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Ziele des Verkehrsmanagements

Erstellt am: 25.10.2004 | Stand des Wissens: 22.10.2024

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Ziel des Verkehrsmanagements ist eine Optimierung der Systemqualitäten des Verkehrsangebotes, wobei der Einsatz ökonomischer, ökologischer und sozialer Ressourcen begrenzt und Infrastrukturinvestitionen weitgehend vermieden werden sollen. Ein wesentlicher Bestandteil ist dabei nicht nur die Verbesserung einzelner Systeme oder Maßnahmen, sondern insbesondere deren koordinierte und partnerschaftliche Abstimmung (unter anderem organisatorisch und technisch) untereinander.
Die Maßnahmen des Verkehrsmanagements sollen dazu beitragen,
  • die Teilnahme- und Mobilitätsmöglichkeiten aller Bürgerinnen und Bürger zu sichern,
  • die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen,
  • die für wirtschaftliche Austauschprozesse notwendigen Transportvorgänge zu gewährleisten und
  • die Umwelt-, Umfeld- und Sozialverträglichkeit zu verbessern.

Vor dem Hintergrund der Ressourcenschonung lauten die Ziele einer nachhaltigen Verkehrsplanung und eines nachhaltigen Verkehrsmanagements [BeBi16]:

1. Verringerung von Verkehrsaufwänden und Vermeidung von Verkehrsaufkommen
Dabei ist insbesondere anzustreben, die Notwendigkeiten bzw. die Bedürfnisse für Ortsveränderungen von Personen und Gütern so zu beeinflussen, dass diese mit möglichst wenig Verkehr zu befriedigen sind (weniger Verkehr bei gleicher Mobilität). Werden Instrumente zur Vermeidung erfolgreich eingesetzt, entstehen für die vermiedene Fahrt keine, oder für die verkürzte Fahrt weniger Emissionen [BeBi16].

2. Verlagerung des Verkehrs
Im Personenverkehr steht der Fokus der Verlagerungs-Strategie auf der Verringerung der Verkehrsleistung des motorisierten Individualverkehrs (MIV). Werden die Fahrten auf Fußwege oder das Fahrrad (Aktive Mobilität bzw. Nicht-motorisierter Verkehr) verlagert, fallen wie bei der Vermeidung-Strategie keine Emissionen an. Werden die Fahrten auf den Öffentlichen Verkehr (ÖV) verlagert, können die Emissionen im Allgemeinen deutlich gesenkt werden. Gleiches gilt im (nationalen) Güterverkehr wo das Ziel der Verlagerungs-Strategie ist, Transporte von der Straße auf die Schiene bzw. auf das Binnenschiff zu verlagern. Um den Vorteil der geringeren THG-Emissionen zu erhalten, ist es dabei auch in den Ziel-Verkehrsträgern (ÖV bzw. Schiene/Binnenschiff) notwendig, die Verbessern-Strategie (siehe unten) zu verfolgen [BeBi16].

3. Verbesserung der Abwicklung des Verkehrs
Dies ist insbesondere bei Fahrzeugen mit einem hohen Energieverbrauch je Verkehrsleistung relevant. Neben rein technischen Fahrzeugverbesserungen kann auch eine Optimierung des Fahrverhaltens zur Minderung des Verbrauchs beitragen. Sollen sich Verbesserungen positiv auf die gesamten THG-Emissionen auswirken, sind Rebound-Effekte zu vermeiden. Diese entstehen insbesondere durch die geringeren Fahrtkosten bei niedrigeren Verbräuchen und führen insgesamt zu einer höheren Verkehrsleistung. Fahrzeugverbesserungen erfordern im Allgemeinen keine Änderung des Verkehrsverhaltens [BeBi16].

Dönges verfeinert in der 2016 veröffentlichten Monografie Verkehrsmanagement im kommunalen und überörtlichen Bereich diese übergeordneten Ziele durch greifbarere Zielsetzungen [Döng16]:
  • Verkehrsqualität sichern/Leistungsfähigkeit erhalten (Durchgangsverkehr, Störungen und Staus reduzieren, Radverkehr fördern, intensive Überwachung des ruhenden Verkehrs)
  • Verkehrssicherheit erhöhen (Fahrradsicherheit verbessern, Verkehrsunfälle in Schwere und Häufigkeit reduzieren, Sicherheitsrelevante Dienste verankern)
  • Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verkehrs optimieren (Betriebsprozesse verbessern, Anschlusssicherung im ÖPNV, Qualitätssicherung bei Systemen und Prozessen)
  • Erreichbarkeit und Zugänglichkeit optimieren (Verknüpfung städtischer und regionaler Komponenten, Zugangshemmnisse abbauen)
  • Güter- und Wirtschaftsverkehr optimieren (Güterverkehr aus sensiblen Gebieten verschieben, effiziente und umweltverträgliche Integration des Wirtschaftsverkehrs in das Verkehrssystem)
  • Verknüpfungspunkte ausbauen (Inter-/Multimodalität fördern, Verknüpfungspunkte effizient auslasten)
  • Emissionen reduzieren (Verkehrsmanagement soll einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Reduzierung von Kohlendioxid, Stickoxiden, Ozon, Feinstaub leisten).

Das Umweltbundesamt (UBA) beschreibt in seiner Veröffentlichung Digitalisierung im Verkehr Potentiale eines digitales Verkehrsmanagement, um folgende Ziele zu verfolgen [UBA23y]:
  • Aufbau einer, an ökologischer Nachhaltigkeit orientierten, digitalen Infrastruktur für den Verkehr,
  • Begrenzung negativer Effekte im automatisierten MIV,
  • Gezielte Stärkung des Umweltverbunds ,
  • Integration von fahrerlosen Sammelfahrdiensten in den ÖV,
  • Begrenzung von Risiken durch den fahrerlosen Straßengüterverkehr.

Das UBA sieht im digitalen Verkehrsmanagement und den damit einhergehenden Maßnahmen große Potentiale zu den Klimaschutzzielen des Verkehrssektors beizutragen es gilt jedoch auch Rebound-Effekte zu vermeiden [UBA23y]. Die bis 2030 gesteckten Klimaziele der Bundesregierung für den Verkehrssektor können bei einer Fortführung des aktuellen Trends nicht erreicht werden. Somit bedarf es laut UBA eines kohärenten Verkehrsmanagements, das klar darauf ausgerichtet ist klimagerechte Mobilität zu fördern und Emissionen des Verkehrssektors zu reduzieren. Auf politischer Ebene gilt es insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen an die Zielsetzungen anzupassen [UBA23u].

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sicherstellung einer hohen Kompatibilitäts- und Kommunikationsqualität. Da viele verschiedene Hersteller und Systeme am Markt operieren, ist fehlende Komptabilität zwischen den Systemen ein großes Hindernis. Existieren Teilsysteme ohne offene Schnittstellen, kann kein umfassendes, dynamisches System aufgebaut werden beziehungsweise wird der Aufbau dieses Systems erschwert und verteuert.

Beispielhaft für die Ziele von Verkehrsmanagementmaßnahmen in lokalen Projekten sind die Zielstellungen der Integrierten Verkehrsleitzentrale der Stadt Stuttgart zu nennen:
  • reibungsloser Ablauf des Gesamtverkehrs und die Reduzierung von Staus unter Berücksichtigung aller Verkehrsträger und der Umwelt,
  • Verlagerung der Fahrten vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Personennahverkehr,
  • Koordination und das Management bei Veranstaltungen und Baustellen,
  • Realisierung einer Verkehrsvorschau in den Medien,
  • Ausweisung von Alternativrouten,
  • Reduzierung des Parksuchverkehrs durch dynamische Parkleitinformationen,
  • Schaffung besserer Dispositionsgrundlagen für den Wirtschaftsverkehr,
  • Verbesserung der Qualität der Verkehrsmeldungen,
  • Optimierung der Fahrgastinformation (vor Fahrtantritt und unterwegs) und
  • emissionsabhängige Verkehrssteuerung [SaRie14, S.10f.].
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Sicherung der Mobilität durch Verkehrsmanagement (Stand des Wissens: 22.10.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?33546
Literatur
[BeBi16] Fabian Bergk, Kirsten Biemann, Christoph Heidt, Wolfram Knörr, Udo Lambrecht, Tobias Schmidt, Lutz Ickert, Martin Schmied, Patrick Schmidt, Werner Weindorf Klimaschutzbeitrag des Verkehrs bis 2050, 2016/06
[Döng16] Dönges, Ansgar Verkehrsmanagement im kommunalen und im überörtlichen Bereich: Verkehrsmanagement - Mobilitätsmanagement - Straßenverkehrstelematik, Deichmann + Fuchs Business Solution, 2016/12/20, Online-Referenz https://katalogbeta.slub-dresden.de//id/0-876526423/, ISBN/ISSN 978-3-86198-406-1
[SaRie14] Sandrock, M., Riegelhuth, G. Verkehrsmanagementzentralen in Kommunen - Eine vergleichende Darstellung, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2014, ISBN/ISSN 978-3-658-04390-2
[UBA23u] Umweltbundesamt (Hrsg.) Klimaschutz im Verkehr, 2023/03/15
[UBA23y] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. , KCW GmbH, Bruns, F., Straumann, R. Digitalisierung im Verkehr, Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau-Roßlau, 2023/11, ISBN/ISSN 1862-4804
Weiterführende Literatur
[FGSV02] FGSV-Arbeitsausschuss 1.1 "Grundsatzfragen der Verkehrsplanung", FGSV-Arbeitsausschuss 1.7 "Sonderfragen des Stadtverkehrs" Verkehrsmanagement - Einsatzbereiche und Einsatzgrenzen [FGSV-Arbeitspapier Nr. 56], veröffentlicht in FGSV-Arbeitspapiere, Ausgabe/Auflage 1. , 2002
[SchCl04] Schmidt-Clausen, Riclef Verkehrstelematik im internationalen Vergleich - Folgerungen für die deutsche Verkehrspolitik, veröffentlicht in Europäische Hochschulschriften - Reihe V, Volks- und Betriebswirtschaft, Ausgabe/Auflage Bd. 3080, Peter Lang GmbH Europäischer Verlag der Wissenschaften Frankfurt/Main, 2004, ISBN/ISSN 3-631-52838-8
Glossar
Aktive Mobilität
Die Aktive Mobilität (im Gegensatz zur passiven Mobilität durch motorisierte Verkehrsmittel) umfasst alle Fortbewegungsarten, die ganz oder teilweise auf köperlicher Aktivität (Muskelkraft) basieren (zu Fuß gehen, Fahrradfahren, Tretroller, Kickboard). Aktive Mobilität fördert Fitness & Gesundheit, ist mit geringen Kosten umzusetzen und erhöht die Lebensqualität. Das E-Bike ist eine Mischform aus Aktiver und passiver Mobilität.
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.
UBA Umweltbundesamt

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?116997

Gedruckt am Sonntag, 23. Februar 2025 03:37:48