Hauptformen von Schallimmissionen des Schienenverkehrs
Erstellt am: 27.06.2003 | Stand des Wissens: 05.12.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Grundsätzlich werden Schallimmissionen des Schienenverkehrs als bei einem Empfänger (zum Beispiel menschliches Ohr, Schalldruckpegelmesser) ankommende Geräusche definiert. Den am Immissionsort (Standort des Empfängers) vorhandenen Schallpegel nennt man Immissionspegel. [BMVI15m, S. 11] Nach Krüger können beim Schienenverkehr im Wesentlichen folgende Arten von Immissionen festgestellt werden:
- Die Übertragung des Direktschalls erfolgt durch die Luft. Unter anderem in Abhängigkeit von der Zuggeschwindigkeit setzt sich der Direktschall in unterschiedlicher Gewichtung vorrangig aus Rollgeräuschen, Kurven-, Brems- und Aggregatgeräuschen sowie dem Schall aus aeroakustischen Quellen zusammen. Der Direktschall weist einen Frequenzbereich von 25 Hertz bis 10 Kilohertz auf.
- Der Sekundärschall kann in geschlossenen Räumen registriert werden. Er wird abgestrahlt von Decken und Wänden, die durch Körperschall zum Schwingen angeregt werden. Der vom Schienenverkehr ausgehende Körperschall wird durch den Fahrwegoberbau, Kunstbauwerke wie Tunnel oder Brücken, den umgebenden Boden und die Gebäudewände in Räume übertragen. Sekundär- bzw. Körperschall umfasst einen Frequenzbereich zwischen circa 16 Hertz und 160 Hertz.
- Erschütterungsimmissionen treten ebenfalls nur innerhalb von Gebäuden auf. Dabei handelt es sich um tieffrequente Schwingungen der Gebäudedecken. Der Übertragungsweg verläuft analog zum Körperschall.
[Krue00, S. 36]
Während aus raschen Kontaktwechseln zwischen Rad und Schiene resultierende Körperschall- und Erschütterungsenergie über den Gleisoberbau an den Untergrund abgegeben wird und die zumeist geringe Kenntnis von Bodenverhältnissen sowie Gebäudekonstruktionen im Einwirkungsbereich jeweils betrachteter Strecken eine detaillierte quantitative Ausbreitungs- bzw. Immissionsprognose maßgeblich erschwert, lassen sich eisenbahnbetriebsinduzierte Direktschallbelastungen vergleichsweise genau vorherbestimmen [HeBo2007, S. 11]. Ebenso wie ausschließlich über die Luft verbreitete Geräusche nimmt auch die Intensität von Vibrations- und Sekundärschalleffekten mit Entfernung zu ihrer Emissionsquelle ab. So sind beispielsweise bei einem Neubau oberirdisch geführter Eisenbahnstrecken Gebäude innerhalb eines 50 Meter-Abstands vom geplanten Gleisverlauf während der notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur direkten Geräuschbelastung, welche im unmittelbaren Umfeld der Schienenwege unter anderem durch Schallschutzwände und -wälle effektiv reduziert werden kann, wirken sich Erschütterungen und Körperschall speziell in diesem Bereich verstärkt aus. Insbesondere durch große Zugmassen gekennzeichnete Güterverkehre und weicher Untergrund begünstigen dabei hohe Belastungswerte [Krüg05b]. Geeignete Reduzierungsmaßnahmen erweisen sich zum Teil als ausgesprochen aufwändig und dementsprechend kostenintensiv [Lenz06, S. 21 f.]
Ergebnisse diverser Studien weisen darauf hin, dass die subjektiv wahrgenommene Belästigung von Sekundärschall- und Erschütterungsimmissionen im Vergleich zu direkten Geräuscheinwirkungen als weniger bedeutend einzustufen ist. Zwar werden auch die beiden erstgenannten Immissionsformen seitens hiervon betroffener Personenkreise als störend empfunden, jedoch steht eine Direktschallpegelreduktion zumeist im Vordergrund des geäußerten Interesses [ZaSa09, S.30 ff.]. Dementsprechend kommen beispielsweise Woodroof und Griffin letztendlich zu folgendem Schluss: "[...] vibration is among the least annoying aspects of a railway's presence in a neighborhood" [Wood88].
Nichtsdestotrotz bedürfen auch erschütterungs- und köperschallbedingte Effekte einer detaillierten Betrachtung, da diese in Kombination mit vorherrschenden Direktschallimmissionen an Relevanz gewinnen können. So wirken sich Vibrationen speziell im Falle niedriger Vorbeifahrgeräuschpegel belästigungssteigernd aus, während stärkere, ausschließlich per Luft übertragene Lärmbelastungen einen Verdeckungseffekt erzeugen, der auch höhere Sekundärschall- und Erschütterungswerte auf Seiten von Betroffenen nahezu irrelevant erscheinen lässt [Stei07, S. 130 ff.; Kali08, S. 3]. Von besonderer Bedeutung erweist sich dieser Umstand zum Beispiel im Rahmen von Lärmsanierungsprojekten, welche zu einer weitreichenden Reduktion von Direktschallimmissionen führen. Die hieraus resultierende verstärkte Wahrnehmung von Erschütterungen und Sekundärschall kann objektiv erzielte Belastungssenkungen unter subjektiven Gesichtspunkten maßgeblich konterkarieren [AyBr06].