Gesellschaftliche Veränderungen im Mobilitätsverhalten
Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 15.01.2025
Synthesebericht gehört zu:
Mobilitätsverhalten und der Verkehr, der daraus entsteht, sind immer auch Abbild der Gesellschaft in der sie stattfinden. Sozioökonomische Faktoren wie Kaufkraft, Energiepreise und Altersstruktur wie auch die Strukturen des Arbeitsmarkts und der Flächennutzung haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie, womit und wie oft Menschen Wege zurücklegen. Gleichzeitig beeinflussen Mobilitätsoptionen und -kosten solche Faktoren wie Siedlungsstruktur oder auch die Erwartungen an die Mobilität von Erwerbstätigen. Immaterielle Faktoren wie soziopolitische Werte und Einstellungen spielen ebenfalls eine Rolle.
In Deutschland herrscht mit 588 Pkw pro 1000 Einwohnern ein hoher Motorisierungsgrad (Rang 9 der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Stand 2023), der zudem in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Der Anstieg der Pkw-Dichte betrug von 2012 bis 2023 9,1 % [Destatis24f]. Außerdem hatten laut des Kraftfahrtbundesamtes am 01.01.2024 ca. 73 Prozent aller über 18-jährigen einen Führerschein [KBA24a, Destatis24g]. Dieser Wert liegt insgesamt etwas niedriger als in Vorgängerstudien, wobei vor allem unter 30-jährige weniger oft über eine Autofahrerlaubnis verfügen als früher, wohingegen die über 65-jährigen inzwischen häufiger im Besitz eines Führerscheins sind [Eurostat]. Letzteres Phänomen erklärt sich über den Kohorteneffekt, da die Jahrgänge, in denen es auch für Frauen üblich wurde, möglichst bald nach Erreichen der Volljährigkeit auch einen Führerschein zu besitzen, älter werden, der Führerschein aber in den wenigsten Fällen im Alter abgegeben wird [OEL06]. Andererseits fördern die Digitalisierung inklusive der dadurch leichter verfügbaren Mobilitätsoptionen wie Bikesharing (auch in Kombination mit öffentlichem Personenverkehr) zusammen mit anderen Faktoren bei jüngeren Menschen ein Mobilitätsverhalten, das weniger am privaten Pkw ausgerichtet ist [VCÖ15a].
Generell geht man derzeit davon aus, dass die Gesellschaft in Deutschland insgesamt schrumpfen wird und gleichzeitig ältere Menschen einen höheren Anteil an der Gesamtbevölkerung haben werden [Stat15g]. Diese Gruppe wird durch bessere Gesundheit im Alter verbunden mit einer höheren Lebenserwartung zunehmend mobil sein. Kognitive und körperliche Fähigkeiten nehmen dennoch gleichzeitig ab, was das (sichere) Führen eines Autos mit der Zeit schwieriger macht - auch deshalb erscheint eine generelle Stärkung des Umweltverbundes als sinnvoll. [Rud12]
Die Einschätzungen der zukünftigen Rolle von autonomen Fahrzeugen im Personenverkehr sind derzeit uneinheitlich. Gerade Szenarien für einen Mischverkehr von personengesteuerten und autonom gelenkten Fahrzeugen sind aus verschiedenen Gründen problematisch. Zudem ist einerseits denkbar, dass die entsprechenden Technologien die Flexibilität der Angebote im öffentlichen Verkehr stärken (gerade in dünn besiedelten Gebieten und zu Tagesrandzeiten) und auch jenen eine Auto-Mobilität ermöglichen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht (mehr) über eine eigene Fahrerlaubnis verfügen. Andererseits könnte eine breite Verfügbarkeit individueller autonomer Mobilität dem öffentlichen Verkehr Konkurrenz machen, da sie dessen Vorteile wie das nicht (mehr) benötigte eigene Auto, wegfallende Parkplatzsuche und Zeit für Aktivitäten wie Lesen oder Arbeiten mit erhöhter physischer Privatsphäre und einer Unabhängigkeit von Fahrplänen und Haltestellen verbindet. (vergleiche Sb Spezielle Herausforderungen für die Zuverlässigkeit des automatisierten Verkehrs)