Effizienzgetriebene Evolution und Innovation schienenfahrzeugseitiger Antriebssysteme
Erstellt am: 22.02.2011 | Stand des Wissens: 29.02.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Im Schienenverkehr sind gegenwärtig Fahrzeuge mit Elektro- oder Dieselmotor die Regel.
Durch den relativ hohen Entwicklungsstand von Elektro- sowie (Groß-)Dieselmotoren bestehen nur (noch) geringe zusätzliche Einsparpotenziale. Dabei wird vor allem auf die Weiterentwicklung bereits vorhandener Technologien wie z.B. die zweistufige Turboaufladung gesetzt. Das schon seit 1930 bekannte System ermöglicht eine höhere Nennleistung trotz einer niedrigeren Drehzahl. Opel hat seitdem die Technik durch zusätzliche Ladedruckregulierung optimiert [SIEB13] . Dies verringert auch für die Hersteller den Anreiz zur Entwicklung neuer Antriebstechnologien im Schienenverkehr. Aufgrund der geringen Motorenstückzahlen für die Eisenbahnbranche kommt es anstelle von Neuentwicklungen häufig zur Übertragung von aus dem Straßenverkehr bewährten Technologien auf den Schienenverkehr. So wird z.B. auch an der Nutzung von Brennstoffzellen im Schienenverkehr geforscht. Auch Hybridkonzepte könnten im Schienenverkehr zukünftig ebenso wie alternative Kraftstoffe eine Rolle spielen. Die ersten Prototypen an Brennstoffzellen-Zügen sollen vor Ende 2017 vor allem auf den Strecken Bremerhaven nach Buxtehude und Cuxhaven fahren. Bis 2020 sollten dort insgesamt 14 Züge zum Einsatz kommen [WILK16; WiWo16a]. Mittlerweile wurde sich gegen den Einsatz weiterer Wasserstoffzüge entschieden. Dabei sei der Betrieb mit Wasserstoffangetriebenen Züge durchaus positiv gewesen. Lediglich aus ökonomischer Perspektive wird der Einsatz von einer Kombination aus Oberleitungen und Batterien als sinnvoller bewertet. [GrHo23]
Durch den relativ hohen Entwicklungsstand von Elektro- sowie (Groß-)Dieselmotoren bestehen nur (noch) geringe zusätzliche Einsparpotenziale. Dabei wird vor allem auf die Weiterentwicklung bereits vorhandener Technologien wie z.B. die zweistufige Turboaufladung gesetzt. Das schon seit 1930 bekannte System ermöglicht eine höhere Nennleistung trotz einer niedrigeren Drehzahl. Opel hat seitdem die Technik durch zusätzliche Ladedruckregulierung optimiert [SIEB13] . Dies verringert auch für die Hersteller den Anreiz zur Entwicklung neuer Antriebstechnologien im Schienenverkehr. Aufgrund der geringen Motorenstückzahlen für die Eisenbahnbranche kommt es anstelle von Neuentwicklungen häufig zur Übertragung von aus dem Straßenverkehr bewährten Technologien auf den Schienenverkehr. So wird z.B. auch an der Nutzung von Brennstoffzellen im Schienenverkehr geforscht. Auch Hybridkonzepte könnten im Schienenverkehr zukünftig ebenso wie alternative Kraftstoffe eine Rolle spielen. Die ersten Prototypen an Brennstoffzellen-Zügen sollen vor Ende 2017 vor allem auf den Strecken Bremerhaven nach Buxtehude und Cuxhaven fahren. Bis 2020 sollten dort insgesamt 14 Züge zum Einsatz kommen [WILK16; WiWo16a]. Mittlerweile wurde sich gegen den Einsatz weiterer Wasserstoffzüge entschieden. Dabei sei der Betrieb mit Wasserstoffangetriebenen Züge durchaus positiv gewesen. Lediglich aus ökonomischer Perspektive wird der Einsatz von einer Kombination aus Oberleitungen und Batterien als sinnvoller bewertet. [GrHo23]
Die bahnindustrieseitigen Entwicklungsbemühungen werden nichtsdestotrotz auch aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus künftig auf weitere Effizienzsteigerungen der eingesetzten Antriebssysteme abzielen. Aufgrund des niedrigen technologischen Effizienzpotenzials wird mittlerweile jedoch auch mehr Fokus auf halbautomatische Fahrsysteme und Fahrzeitenoptimierung gelegt, um das Energieeffizienzpotenzial zu steigern. [OZHI16 ; YANG16; Umil16].
Neben den erwähnten wirtschaftlichen Hemmnissen, die aus einem relativ kleinen Absatzmarkt und der vergleichsweise langen Fahrzeugnutzungsdauer von mehr als 30 Jahren resultieren, ergeben sich Zielkonflikte auch hinsichtlich der Dieseltraktion. Verschärfte Abgasemissionsgrenzwerte für Partikel und Stickoxide erfordern zunehmend auch innermotorische Eingriffe zur Modifikation des Verbrennungsprozesses. Durch die Ausstattung alter Dieselrangierlokomotiven mit neuen Partikelfiltersystemen sollen die Partikelemissionen bis 2020 erheblich gesenkt werden [DBAG15b]. Auch die Nachrüstung von Oxidations- und Reduktionskatalysatoren trägt einen entscheidenden Beitrag zur Verminderung von schädlichen CO2-Emissionen bei [APS05e]. Insofern könnten innovative Antriebskonzepte, die die Umsetzung beider Maßgaben berücksichtigen, zumindest in einzelnen Marktsegmenten Wettbewerbsvorteile gegenüber konventionellen Lösungsansätzen erlangen [Zapp10].
Entwicklungspotenziale des oberleitungsgespeisten Elektroantriebs
Auch wenn elektrische Triebfahrzeuge bereits gegenwärtig einen hohen Entwicklungsstand aufweisen und im verkehrsträgerübergreifenden Vergleich Spitzenpositionen in puncto Energieeffizienz sowie Schadstoffausstoß einnehmen, können für diese Antriebstechnik weitere Innovationspotenziale identifiziert werden. Im Wesentlichen erstrecken sich die Optimierungsansätze auf gewichtsreduzierende Maßnahmen an den Antriebskomponenten, die geringere Beschleunigungswiderstände zur Folge haben. Durch den Einsatz von Mittelfrequenz- oder supraleitenden Transformatoren könnte so die Gesamtmasse elektrischer Antriebsanlagen gesenkt und somit deren Wirkungsgrad erhöht werden. Während im erstgenannten Fall insbesondere wirtschaftliche Implementierungshemmnisse bestehen, da die betreffenden Bauelemente zum jetzigen Zeitpunkt unverhältnismäßig hohe Investitionskosten erfordern, ist die finale Bahntauglichkeit von supraleitenden Transformatoren mit Blick auf die Belastungs- und Lebensdaueranforderungen bislang noch nicht nachgewiesen. Für diesen Bereich besteht weiterer Forschungsbedarf. [VDB10a]. Bekannt ist jedoch bereits, dass durch den Einsatz eines Hochtemperatur-Supraleiters der im Schnitt 5 t schwere Transformator eines Regionalzuges um ca. die Hälfte kleiner und leichter wird [VDI02].
Einen weiteren Entwicklungsansatz, welcher neben effizienzrelevanten Gewichtseinsparungen die Vorteile geringerer Bauraumbeanspruchung und höherer Verschleißfestigkeit auf sich vereint, stellt das Konzept direkt angetriebener Radsätze dar. Hierbei werden Elektromotoren unmittelbar an den Radsatzwellen eines Schienenfahrzeuges montiert, wodurch sich die Energieübertragungs- und -wandlungskette bedeutend verkürzen lässt. [VDB10a]
Entwicklungspotenziale des Dieselantriebs
Derzeit sind im Hinblick auf Dieselantriebe unterschiedliche Effizienzsteigerungsansätze erkennbar. Eher klassischen Optimierungsverfahren zuzuordnen sind hierbei sog. innermotorische Maßnahmen, die eine saubere Verbrennung des genutzten Dieselkraftstoffes sicherstellen. Durch den Einsatz von Speichereinspritztechnik (Common Rail-Verfahren), einer Brennraumoptimierung sowie der Verwendung geeigneter Abgasrückführungs- und Ladeluftkühlungssysteme können sowohl Abgasemissionen als auch der spezifische Treibstoffverbrauch bis zu einem bestimmten Grad gesenkt werden. Darüber hinausgehende Effizienzsteigerungen sind indessen mit einem erhöhten Schadstoff- und Partikelausstoß verbunden, sodass es in diesem Fall zusätzlicher Abgasnachbehandlungskonzepte bedarf. [WiHa13] Die Deutsche Bahn hat sich zum Ziel gesetzt die absoluten Emissionen von Dieselrußpartikeln bis zum Jahre 2020 um 55 % zu senken. 2015 waren davon bereits 41,7 % erreicht. Durch Investitionen in schadstoffarme Rangierlokomotiven wurden mittlerweile die meisten alten Diesellokomotiven ersetzt [DBAG15b]. Nach und nach werden die Diesellokomotiven der DB Cargo durch solche ersetzt, die den Biokraftstoff HVO tanken. [DBC24]
Den Ansatzpunkt für weitere Energiesparmaßnahmen bilden die Standphasen der Triebfahrzeuge. Dieselmotoren von Eisenbahnfahrzeugen müssen bei niedrigen Außentemperaturen vorgewärmt oder über Nacht warm gehalten werden, damit sie gestartet werden können. Häufig geschieht dies, indem die Motoren während der Nacht periodisch für eine gewisse Zeit (z. B. 30 Minuten) angelassen werden, was mit Lärm- und Schadstoffemissionen verbunden ist. Alternativ können jedoch, wenn keine warme Halle zur Verfügung steht, spezielle Heizeinrichtungen installiert werden, die aus der Fahrzeugbatterie oder von externen Elektranten mit Strom versorgt werden. Diese Lösung wurde, nachdem sie einige kleinere Eisenbahnverkehrsunternehmen wie die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) bereits seit längerer Zeit angewandt hatten, auch bei einigen DB-Unternehmen eingeführt. Die meisten Anlagen funktionieren vollautomatisch und können bereits im Voraus programmiert werden. Ein zeitgesteuertes Vorheizen findet ebenso im Falle von Triebzügen des Schienenpersonenverkehrs Anwendung. [APS05e]
Der relativ neue Typ der Mehrmotoren-Lokomotiven könnte weitere Energieeinsparpotenziale bieten. Nicht ein großes Dieselaggregat, sondern mehrere kleinere Motoren kommen hier zum Einsatz. 2011 startete die Deutsche Bahn einen Rahmenvertrag mit Bombardier über 200 Mehr-Motor-Lokomotiven, die zunehmend die bisher üblichen Dieselgroßmotoren ersetzen sollen. Durch diese Veränderung sollen jährlich bis zu 300.000 l Diesel eingespart werden [VDI14] . Das neue Antriebskonzept zielt unter anderem darauf ab, im Leerlaufbetrieb befindliche Rangierlokomotiven mit hinreichender Leistung für notwendige Grundfunktionen zu versorgen, ohne die durch großvolumige Motoren in diesem Zustand verursachten hohen Abgas- und Partikelemissionsmengen hervorzurufen. Während eines temporären Fahrzeugstillstands wird deshalb lediglich ein Verbrennungsaggregat verwendet, alle übrigen Motoren kommen erst bei zunehmend angeforderter Traktionsleistung zum Einsatz. Mehrmotoren-Systeme werden auch in Streckenlokomotiven eingebaut, wie z. B. in der Diesellokomotive TRAXX DE Multi-Engine von Bombardier Transportation. Abbildung 1 zeigt anteilig, welche Leistung die Dieselmotoren auf Messfahrten im Rahmen der Vorentwicklung des Fahrzeugs im Regionalverkehr zwischen Hamburg und Cuxhaven tatsächlich erbringen mussten. Der hohe Anteil an Leerlauf und niedriger Leistungsanforderung lässt darauf schließen, dass dort die Nutzung eines kleineren Motors ausreichte. Bei Streckenlokomotiven ist die Nutzung der Start-Stopp-Technik für die temporär überflüssigen Motoren effizient und garantiert dadurch einen geringeren Energieverbrauch. Neben der durch kleinere Motoreneinheiten zu erzielenden ökologischen Vorteilhaftigkeit ergibt sich zudem auch ein wirtschaftlicher Nutzen, da entsprechende, in Großserienproduktion hergestellte Antriebsaggregate bedeutend niedrigere Investitionskosten aufweisen. [ScHe11b; BiPö12]
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Alternative Hybrid- und Brennstoffzellenkonzepte
Neben den konventionellen Traktionsarten, für die eine weitere technische Fortentwicklung zu erwarten ist, können ferner alternative Antriebskonzepte als Innovationstreiber für energieeffizienzsteigernde Lösungsansätze angesehen werden. Besonders Systeme mit mindestens zwei unabhängigen Energieträgern bzw. -umwandlern (Hybridtechnologien) finden in der Forschung und vermehrt auch im alltäglichen Betriebseinsatz Beachtung. Das größte Anwendungsfeld für diese Technologien sind Diesel-Hybrid-Lösungen, d. h. Traktionssysteme, die entsprechende Verbrennungsmotoren mit einer weiteren Energieträgerart kombinieren. Diese Systeme machen mittels Energiespeicher die anfallende Bremsenergie nutzbar und ermöglichen den Betrieb des Verbrennungsmotors verstärkt in energetisch günstigen Leistungsbereichen [SaZi10]. Ein Beispiel hierfür ist der mit zwei sog. "Hybrid-Powerpacks" und einer Batterie ausgestattete Siemens-Desiro-Nahverkehrstriebzug der Westfrankenbahn, das erste Fahrzeug mit Diesel-Hybrid-Technologie im deutschen Personenverkehr. Die "Hybrid-Powerpacks" wurden von der MTU Friedrichshafen entwickelt und bestehen jeweils aus einem Diesel- und einem Elektromotor [Wern11].
Ferner erlauben einige Lösungen, den Dieselmotor in den Standphasen regulär aus- und erst ab bestimmten Geschwindigkeiten automatisch wieder zuzuschalten. Im Falle von Rangierlokomotiven finden entsprechende Hybridansätze bereits praktische Anwendung (vgl. hierzu [OoDu09] und [Hill10].
Die mit Hybridantrieben ausgestatteten Triebfahrzeuge beschränken sich dabei allerdings nicht ausschließlich auf die Fahrzeuge mit Dieselmotoren, sondern ermöglichen in einigen Fällen auch das Zusammenspiel abweichender Antriebskonzepte. So existieren sowohl im Straßenbahn- als auch Vollbahnsegment Triebwagen, die oberleitungsgespeiste Elektromoren mit der Nutzung eines Akkumulators verbinden, um längere Streckenabschnitte ohne Fahrdrahtinfrastruktur überwinden zu können [JRE10; Leno07; SöZu07].
Darüber hinaus bilden Brennstoffzellen eine vielversprechende Speicher- und Umwandlungskomponente für Hybrid-Schienenfahrzeuge. Unter Verwendung dieser Technik kann durch Wasserstoff (in Verbindung mit aus der Umgebungsluft entnommenem Sauerstoff) Traktionsstrom erzeugt werden, welcher ebenfalls das Befahren oberleitungsfreier Netzbereiche erlaubt (vgl. hierzu [JRE10]). Im Gegensatz zu den bislang für diese Zwecke eingesetzten Diesellokomotiven bzw. Triebzügen zeichnen sich Brennstoffzellenfahrzeuge durch lokale Schadstoffemissionsfreiheit aus, sodass entsprechende Strecken sowie deren unmittelbare Umgebung vor Kohlenmonooxid-, Stickoxid- oder Partikelemissionen bewahrt werden. [JRE10] . Seit 2009 fährt in den USA unter der Leitung von der Privatbahn BNSF und in Zusammenarbeit mit dem Militär eine 127 t schwere Rangierlok, die mit Wasserstoff gespeist wird und elektrisch fährt [ING09] . Auch in Deutschland sollen ab Ende 2017 Brennstoffzellenzüge im deutschen Nahverkehr fahren. Diese sollen vor allem auf Nebenstrecken ohne Oberleitungen eingesetzt werden [NTV16] und [WiWo16a].
In den letzten Jahren wurden auch hybride Antriebssysteme erforscht, die Dieselmotoren direkt mit Brennstoffzellen kombinieren. Dabei wird Wasserstoff durch die Thermolyse von Ammoniak hergestellt. Das sogenannte cracking produziert erhebliche Mengen an Wasserstoff und für die notwendige thermale Energie sorgen hierbei die Abgase des Dieselmotors. Dieses System wurde als hocheffizient eingestuft, da es über den gesamten Lebenszyklus bis zu 53 % weniger Treibhausgasemissionen produziert als Dieseltraktionen ohne selektive Katalysatorsysteme [HOGE16].
Der Nachhaltigkeitsindex verschiedener Antriebstechnologien zeigt, dass Brennstoffzellen und elektrische Antriebe die höchste Nachhaltigkeit versprechen, jedoch erfordern beide Technologien hohe Investitionen. In Abbildung 2 ist der Well-to-Whell Nachhaltigkeitsindex für die derzeit verfügbaren Alternativen angegeben [DIN16].
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