Nutzerakzeptanz im Fall einer Bepreisung zur Finanzierung von Straßeninfrastruktur
Erstellt am: 30.11.2012 | Stand des Wissens: 26.06.2022
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Die Erhebung einer Maut zur Finanzierung bereits bestehender Straßen wird grundsätzlich von der Bevölkerung als negativ angesehen. Dabei wird vor allem das Argument angeführt, der Steuerzahler habe diese Straße ja schon vor Jahrzehnten finanziert. Etwas anders stellt sich die Situation dar, wenn eine neu errichtete Infrastruktur ab dem Tag der Inbetriebnahme mit Gebühren belegt wird.
Einen entscheidenden Einfluss für eine Akzeptanzsteigerung spielt die Kommunikation eines nachvollziehbaren Verwendungszwecks der Einnahmen. Einnahmen könnten im Straßensektor verbleiben und einem Kapazitätsausbau oder auch einer Qualitätssteigerung bei den Fahrbahnen oder Rastplätzen dienen. Sie könnten jedoch auch einfach nur in den öffentlichen Haushalt einfließen oder zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs eingesetzt werden. Wenn die Einnahmen zur deutlichen Verbesserung der Straßensituation oder des übrigen Verkehrssektors eingesetzt werden, kann dies die öffentliche Akzeptanz deutlich erhöhen. Umgekehrt beeinflusst die Verwendung der Maut für den öffentlichen Haushalt die Akzeptanz im negativen Sinn [CEDR09, S. 43].
In Europa wurden in den letzten 20 Jahren verschiedene Erfahrungen bezüglich der Nutzerakzeptanz einer Straßennutzungsgebühr zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur gemacht. Länder wie Frankreich, Österreich und Italien bepreisen seit Jahrzehnten ihre Autobahnen oder zumindest bestimmte Tunnel, Pässe oder Brücken. Insbesondere Norwegen kann auf mehr als 100 Jahren Erfahrung mit der Erhebung von Gebühren für die Nutzung von Brücken, Straßen und Tunnel zur Finanzierung der Infrastruktur zurückblicken. Diese Erfahrungen wurden in den letzten Jahren in einigen wissenschaftlichen Studien näher untersucht [OdBr02: OdBr08; OdKj10]. Dabei stellte sich heraus, dass die zukünftigen Nutzer vor allem vor der Einführung einer Straßennutzungsgebühr negativ gegenüber dieser eingestellt sind. Zur Verbesserung der Nutzerakzeptanz in einer solchen Situation können umfangreiche Informationskampagnen dienen, die über das Verkehrsproblem (zum Beispiel unzureichende finanzielle öffentliche Mittel) und Alternativen und deren Kosten und Nutzen informieren. Eine Finanzierung ausschließlich über den öffentlichen Haushalt könnte Infrastrukturprojekte im Fall von Finanzierungsproblemen in weite Ferne rücken lassen [OdKj10].
In ihrer Studie haben Odek und Brathen [OdBr08] herausgefunden, dass die Akzeptanz für eine Gebühreneinführung vor allem dann höher liegt, wenn den Nutzern bewusst wird, dass die Mittel zu einem gesteigerten Nutzen in Form verbesserter Straßen oder zu geringerer Steuerlast führen. Die Nutzer sollten für sich deutlich erkennen, dass sie einen Vorteil aus der Bemautung erlangen (zum Beispiel kürzerer Weg zur Arbeit aufgrund eines neuen Tunnels).
Einen weiteren wichtigen Einfluss hat die Höhe der Straßenbenutzungsgebühr auf die Akzeptanz der Nutzer. Je höher die Straßenbenutzungsgebühr, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Akzeptanz sinkt und die Preiselastizität der Nutzer steigt und sie damit eher nicht mehr bereit sind, die Straßengebühr zu zahlen. Zur Steigerung der Akzeptanz sollten darüber hinaus für Vielfahrer und einkommensschwache Gruppen Sonderregelungen eingeführt werden (z.B. Vielfahrer-Rabatt) [OdKj10].