Doppelgelenkbusse zur Kapazitätssteigerung im ÖPNV
Erstellt am: 06.06.2008 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Der erste Doppelgelenkbus wurde von MAN 1981 vorgestellt und in München und Wolfsburg im Fahrgastverkehr erprobt. Obwohl die Versuche positiv verliefen, blieb es bei diesem einen Fahrzeug. 1988 wurde ein Doppelgelenkbus von Renault vorgestellt. Die Verkehrsbetriebe in Bordeaux erwarben zehn Fahrzeuge und setzten sie von 1989 bis zur Umstellung der bedienten Linien auf Straßenbahnen ein. Seit 1992 wird in Brasilien eine Vielzahl von Doppelgelenkbussen eingesetzt, dort in speziellen BRT (Bus Rapid Transit)-Systemen. In Curitiba werden über 150, in Sao Paolo über 50 Doppelgelenkbusse eingesetzt. Die Hochflur-Fahrzeuge verkehren auf speziellen Bustrassen mit Hochbahnsteigen. Die Systeme sind stadtbahnähnlich angelegt, wobei die Beförderungszahlen dieser BRT-Systeme U-Bahn-Werte erreichen. Abb. 1 zeigt zwei Doppelgelenkbusse an speziellen Haltestellen in Curitiba. [Hond06b]
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In Deutschland verkehren Doppelgelenkbusse derzeit planmäßig in Aachen und Hamburg.
In Hamburg wurden Doppelgelenkbusse auf einer mit etwa 60.000 Fahrgästen je Tag sehr stark belasteten Buslinie eingeführt, da es beim Einsatz von Standardgelenkbussen im 4-Minuten-Takt, in Spitzenzeiten häufiger, zu Behinderungen durch Pulkbildung gekommen war. Die Fahrzeuge waren oft überfüllt und die Bedienungsqualität war schlecht. Eine Taktverdichtung, welche mehr Fahrzeuge erfordert, kam aus betrieblichen und wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage, so dass auf längere Fahrzeuge zurückgegriffen wurde. [Marah06]
In Aachen und auch im niederländischen Utrecht war der Einführung von Doppelgelenkbussen eine Diskussion um die Einführung oder den Ausbau einer Stadtbahn vorausgegangen. Aus Kostengründen wurde dies jedoch verworfen. Die hochbelasteten Strecken, auf denen eine Stadtbahn geplant war, wurden auf den Betrieb mit Doppelgelenkbussen umgestellt. In Aachen trifft dies auf die Linie 5/45 zu, die bei der Umstellung von Standard- auf Doppelgelenkbusse in ihrem Verlauf im Wesentlichen unverändert blieb, deren Takt jedoch aus wirtschaftlichen Gründen reduziert wurde. [Paetz04; Burm07e]
Zum Einsatz kommen Fahrzeuge vom Typ AGG300 des belgischen Herstellers Van Hool. Da nach StVZO (Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) die zulässige Fahrzeuglänge auf 18,75 m und das zulässige Gesamtgewicht auf 28 t (für Kraftomnibusse) beschränkt ist, diese Doppelgelenkbusse jedoch 24,79 m lang sind und ein zulässiges Gesamtgewicht von 35 t haben, muss für den Betrieb eine Ausnahmegenehmigung von der jeweils zuständigen Behörde eingeholt werden. Der AGG300 wurde 1993 erstmals vorgestellt und ist ein Niederflurfahrzeug.
In Utrecht verkehren Doppelgelenkbusse in einem Busverkehrssystem. Zwei Linien (Bahnhof - Universität) des Busverkehrssystems wurden im Jahr 2008 mit Doppelgelenkbussen bedient, weitere Linien des sich noch im Aufbau befindlichen Systems sind für die Umstellung auf den Betrieb mit Doppelgelenkbussen vorgesehen. Durch den Betrieb außerhalb der Innenstadt auf eigenen Bustrassen beträgt die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit über 20 km/h.
Je nach Ausstattungsniveau und Stückzahl betragen die Beschaffungskosten eines Doppelgelenkbusses ab 350.000 EUR aufwärts. Ein Fahrzeug für Utrecht (2002) kostete aufgrund der sehr hochwertigen Ausstattung knapp über 400.000 EUR. [Deut03] Jüngere Quellen nennen einen Stückpreis von 500.000 EUR, für einen Doppelgelenkbus als Obus 1.050.000 EUR.
Der längste Bus der Welt kommt in Sao Paolo zum Einsatz. Der Bus vom Typ 12M Bi-artic (Volvo) ist 26,85 m lang. [Hond06b]
In Luxemburg fahren 24 m lange Hybridbusse von der Firma Hess, womit zusätzlich für einen umweltfreundlichen Stadtverkehr Werbung gemacht wird.[Schm10a]
In Caen und Nancy (Frankreich) kommt das von Bombardier Transportation entwickelte System "TVR" (Transport sur Voie Reservée; also: Beförderung auf eigenem Bahnkörper) zum Einsatz. Das Fahrzeug ähnelt von der Technik her am ehesten einem vierachsigen, doppelgelenkigen Duobus, einer Kombination aus einem mit Strom aus der Oberleitung und einem Verbrennungsmotor ausgestatteten Bus, mit Allachslenkung, von dem alle Achsen zusätzlich spurgeführt werden können. Das Fahrzeug kann also spurgeführt oder handgelenkt und wahlweise unter Fahrdraht oder im Dieselmodus verkehren. Es repräsentiert somit den Übergang vom klassischen Bus zur Straßenbahn. [Hond06d]