Güter- und Personenverkehr im Ostseeraum
Erstellt am: 26.07.2007 | Stand des Wissens: 08.11.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Die Ostseeverkehre lassen sich in ostseeexterne und ostseeinterne Verkehre unterteilen. Als ostseeextern wird der Seeverkehr zwischen den Häfen der Ostseeanrainer und außerhalb der Ostsee liegenden Häfen bezeichnet. Er umfasst etwa zwei Drittel des gesamten maritimen Ostseeverkehrs [BrWe06]. Dabei werden beim ostseeexternen Import hauptsächlich Container im Feederverkehr verschifft, während der Export von Massengütern wie Öl und Ölprodukten dominiert wird. Nach der geografischen Reichweite setzt sich der ostseeexterne Verkehr zum einen aus europäischem Verkehr, der zum Teil dem Bereich Short-sea shipping zuzurechnen ist, und aus Überseeverkehr zusammen. Eine Besonderheit des ostseeexternen Verkehrs ist der gewichtige Anteil des Kurzstrecken-Containerverkehrs als Feederverkehr (Zubringer) für die Überseedienste ab Nordseehäfen. Ein erster Überseedienst aus Fernost läuft erst seit Anfang 2010 direkt den Tiefsee-Container Terminal im Hafen Gdansk an [DCTG11]. Zudem existieren weitere Überseeverkehre, wie die Ostsee-Nordeuropa-Westafrika Linie der ACM Gruppe [ACM12].
Als ostseeintern wird der Seeverkehr zwischen den Häfen der Ostseeanrainer bezeichnet. Charakteristisch für den ostseeinternen Seeverkehr ist der große Anteil der Fähr- und Ro-Ro-Verkehre, während der Containerverkehr kaum eine Rolle spielt. So wurden im Jahr 2022 von den bedeutenden deutschen Ostseehäfen 54,6 Millionen Tonnen und 8,9 Millionen Passagiere durch Fähr- und Ro-Ro-Verkehre befördert und [ZDS23, S. 46]. Bedient wird der Handel der Ostseeanliegerländer. Der Ausbau der Via Baltica (E 67 TallinnVilniusRiga) und der deutschen A 20 (HamburgLübeckWismarRostockGreifswald) sowie der geplante Lückenschluss zwischen diesen beiden Autobahnen in Polen führen vermutlich zu einer weiteren Verlagerung von Seeverkehren auf die Straße. Der Außenhandel Polens mit Deutschland und den baltischen Staaten nutzt fast ausschließlich die Landwege. Die stark ausgebauten Häfen Polens verzeichnen insbesondere im Containerverkehr starke Zuwächse. Inwieweit die Häfen tatsächlich zur Verkehrsverlagerung beitragen oder ob sie vom wachsenden Transportbedarf insgesamt profitieren, wird im Rahmen der Studie nicht abschließend beurteilt [Lang07a, S. 37]. Charakteristisch für den internen Ostseeverkehr ist außerdem der Einsatz von im Vergleich zur Welthandelsflotte kleineren Schiffseinheiten. Dies ist vor allem auf die verhältnismäßig kurzen Entfernungen und die mit einer kleineren Schiffsgröße verbundene höhere Flexibilität zurückzuführen.
Ein Teil des ostseeinternen Verkehrs wird als Küstenschifffahrt abgewickelt. Die Küstenschifffahrt bewerkstelligt den Transport von Gütern oder Personen im küstennahen Bereich. In der Ostsee deckt sie im Güterverkehr eine breite Palette von Schütt- und Stückgütern ab. Die Vielzahl der Häfen in der Region begünstigt diese Art des Kurzstreckenseeverkehrs. Die typische Schiffsgröße ist vergleichsweise kleiner als in anderen Transportregionen, hat aber auch hier zugenommen. Im Kohleverkehr zwischen russischen und deutschen Ostseehäfen kommen aber auch Einheiten von 50.000 deadweight Tonnen zum Einsatz. Als Besonderheit ist der Einsatz von seegängigen Prahmen bis 15.000 deadweight Tonnen anzusehen, die je nach Umständen geschleppt oder geschoben werden. Im Fluss-See-Verkehr in der Ostsee können Einheiten dieser Größe nur im Verkehr mit den russischen Binnenwasserstraßen über die Newa ab St. Petersburg eingesetzt werden. Im Verkehr mit dem Saimaa-Gebiet in Finnland finden kleinere Einheiten für Forstproduktentransporte im Sommer Verwendung [Lind03; HaPa06]. Ein spezieller Nischenmarkt für kleine Einheiten entwickelt sich mit der Off-shore-Windenergetik. In der Bauphase werden für einen Zeitraum von einigen Monaten ein Vormontageplatz an Land eingerichtet und vielfältige Einheiten zum Transport der Module und für die Montagearbeiten auf See eingesetzt. Nachfolgend ist die Wartung zu sichern [Lü10].
Im Rahmen des europäischen Kurzstreckenseeverkehrs spielt der Ostseeraum eine herausragende Rolle. Ein Hauptgrund für diesen relativ hohen Anteil besteht darin, dass die dominierenden Wirtschaftszweige der Ostseeregion transportintensiv sind. Dabei sind die Exporte der Ostseeländer mengenmäßig deutlich höher als die Importe. Die regionalen Exportstrukturen der Ostseeländer sind recht unterschiedlich. Die kleinen Länder (Estland, Lettland, Litauen) haben einen deutlich höheren Anteil an Exporten in die Region als die skandinavischen Länder [KeSö06, S. 31].
Aus den Exportspezialisierungen und den Außenhandelsbeziehungen der Ostseeländer resultiert eine Güterstruktur im Seeverkehr, charakterisiert durch einen relativ hohen Anteil flüssiger und fester Massengüter besonders im ostseeexternen Verkehr, während bei Stückgütern der ostseeinterne Verkehr leicht höher als der ostseeexterne ausfällt.