Instrumente und Maßnahmen zur Neuverteilung des öffentlichen urbanen Raums
Erstellt am: 27.02.2025 | Stand des Wissens: 27.02.2025
Synthesebericht gehört zu:
Im Rahmen einer Neuverteilung des öffentlichen Raums sind Maßnahmen nicht isoliert zu betrachten, sondern in Gesamtkonzepten auf unterschiedlichen Planungsebenen (vom Quartier bis zur Bundesebene) eingebettet. In solchen Konzepten können sowohl technologische, infrastrukturelle, wirtschaftliche als auch politische Maßnahmen miteinander verknüpft werden. Die hier vorgestellten Maßnahmen bilden dabei nicht die Gesamtheit der Ansätze ab, da eine Neuverteilung des Raums, ebenso wie Städte im Allgemeinen, eine Vielzahl an komplex miteinander verwobenen Systemen betrifft.
Abbildung 1 veranschaulicht die Wirkungszusammenhänge von ausgewählten Maßnahmen und den allgemeinen Zielen einer Neuverteilung des öffentlichen Raums und Verkehrsflächen. Die Darstellung basiert auf dem Meinungsbild [WiBMDV21] des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur und bietet Planungsbeteiligten eine schnelle Einordnung möglicher Maßnahmen. Zu berücksichtigen ist, dass diese vereinfachte Darstellung die Komplexität der Wirkungszusammenhänge nicht umfassend abbilden kann: So können "Maßnahmen im Straßennetz zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität [...] den Kfz-Verkehr reduzieren, umgekehrt führt weniger Kfz-Verkehr nicht automatisch zu einer Verbesserung der Aufenthaltsqualität" [WiBMDV21, S. 15].
Abbildung 1 veranschaulicht die Wirkungszusammenhänge von ausgewählten Maßnahmen und den allgemeinen Zielen einer Neuverteilung des öffentlichen Raums und Verkehrsflächen. Die Darstellung basiert auf dem Meinungsbild [WiBMDV21] des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur und bietet Planungsbeteiligten eine schnelle Einordnung möglicher Maßnahmen. Zu berücksichtigen ist, dass diese vereinfachte Darstellung die Komplexität der Wirkungszusammenhänge nicht umfassend abbilden kann: So können "Maßnahmen im Straßennetz zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität [...] den Kfz-Verkehr reduzieren, umgekehrt führt weniger Kfz-Verkehr nicht automatisch zu einer Verbesserung der Aufenthaltsqualität" [WiBMDV21, S. 15].
![Abb. 1: Wirkungsbeitrag von Maßnahmen zur Erreichung der Ziele (Meinungsbild des Wissenschaftlichen Beirats) [Eintrag-Id:589980, S.17] Bild3.jpg](/servlet/is/590710/Bild3.jpg)
Maßnahmen der Netzgestaltung betreffen alle infrastrukturellen und baulichen Anlagen, die sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr betreffen. Verkehrsnetze dienen der Verbindung von Orten und der Ortsveränderung von Menschen und Gütern. Dazu zählen auch Haltestellen, Abstellplätze als Übergabepunkte von Fahrzeugen zum Fußverkehr, als auch Briefkästen, Paketboxen und -stationen und Warenlager als Übergabepunkte von Waren [WiBMDV21, S. 15]. Unter anderem gibt es folgende konkrete Maßnahmen [WiBMDV21] [RaBe23]:
- Veränderung von Straßenräumen: Umwidmung, Rückbau, Bereitstellung von Verkehrsflächen für die Beschleunigung des ÖPNV, zum Beispiel durch die Einrichtung von Bus- oder Umweltspuren, und die Förderung des Rad- und Fußverkehrs, aber auch die Schaffung von Aufenthalts- und Begegnungsräumen und blau-grüner Infrastruktur [WiBMDV21, S. 30ff.]
- Radschnellwege: Radschnellverbindungen ermöglichen eine deutliche Verkürzung der Reisezeiten und die Radfahrer benötigen weniger Energie [RVR14]
- Mikro- und Makrohubs und Paketstationen: Makrohubs als Umschlagspunkte für Lieferverkehre am Rande von Städten und Mikrohubs innerhalb von Städten zur Entlastung der Verkehrswege [WiBMDV21, S. 39f.]
- Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und Temporeduktionen zum Beispiel durch den Einbau physischer Barrieren oder Einrichtung von Begegnungszonen (Shared Space) [VCOE23]
- Parkraummanagement und die Einrichtung von Quartiersgaragen [WiBMDV21, S. 37]
- Urbane Seilbahnen als räumlich begrenztes Mittel zur Entlastung der bestehenden Verkehrsflächen [BMDV23ag und BMDV22ag]
- Mobilitätsstationen zur Verknüpfung unterschiedlicher Mobilitätsformen und zur Förderung von multi- und intermodalem Verkehrsverhalten [BBSR15b]
- Multifunktionale und adaptierbare Stadtflächen, die mehrere Funktionen miteinander verbinden oder zu unterschiedlichen Tageszeiten oder Wochentagen alternativen Nutzungen zugeführt werden, zum Beispiel auch in Verbindung mit selektiven Fahrverboten für bestimmte Verkehrsmittel [FGSV02] [WILA23]
- Autoarme beziehungsweise autofreie Quartiere mit einer Vielzahl an alternativen Mobilitätsangeboten [BeNaMo20]
Maßnahmen im Bereich des Verkehrssystems betreffen die unterschiedlichen Verkehrsmittel (zum Beispiel Pkw, Fahrrad, Straßenbahn), das Verkehrsnetz (zum Beispiel Straßen und Gehwege) und die Organisationsform der Nutzer der Verkehrssysteme (privater Haushalt, privatwirtschaftlich, öffentlich). Sie unterliegen Gesetzen und Verordnungen, zum Beispiel der Straßenverkehrsordnung (StVO) [StVO], der Straßenbahnbau- und Betriebsordnung (BOStrab) [BOStrab] und dem Personenbeförderungsgesetz (PbefG) [PBefG]. Zu den Maßnahmen im Personenverkehr sind für die Neuverteilung des Raums insbesondere Alternativen zum privaten Pkw, auch jene mit neuen Antrieben, zu nennen, die eine Verlagerung auf flächensparendere und nachhaltigere Mobilitätsformen fördern, den Verkehr ressourcenschonender abwickeln und inter- und multimodales Verkehrsverhalten begünstigen. Zu den Maßnahmen im Verkehrssystem zählen unter anderem [WiBMDV21]
- der Ausbau und die Verbesserung des ÖPNV-Angebots durch eine erhöhte Taktung und Schließung von Lücken im Netz, eine Steigerung der Zuverlässigkeit und des Fahrgastkomforts [WiBMDV21],
- Sharing-Angebote mit einer flächendeckenden Bediengebieten von Carsharing- und Ridesharing-Diensten und Schaffung von städteübergreifenden oder regionalen Angeboten in Metropolregionen [BBSR15b],
- Mobility-as-a-Service (MaaS) mit On-Demand-Angeboten und Ridepooling - sowohl von privaten Anbietern als auch zur Abdeckung von Angebotsdefiziten in Schwachlastzeiten durch die kommunalen Verkehrsunternehmen [Bers22, GiLa21] und
- der Einsatz von autonom fahrenden Fahrzeugen im Stadtgebiet [BMVI18j].
Im Logistikbereich sind im Rahmen der Neuverteilung des Raums Maßnahmen wie die Abwicklung der Distribution von Waren und Gütern verlagert auf Schwerlastdrohnen und Hyperloops [BMVI19v, S. 45 ff.] und die Abwicklung von Transporten auf bestehender Schieneninfrastruktur der Trams (Cargo-Trams [WiBMDV21, S. 50] denkbar. Die zuvor genannten Maßnahmen sind auch mit alternativen Antriebstechnologien verknüpfbar.
Maßnahmen im Bereich der Verkehrssteuerung haben Einfluss auf den Verkehrsfluss und das Fahrverhalten. Ebenso fallen darunter alle Systeme, die die räumliche und zeitliche Ausprägung der Verkehrsnachfrage beeinflussen (Nachfragemanagement) oder das Verkehrsangebot durch kurzfristige Anpassungen der Kapazitäten verändern können (Angebotsmanagement):
- Mobilitätsmanagement: Konzepte zur verträglichen und nachhaltigen Abwicklung von Verkehrsaufkommen öffentlicher Einrichtungen und Betriebe und bestimmter Zielgruppen, zum Beispiel Touristen und Neubürgerinnen und -bürger
- Digitale Mobilitätslösungen: Erfassung und Verarbeitung von Mobilitätsdaten, digitales Routing und Ticketing, das eine durchgängige Buchbarkeit intermodaler Wege ermöglicht, Echtzeit-Fahrgastinformationen, Mobilitätsplattformen und digitale Plattformen zur Sendungskoordination [WiBMDV21, S. 57f.]
- Tarifliche Maßnahmen: Durch tarifliche Maßnahmen können die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs (ÖV) gesteigert und die Nutzbarkeit erleichtert werden. Tarifliche Maßnahmen beschränken sich nicht ausschließlich auf den öffentlichen Verkehr. Auch im Bereich des ruhenden Verkehrs ist durch die Preisgestaltung eine Einflussnahme auf die Auslastung der Parkierungsanlagen möglich
Es ist wichtig, realistische und konkrete Alternativen zu schaffen, die ihren Mehrwert für die Nutzenden direkt spürbar machen. Wie solche Alternativen aussehen und welche Lösungen für ganze Kommunen und einzelne Quartiere geeignet sein können, lässt sich mit Hilfe von Reallaboren realitätsnah erproben. Pop-Up-Radwege, temporäre Sperrungen von Straßen für den Pkw-Verkehr zugunsten sozialer Veranstaltungen und sogenannte Parklets (zusammengesetzte Module aus Holz, aus denen Sitz- und Tischflächen mit Blumenbepflanzung gestaltet werden können) sind Beispiele für temporäre Maßnahmen, die neue Optionen der Nutzung im realen Raum erlebbar machen [RaBe23, S. 20f.]. Der Forschung, Planung und Politik können Reallabore wichtige Hinweise für die alltägliche Brauchbarkeit in bestimmten urbanen Kontexten geben.
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) empfiehlt "[...] die Schaffung von Experimentierräumen für Stadtteile, in denen nicht motorisierter individueller Mobilität und öffentlichem Personennahverkehr uneingeschränkt Vorrang eingeräumt wird [...]. Das Ziel sollte sein, die Vision einer Stadt der leichten und sozial inklusiven sowie umweltfreundlichen Erreichbarkeit robust in der Stadtentwicklungspolitik zu verankern" [WBGU16, S. 426].