserstoffwirtschaft
Eine vor allem auf dem Energieträger Wasserstoff beruhende Energiewirtschaft.
H2 Wasserstoff ("H2" = grch.-lat. für hydrogenium "Wassererzeuger") ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 1. Wasserstoff stellt sowohl bezogen auf die Masse (75%) als auch bezogen auf die Zahl der Teilchen (91%) das häufigste aller im All vorkommenden Elemente dar. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas welches in der Natur aufgrund der hohen Reaktivität nicht in seiner elementaren Form vorkommt. Wasserstoff liegt gebunden in Form von Erdöl und Erdgas, in Mineralien, in Biomasse, aber vorwiegend in Form von Wasser vor. Wasserstoff ist somit ein Sekundärenergieträger (Energiespeicher)und muss erst aus den oben genannten fossilen oder nicht fossilen Primärenergieträgern unter Einsatz von zusätzlicher Energie hergestellt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?567726

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 11:02:37