Erhebung von Staugebühren zum Management knapper Kapazitäten
Erstellt am: 18.04.2012 | Stand des Wissens: 25.09.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics
Die Bepreisung von Infrastrukturen kann neben dem Ziel der Finanzierung und Gewinnerzielung den Zweck erfüllen, eine knappe Ressource möglichst effizient auf deren potenzielle Nutzerinnen und Nutzer aufzuteilen. Wenn es eine eindeutige und fixe Kapazitätsgrenze gibt, so hat ein Preis die einfache Aufgabe, das mengenmäßig beschränkte Gut denjenigen Personen zuzuteilen, die die höchste Zahlungsbereitschaft besitzen, und gleichzeitig unnötige Wartezeiten zu verhindern.
Wenn sich die Auslastung einer Straße der Kapazitätsgrenze annähert, so entstehen bei der Nutzung einer Infrastruktur negative Interaktionen zwischen den Nutzenden, die landläufig unter dem Begriff Stau bekannt sind. Insbesondere das sogenannte Pigou-Pricing ist in diesem Zusammenhang als ein Mittel bekannt, um verkehrsnachfragestarke Systeme optimal zu steuern. Die Idee ist es, den Nutzenden einzelner Strecken oder regional beschränkter Teilnetze diejenigen Kosten fühlbar zu machen, die sie den anderen gleichzeitigen Nutzenden durch ihr eigenes Verhalten aufbürden (Internalisierung). Es bleibt den Betroffenen dann selbst überlassen, ob sie auf alternative und weniger stark bepreiste Strecken ausweichen, ob sie das Verkehrsmittel wechseln, auf die Fahrt verzichten oder auf ein anderes Ziel ausweichen.
Die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren in Städten kann mittels verschiedener Technologien und Ausgestaltungsvarianten erfolgen. Ein umfassendes Konzept setzt nicht nur auf die räumlich-modale optimale Verkehrssteuerung, sondern auch auf die Behebung eines zeitlich beschränkten Kapazitätsengpasses in den Zu- und Ablaufstrecken einer großen Stadt mittels einer Gebühr, die die Abfahrtszeitpunkte entzerrt. In das Bepreisungsschema kann auch eine Anrechnung der marginalen externen Umweltkosten integriert werden.
Allen Konzepten ist gemeinsam, dass die Höhe der Einnahmen nicht mit den vollen Infrastrukturkosten in Zusammenhang gebracht wird. Dies kann sich allenfalls indirekt ergeben und spielt insbesondere in städtischen Kontexten keine besondere Rolle. Dennoch ist ein Zielkonflikt zwischen Einnahmenerhalt und Lenkungswirkung möglich [OeSc23].
In Großstädten wie London und Stockholm hat sich gezeigt, dass die Einführung einer Staugebühr zu verkehrlichen Wirkungen in Form einer Änderung des Ziels, des Verkehrsmittels, der Route und des Zeitpunktes der Abfahrt führte. Gleichzeitig ergaben sich positive Auswirkungen hinsichtlich der Luftqualität und Lärmsituation im gebührenpflichtigen Gebiet [HaRe19].
Die Einführung einer "Knappheitsgebühr" ist jedoch auch mit einigen Problemen behaftet: Die Maut hat nur dann eine sinnvolle Steuerungswirkung, wenn den Verkehrsteilnehmenden Alternativen zugänglich sind. Wenn dies nicht der Fall ist, so handelt es sich "nur" um einen Geldtransfer zwischen den Teilnehmenden und dem Staat. Es lässt sich zeigen, dass die Mautpflichtigen im Schnitt einen Nettowohlfahrtsverlust ertragen müssen, denn die monetär bewerteten Zeitersparnisse aufgrund des besseren Verkehrsflusses sind geringer als die gezahlten Mauten. Vorteile ergeben sich ganz klar für diejenigen Nutzerinnen und Nutzer, die eine hohe Zahlungsbereitschaft für Zeitersparnisse besitzen, also insbesondere wohlhabendere Personengruppen.
Als wichtigste Faktoren für die Umsetzung der Staugebühr haben sich die politische und öffentliche Nutzerakzeptanz herausgestellt.
Staugebühren sind nicht das einzige Instrument für den Umgang mit knappen Kapazitäten. Letztlich sind sie als Teil eines breiteren Verkehrsmanagements zu betrachten. Zu den weiteren Maßnahmen des Verkehrsmanagements zählen Verkehrsleitsysteme, die dynamisch auf das Verkehrsaufkommen reagieren und an den Verkehrsfluss und die aktuelle Auslastung angepasste Anweisungen geben können, oder auch die Einrichtung von Park-and-Ride-Parkplätzen. Diese haben das Ziel, Pkw aus dem stauanfälligen Innenstadtbereich herauszuhalten, der gut mit öffentlichem Verkehr erschlossen ist.