Soziale Aspekte des Verkehrsunfallgeschehens
Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 15.01.2025
Synthesebericht gehört zu:
Studien in den Vereinigten Staaten haben festgestellt, dass manche Bevölkerungsgruppen ein höheres Risiko tragen im Straßenverkehr zu verunglücken als andere. Cottrill und Thakuriah [COTH10] haben gezeigt, dass in sozial benachteiligten Gebieten Chicagos (Illinois), Fußgänger relativ häufiger in Unfällen mit motorisierten Fahrzeugen verunglücken als in besser gestellten Gebieten. Coughenour et al. [SCAH17] haben gezeigt, dass Afro-Amerikaner nicht nur ein höheres Risiko tragen, als Fußgänger zu verunglücken sondern dass dies unter anderem mit einem systematischen Unterschied im Verhalten von Autofahrer an Fußgängerüberwegen zusammenhängen kann (Untersuchung in Las Vegas, Nevada).
In Schweden zeigte eine Untersuchung, dass Autofahrer mit niedrigeren Bildungsabschlüssen ein höheres Risiko trugen, an Unfällen mit Verletzungsfolgen beteiligt zu sein als solche mit höherem Bildungsniveau. Bei Männern war dieser Effekt stärker ausgeprägt als bei Frauen. [MURR98]
Für die schottische Region Strathclyde wurde nachgewiesen, dass sozial am meisten benachteiligte Menschen (niedrigstes sozioökonomisches Quintil) das höchste Risiko trugen, im Straßenverkehr zu verunglücken [CSKM14]. In allen vorgenannten Studien weisen die Autor darauf hin, dass ergänzend zu den untersuchten sozioökonomischen Faktoren weitere Variablen einen Einfluss auf Unfallrisiken haben, zum Beispiel Verfügbarkeit und Nutzung verschiedener Verkehrsmittel oder die Qualität der vorhandenen Infrastruktur. Außerdem ist es schwierig, die genannten Ergebnisse auf Deutschland zu übertragen weil sich sowohl soziale als auch räumliche Strukturen und Mobilitätsmuster in den jeweiligen Ländern zum Teil stark unterscheiden.
Da es für Deutschland allerdings keine aktuellen Untersuchungen zur Frage nach der Verbindung sozialer Faktoren und Verkehrsunfallrisiken, lässt sich auch nicht ausschließen, dass hier vergleichbare Effekte existieren. Für zielgerichtete Präventionsmaßnahmen (Aufklärung, Schulung, Infrastruktur) wäre es jedoch wichtig, solche Informationen zur Verfügung zu haben. Unter anderem aufgrund unterschiedlich entwickelter kognitiver und körperlicher Fähigkeiten ist Alter ein weiterer Faktor, der das Unfallrisiko im Straßenverkehr beeinflussen kann. Laut Hautzinger [HAUT07] ist das Unfallrisiko von Kindern bis 15 Jahren in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zwar kontinuierlich gesunken. Dennoch wird diese Altersgruppe natürlich weiter bei Unfällen verletzt oder getötet und trägt zumindest als Fußgänger ein höheres Verletzungsrisiko als der Bevölkerungsdurchschnitt (siehe Abbildung 1). Menschen im Alter von 65 und darüber tragen insgesamt ein geringeres Unfallrisiko als der Bevölkerungsdurchschnitt. Bei Fahrzeugführern tritt zwar in dieser Altersgruppe vermehrt ein (straßenverkehrsrechtliches) Fehlverhalten auf, dabei gefährden sie sich selbst allerdings mehr als andere [ORTL13]. Im Falle von Fußgängerunfällen tragen sie außerdem ein höheres Risiko getötet zu werden (siehe Abbildung 1), was unter anderem damit zu tun hat, dass sie an bestimmten Verletzungen eher sterben als jüngere Menschen.
