Ausbau von Infra- und Suprastruktur
Erstellt am: 04.03.2013 | Stand des Wissens: 24.06.2022
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Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Die Installation von Offshore-Windenergieanlagen erfordert eine spezialisierte Infra- und Suprastruktur der Häfen. Diese Hafenstrukturen dienen nicht nur während der Installationsphase, sondern auch während der Betriebs- und Rückbauphase als wichtige Bindeglieder zwischen der Land- und Wasserseite. Im Folgenden sollen die für die Installation und den Betrieb von Offshore-Windenergieanlagen erforderlichen Hafenklassen mit ihren entsprechenden Kennzahlen und Eigenschaften dargestellt werden. Generell sind im Bereich der Offshore-Windenergie zwei Hafenklassen zu unterscheiden. Während der Installationsphase bilden Großkomponentenhäfen die Basis für sämtliche Aktivitäten, wohingegen während der Betriebsphase kleine Servicehäfen genutzt werden. Die Kategorie der Großkomponentenhäfen lässt sich in weitere Unterkategorien unterteilen. Zu den wichtigsten dieser Unterkategorien zählen die beiden folgenden [ZDS16]:
- Installationshafen (Basishafen): In diesen Basishäfen werden während der Installationsphase des Windparks alle einzelnen Komponenten gebündelt, um sie gegebenenfalls vormontiert in Richtung des Windparks zu verschiffen.
- Produktionshafen: In Hafennähe werden hier die einzelnen Komponenten einer Windenergieanlage gefertigt. Die Wege zur Schiffsverladung sind möglichst kurz gestaltet.
Die Installations- und Produktionshäfen müssen zum Umschlag von Großkomponenten für die Windenergie in den meisten Fällen sehr ähnliche Charakteristika vorweisen. Diese Charakteristika lassen sich mit folgenden Kennzahlen beschreiben:
- Lagerflächen: Auf den Lagerflächen werden die Komponenten in den meisten Fällen sortenrein gelagert. Der Flächenbedarf liegt bei circa 60.000 bis 80.000 Quadratmetern [Garr12].
- Montageflächen: Hier werden einzelne Komponenten vormontiert. Ein Beispiel hierfür ist der Rotorstern, welcher an Land vormontiert wird, bevor er im Windpark mit einem Hub installiert werden kann. Der Flächenbedarf beträgt 7.500 Quadratmeter [Garr12].
- Umschlagsflächen: Die Umschlagsflächen sind an der Kaje zu finden. Sie dienen dem direkten Umschlag vom Land auf das Wasser und sind in den meisten Fällen zeitgleich auch die Montageflächen. Daher ist der Flächenbedarf mit dem der Montageflächen identisch.
- Bodenbeschaffenheit zu Land: Die Bodenbeschaffenheit ist vor allem im Bereich der Montage- und Umschlagflächen wichtig, da hier Kräne zum Einsatz kommen, welche eine hohe Punktbelastung in den Boden einbringen. Die Tragfähigkeit des Bodens muss bis zu 50 Tonnen pro Quadratmeter betragen [BIS12a].
- Bodenbeschaffenheit zu Wasser: Die Installation von Windenergieanlagen mit Hilfe von Jack-up-Schiffen hat sich in der Vergangenheit bewährt. Um die schiffseigenen Krane der Jack-ups nutzen zu können, müssen diese sich aufjacken, also sich selber mit Hilfe von vier Stahlbeinen aus dem Wasser heben. Hierzu ist auch auf der Wasserseite der Kaje eine gewisse Tragfähigkeit des Bodens herzustellen.
Neben der Bereitstellung der nötigen Infrastruktur mit den bereits beschriebenen Kennzahlen ist in den Häfen auch eine den Großkomponenten entsprechende Suprastruktur notwendig. Zu dieser Suprastruktur zählen hauptsächlich die Umschlaggeräte, welche sich in zwei Hauptkategorien unterteilen lassen:
- Horizontaltransport: Um die einzelnen Komponenten aus den Lager- oder Produktionsbereichen zu den Umschlagsflächen zu befördern, bedarf es Schwerlasttransporter (zum Beispiel Self-Propelled Modular Transporters (SPMT)). Diese zeichnen sich durch eine große Nutzlast und in manchen Fällen durch eine große Wendigkeit aus. Die Tragfähigkeit liegt bei mehr als 140 Tonnen pro Element [Kron13]. Bei besonders schweren Lasten können mehrere SPMT zusammen genutzt werden. Auf Grund rechtlicher Bestimmungen und um den regulären Straßenverkehr so wenig wie möglich zu behindern, werden die meisten dieser Schwerlasttransporte in der Nacht durchgeführt.
- Schwerlastkrane: Um die Großkomponenten der Windenergieanlagen umschlagen zu können, bedarf es neben des Einsatzes der schiffseigenen Krane auch des Einsatzes von Schwerlastkranen. Dies sind meistens Mobilkrane, welche ihre Position flexibel auf der Terminalfläche verändern können, um für die unterschiedlichsten Aufgaben einsetzbar zu sein. Die Tragfähigkeit beträgt mehr als 250 Tonnen (abgeleitet aus Komponentengewicht).
Durch diese sehr speziellen Anforderungen kommen nur sehr wenige Häfen für die Aufgabe des Großkomponentenumschlages in Frage. Diese haben sich in der Vergangenheit bereits durch Schaffung von entsprechenden Strukturen auf den kommenden Installationsaufwand eingestellt.
Nach der Installation eines Windparks beginnt eine circa 20 Jahre dauernde Betriebsphase. Während dieser Betriebsphase müssen die Windenergieanlagen permanent gewartet und instandgehalten werden. Für diese Aufgaben werden sogenannte Servicehäfen genutzt. Diese sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet [ZDS16]:
Nach der Installation eines Windparks beginnt eine circa 20 Jahre dauernde Betriebsphase. Während dieser Betriebsphase müssen die Windenergieanlagen permanent gewartet und instandgehalten werden. Für diese Aufgaben werden sogenannte Servicehäfen genutzt. Diese sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet [ZDS16]:
- Geringe Distanz zum zu versorgenden Windpark
- Lagerung von Werkzeugen, Betriebsmitteln und Ersatzteilen
- Unterbringungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter der Instandhaltungsgesellschaften
Da in diesen Häfen in vielen Fällen nur kleinere Ersatzteile vorgehalten werden, bedarf es keiner großräumigen Lagerflächen. Die eingesetzten Transferschiffe haben darüber hinaus nur einen sehr geringen Tiefgang, sodass für diese Aufgabe eine Vielzahl von Häfen in Frage kommt, welche bei einer eventuellen Nutzung mit kleinen Lagerhallen ausgestattet werden müssen.
Die Tendenz in der Hafenplanung zeigt bereits jetzt, dass die Zukunft in einer Bündelung aller Hafenklassen liegt, um alle Kompetenzen an einem Ort zu versammeln. Ein Beispiel hierfür stellt das im Bau befindliche Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) dar. Hier sollen neben einer eigens gebauten Kaifläche möglichst viele Firmen der Windenergiebranche angesiedelt werden. Eine Realisierung des Projektes ist unsicher, da um den Bau des OTB gestritten wird. Bis zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Bremen über die Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegen den Bau des OTB wurde der Bau per Eilverfahren im Mai 2016 gestoppt [KZ16]. Im Februar 2019 beschloss das Bremer Verwaltungsgericht, dass das OTB vorerst nicht gebaut werden darf, da im Vorfeld bei der Prüfung des Bedarfs und der Folgen Rechtsfehler unterlaufen waren. Der Planfeststellungsbeschluss wurde jedoch noch nicht aufgehoben, da es berechtigte Gründe für den generellen Bau eines Offshore-Terminals in Bremerhaven gäbe, wie den generellen Ausbau der Windkraftenergie Deutschlands im Rahmen der Energiewende sowie die wirtschaftliche Stärkung der Region. Bevor jedoch weitere Rechtsmittel eingelegt werden, sei das Wirtschafts- und Hafenministerium Bremens bemüht, eine gütliche Einigung mit dem BUND zu erzielen [WeKu19]. Nach langen Diskussionen ist das Projekt Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) endgültig gescheitert [WeKu20].
Abschließend lässt sich festhalten, dass der Ausbau der Infra- und Suprastrukturen für die Offshore-Windenergielogistik vor allem im Bereich der Installationshäfen stattfinden muss. Hier wurden Flächen geschaffen oder müssen geschaffen werden, welche die Lagerung, Vormontage und den Umschlag der Schwerlastkomponenten ermöglichen.