Nachfrageeffekte im Personenverkehr
Erstellt am: 13.08.2019 | Stand des Wissens: 16.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Die generellen Effekte der zunehmenden Automatisierung und Vernetzung im Verkehrssektor auf die Mobilität im Personenverkehr sind nur schwer abzuschätzen, vor allem aufgrund der hohen Anzahl von potenziell beteiligten Akteuren.
Je nach Zukunftsszenario, beispielsweise hinsichtlich einer Marktdurchsetzung von Carsharing-Angeboten, können autonomem und vernetztem Fahren unterschiedlich schwerwiegende Effekte zugeordnet werden, unter anderem hinsichtlich Verkehrsaufkommen und Umweltauswirkungen. Die Politik und die potenziellen Akteure versuchen mit einer großen Anzahl von Studien unterschiedlicher Schwerpunkte (DLR, e-mobil BW, BMW, TÜV) die Auswirkungen abzuschätzen [DLR18f, Frae17, Sued18, TÜVR18b]. Auch erste Testfelder und Projekte wurden bereits aufgebaut, beispielsweise im Raum Karlsruhe/Bruchsal/Heilbronn und in Niedersachsen [VMBW18, DLR18g].
Die Studie MEGAFON der Universität Stuttgart [UnSt16a] modelliert für die Region Stuttgart neun unterschiedliche Szenarien mit Variation der Anteile von privaten autonomen Fahrzeugen, autonomen Fahrzeugen in verschiedenen Carsharing-Angeboten und der Verfügbarkeit von Bahnverkehr. Dabei wird herausgearbeitet, dass die Automatisierung des Pkw positive Wirkungen für Umwelt (Energieverbrauch, Klimaschutz), Flächenverbrauch und Verkehrskapazität vor allem dann entfalten kann, wenn hohe Verkehrsanteile von Ridesharing/Rideselling-Konzepten erreicht werden und gleichzeitig ein hochleistungsfähiger öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) vorhanden ist. Ungewünschten Effekten sollte frühzeitig mit politischen Instrumenten entgegengelenkt werden.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Studie "Automatisiertes Fahren im Personen- und Güterverkehr" des DLR. [Frae17] Daraus gehen in einer Umfrage ein besserer Verkehrsfluss und ein geringerer Verbrauch als größte erwartete Vorteile autonomer Fahrzeuge hervor. Positive Effekte hinsichtlich der Umweltauswirkungen sind durch die Steigerung der Effizienz im autonomen und vernetzen Verkehr möglich, im Wesentlichen durch effiziente Kolonnenfahrten, der Homogenisierung des Verkehrs und dem optimaleren Betrieb. Aus Verbrauchersicht steigen mit autonomen Automobilen der Komfort und die Sicherheit erheblich an. Auch die Reisezeitbewertung wird sich wandeln, da während der Reisezeit andere Tätigkeiten erledigt werden könnten. Ebenso können neue Nutzergruppen wie körperlich behinderte oder altersbedingt fahruntaugliche Menschen und Minderjährige an Mobilität gewinnen. Diese Attraktivität autonomer Automobile könnte dazu führen, dass die gewonnene Effizienzsteigerung mit einem deutlich wachsenden Verkehrsaufkommen und einer Überlastung der Infrastruktur einhergeht und somit kein positiver Effekt für die Umwelt erzielt wird. Die Vor- und Nachteile von vollautomatisierten Fahrzeugen werden in Abbildung 1 für den Privatbereich und in neuen Mobilitätskonzepten gegenübergestellt (grau dargestellte Auswirkungen führen zu einem Anstieg der Fahrleistung und damit verbundenen negativen Umwelteffekten, gelb dargestellte Auswirkungen führen zu einer Umweltentlastung, unsichere Auswirkungen sind grau gestrichelt dargestellt und in den hier vorliegenden Szenarienrechnungen nicht berücksichtigte Effekte sind mit ** markiert).

Wie bereits erwähnt, kann ein Ausbau des ÖPNV mit zusätzlichen Angeboten wie Carsharing-Konzepten oder autonomen Minibussen negativen Umweltauswirkungen entgegenwirken. Die zukünftige Ausrichtung des ÖPNV [AcKr16a], die Entwicklung beziehungsweise Einbindung neuer Technologien [DBAG18l, Trap18a, Jode18] und insbesondere die Marktdurchdringung von Mobilitätskonzepten (Carsharing, Carpooling, Rideselling und weitere) wird einen starken Einfluss darauf haben, ob und in welchem Ausmaß positive Umwelteffekte durch autonomes und vernetztes Fahren erzielt werden können. Das Potenzial dazu ist vorhanden, jedoch sind die richtigen Weichenstellungen durch die Politik nötig.
Spekulative Vorhersagen zu allen beteiligten Bereichen und Branchen gibt der Sozial- und Umweltpsychologe Marco Lalli in seinem Buch "Autonomes Fahren und die Zukunft der Mobilität". [Lall16a]