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Qualitätsindikatoren für die Umweltaspekte des Radverkehrs

Erstellt am: 29.03.2007 | Stand des Wissens: 11.05.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Der Radverkehr hat, verglichen mit anderen Verkehrsträgern, (praktisch) keine schädlichen Umweltauswirkungen. Er verursacht (praktisch) keine Emissionen. Einzig für die Herstellung der Fahrräder und der notwendigen Radverkehrsinfrastruktur werden Ressourcen verbraucht. Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern ist der Ressourcenverbrauch als äußerst gering anzusehen. Durch den Radverkehr wird im Gegensatz zu nahezu allen anderen Verkehrsträgern kaum Lärm verursacht. Auch der Flächenverbrauch von Radverkehrsanlagen macht nur einen Bruchteil des Verbrauchs im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern aus. Auf jedem einzelnen Autoparkplatz können knapp acht Fahrräder abgestellt werden [UBA21a].
Durch die Förderung des Radverkehrs kann bei gleichzeitiger Reduzierung des Kfz-Verkehrs sogar in großem Maße zu einer Reduzierung des Kohlenstoffdioxid (CO2) -Ausstoßes beigetragen werden [UBA13]. Beispielweise können Berufspendler*innen, die ihren Arbeitsweg mit je fünf Kilometern mit dem Rad anstatt mit dem Auto fahren, jährlich rund 300 Kilogramm CO2-Emissionen einsparen [UBA21a]. Im Zuge der aktuellen Diskussionen um den Klimawandel rückt der Radverkehr als umweltfreundliches Verkehrsmittel wieder stärker in den Blickpunkt. Bundesverkehrsminister Tiefensee verabschiedete im Mai 2007 mit seinen europäischen Amtskollegen die "Leipzig Charta". In einer der sechs Kernaussagen dieser Erklärung wird herausgestellt, dass der Klimaschutz vor allem auch städtische Aufgabe ist, da fast drei Viertel des Weltenergieverbrauchs in den Städten verursacht wird. Daher sei eine Verlagerung von Verkehr unter anderem auf den Radverkehr wichtiger denn je.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) stellte 2007 fest, dass das Fahrrad in der Klimadiskussion bisher als eine Möglichkeit der Verkehrsverlagerung weg vom klimaschädlichen Motorisierten Individualverkehr (MIV) viel zu wenig wahrgenommen wird. Außerdem hielten nur 23 Prozent der Bevölkerung das Fahrrad für ein besonders umweltfreundliches Verkehrsmittel [vgl. ADFC07]. Durch die Folgen der Corona-Pandemie und die stärkere politische Fokussierung auf Nachhaltigkeit kommt dem Fahrrad allerdings zunehmend eine größere Bedeutung in der Gesellschaft bei.
Weiterhin kann durch Radverkehrsförderung bei gleichzeitiger Abnahme des Pkw-Verkehrs eine Reduzierung der Lärmemissionen erreicht werden. Zu beachten ist aber die logarithmische Abhängigkeit des Lärmemissionspegels von der Verkehrsstärke [BASt12a, S. 80].
In [UBA05d] werden zwar keine direkt messbaren Indikatoren für den Radverkehr in Bezug auf umweltschädliche Belastungen genannt, aber eine Förderung des Radverkehrs trägt meistens direkt dazu bei, dass bei den nachfolgenden Indikatoren eine Verbesserung eintritt:
  • Anteil der Einwohner mit andauernder Verkehrslärmbelastung von mehr als 65 Dezibel (dB(A)) tagsüber (oder als zweites Kriterium: mehr als 55dB(A) nachts als Schwellenwert für Gesundheitsgefährdungen, bezogen auf die Gesamtzahl der Einwohner in Prozent (Indikator Lärm)),
  • Anteil der Einwohner mit einer kritischen Schwebstaubbelastung (PM10), bezogen auf die Gesamtzahl der Einwohner in Prozent (Indikator Luftschadstoffe),
  • Straßenfläche pro Einwohner (Indikator Flächenverbrauch),
  • Anteil der gemeldeten Pkw pro 1.000 Einwohner (Indikator Energieverbrauch im Motorisierten Verkehr) und
  • Anzahl der Carsharingteilnehmer pro 1.000 Einwohner, verglichen im Zeitverlauf beziehungsweise in Relation der Carsharingteilnehmer zum Motorisierungsgrad der Einwohner (Indikator Energieverbrauch im Motorisierten Verkehr) [UBA05d].
Direkte Indikatoren zur Qualitätsbewertung der Umweltauswirkungen des Radverkehrs gibt es bisher nicht. Mit dem Indikator des Umweltbundesamts Umweltfreundlicher Personenverkehr kann beispielweise nur der Anteil des Umweltverbundes an den gesamten Personenkilometern wiedergegeben werden [UBA21].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Monitoring des Nichtmotorisierten Verkehrs (Stand des Wissens: 10.05.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?493403
Literatur
[ADFC07] Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), Cibulski, B. In der Klimadiskussion kommt das Fahrrad kaum vor, 2007/06/05
[BASt12a] BSV Büro für Stadt- und Verkehrsplanung Dr.-Ing. Reinhold Baier GmbH, IVU Umwelt GmbH, Baier, R., Schuckließ, W., Jachtmann, Y., Diegmann, V., Mahlau, A., Gässler, G. Einsparpotenziale des Stadtverkehrs, 2012/06
[UBA05d] BSV Büro für Stadt- und Verkehrsplanung Dr.-Ing. Reinhold Baier GmbH, Schäfer, Karl-Heinz Qualitätsziele und Indikatoren für eine nachhaltige Mobilität - Anwenderleitfaden, veröffentlicht in Mensch-Stadt-Verkehr-Umwelt, 2005
[UBA13] TU Dresden, Lehrstuhl Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Prof. Dr.-Ing. G.-A. Ahrens, Ahrens, Gerd-Axel, Becker, Udo, Böhmer, Thomas, Richter, Falk, Wittwer, Rico Potenziale des Radverkehrs für den Klimaschutz, veröffentlicht in TEXTE, Ausgabe/Auflage 19/2013, Dessau-Roßlau, 2013/03, ISBN/ISSN 1862-4804
[UBA21] Umweltbundesamt (Hrsg.) Indikator: Umweltfreundlicher Personenverkehr, 2021/01/28
[UBA21a] Umweltbundesamt (Hrsg.) Radverkehr, 2021/03/03
Weiterführende Literatur
[UBA20l] Umweltbundesamt (Hrsg.) CO2-Fußabdrücke im Alltagsverkehr, 2020/12
[BMU13d] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Umweltbundesamt Mit dem Rad das Klima schützen, veröffentlicht in Umwelt, Ausgabe/Auflage 5/2013, C + J Corporate Editors GmbH / Berlin, 2013/05, ISBN/ISSN 0343-1460
[UBA06] Krause, Juliane, Dipl-Ing. (plan & rat), Hildebrandt, Edzard, Dipl.-Ing. (PGV) Modellvorhaben "Fußgänger- und fahrradfreundliche Stadt" - Chancen des Fuß- und Radverkehrs als Beitrag zur Umweltentlastung, veröffentlicht in Texte 28/05, 2006/1, ISBN/ISSN 0722-186X
[BMVBW02c] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2002-2012, 2002/04
[BMVBS12q] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2020, Berlin, 2012/10
[BMVI21b] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Nationaler Radverkehrsplan 3.0, 2021/04/21
Glossar
Personenkilometer
Die Einheit Personenkilometer [Pkm] beschreibt die im Rahmen einer Personenbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Verkehrsmenge (Summe der beförderten Personen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km.
Verkehrsarbeit [Pkm] = Verkehrsmenge [P] * Wegstrecke [km]
ADFC Der ADFC ist ein bundesweiter, gemeinnütziger Verein, der die Interessen von Alltags- und Freizeitfahrern vertritt. Arbeitsschwerpunkte liegen unter anderem in der Verkehrsplanung, der Verkehrspolitik, dem Tourismus, dem Umweltschutz, der Technik/Sicherheit, dem Fahrraddiebstahlschutz sowie der Fahrradmitnahme in Öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei überprüft der ADFC beispielsweise auch die Qualität von Produkten der Fahrradindustrie und fördert den Radverkehr durch Zusammenarbeit mit Institutionen, Vereinen sowie Organisationen, die sich für mehr Sicherheit und Umweltschutz im Straßenverkehr einsetzen. Des Weiteren bietet der ADFC vor Ort Dienstleistungen wie Radtouren, Technikkurse, Kaufberatung als auch Verkehrsaktionen an.
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Verkehrsstärke
Die Verkehrsstärke ist eine Kennzahl für die Stärke eines Verkehrsstroms an einem Querschnitt, gemessen in der Anzahl der Verkehrseinheiten, die diese Stelle pro Zeiteinheit passieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von Streckenbelastung, wenn sich die Quantifizierung des Verkehrsstroms alternativ auf einen betrachteten Streckenabschnitt und nicht auf einen Querschnitt bezieht.
Verkehrsstärke = Verkehrseinheiten am Querschnitt / Bezugsperiode
Gebräuchliche Einheiten für die Verkehrsstärke sind z. B. Fahrzeuge [Fzg] pro Tag [24h] oder Stunde [h] (z. B. durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke, kurz DTV [Fzg/24h])
dB(A) Messgröße des A-bewerteten Schalldruckpegels zur Bestimmung von Geräuschpegeln. Die dB-Skala ist logarithmisch aufgebaut, d. h. eine Verdoppelung der Lärmintensität führt zu einer Erhöhung um 3 dB. Das menschliche Ohr empfindet eine Erhöhung um 10 dB als Verdoppelung der Lautstärke. Hierzu ist eine Schallintensitätsverzehnfachung erforderlich. Der Zusatz "(A)" gibt an, dass dem betreffenden Messergebnis die standardisierte A-Berwertungskurve zugrunde liegt. Sie berücksichtigt einen nichtlinearen frequenz- und pegelabhängigen Zusammenhang zwischen subjektiv wahrgenommenem Läutstärkepegel und vorliegendem Schalldruckpegel. So empfindet das menschliche Gehör bspw. mittlere Frequenzen im Vergleich zu niedrigen Frequenzgängen als wesentlich lauter, weshalb die Einheit dB(A) entsprechende Tonhöhen stärker gewichtet. Ein gesundes Ohr kann bereits einen Schalldruck von 0 dB (A) wahrnehmen (Hörschwelle), bei Werten über 120 dB (A) wird die Geräuschbelastung unerträglich laut (Schmerzgrenze). Eine Langzeiteinwirkung von über 85 dB(A) zieht u. U. dauerhafte Gehörschäden nach sich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?219115

Gedruckt am Dienstag, 16. April 2024 13:16:25