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Anwendungsfelder und Interessengruppen von Mobilitätsdaten

Erstellt am: 18.11.2024 | Stand des Wissens: 18.11.2024

Synthesebericht gehört zu:

Mobilität ist ein zentrales Element in der Gestaltung moderner Gesellschaften und hat weitreichende Implikationen auf soziale, ökonomische und ökologische Faktoren. Eine Grundlage für die zielgerichtete und zukunftsorientierte Planung von Verkehrssystemen sind Mobilitätsdaten. Die Bedeutung von Mobilitätsdaten wird unter anderem dadurch deutlich, dass das Bundesverkehrsministerium regelmäßig verschiedene Einrichtungen mit der Erhebung des Mobilitätsverhaltens privater Haushalte beauftragt. Beispielsweise werden Daten zur Mobilität in Deutschland ansässiger privater Haushalte in der deutschlandweiten Studien Mobilität in Deutschland (MiD) erhoben [BMDV19e, S. 13]. Dabei können Mobilitätsdaten in unterschiedlichen Kontexten und von verschiedensten Akteuren verwendet werden.
Die Nutzergruppe Wissenschaft und Forschung nutzt Mobilitätsdaten unter anderem für Verkehrsplanung und -management, Infrastrukturplanung, Verkehrsmodellierung sowie die Entwicklung von nachhaltigen Mobilitätslösungen und innovativen Technologien [BMDV18a]. So werden beispielsweise im Rahmen der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geförderten Innovationsinitiative mFUND zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte für datenbasierte Anwendungen für die Mobilität der Zukunft finanziell unterstützt [BMDV24y]. Die Forscher nutzen in verschiedenen Projekten Mobilitätsdaten wie GPS-Daten von Fahrzeugen, um beispielsweise die Verkehrsplanung oder die Steuerung des innerstädtischen Verkehrs zu verbessern [BMDV24z; BMDV23z]. Ein weiteres Beispiel ist das Reallabor NUDAFA (Nutzerdatengestütztes Fahrradverkehrsnetz) im Rahmen der FONA-Strategie (Forschung für Nachhaltigkeit). Hier werden Mobilitätsdaten verwendet, um die Planung von Radverkehrswegen unter der Einbeziehung von Stakeholdern zu ermöglichen.
Eine weitere Anwendergruppe bilden Vertreter aus der Politik beziehungsweise aus den für Verkehr zuständigen Bundes- und Landesministerien sowie Kommunen. Besonders großer Bedarf an Mobilitätsdaten hat das BMDV mit seinen verkehrspolitischen Abteilungen Luftfahrt, Bundesfernstraßen, Wasserstraßen und Schifffahrt, Eisenbahn, Straßenverkehr sowie der Abteilung Grundsatzangelegenheiten. In den Zuständigkeitsbereich der Abteilung Grundsatzangelegenheiten fallen unter anderem die Handlungsfelder Elektromobilität, Personenverkehr, öffentliche Verkehrssysteme und Klimaschutz in der Mobilität [BMDV24aa]. Die Abteilungen können auf unterschiedliche Weise von Mobilitätsdaten profitieren. Ein Beispiel für die Notwendigkeit von Mobilitätsdaten ist die Bundesverkehrswegeplanung. Die nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur soll durch die Modernisierung und den Erhalt bestehender Verkehrsnetze, die Beseitigung von Engpässen und die Stärkung der Schienen-, Straßen, und Wasserstraßeninfrastruktur vorangetrieben werden. Mobilitätsdaten sind für die Bundesverkehrswegeplanung von entscheidender Bedeutung, da sie einen Überblick über die Verkehrsnachfrage in der Vergangenheit und der Gegenwart liefert und somit eine entscheidende Grundlage für die Erstellung von Nachfrageprognosen darstellen. Ferner werden Mobilitätsdaten für die Kalibrierung von Verkehrsnachfragemodellen benötigt, mit denen die Infrastrukturprojekte der Bundesverkehrswegeplanung bewertet werden.
Ein weiterer exemplarischer Anwendungsfall beschreibt den Einsatz von Mobilitätsdaten zur Erarbeitung von Eindämmungsmaßnahmen während einer Pandemie. So können beispielsweise Mobilfunkdaten verwendet werden, um den Zusammenhang zwischen dem Mobilitätsverhalten der Bevölkerung und der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie aufzuzeigen. Die Erkenntnisse bieten schließlich eine Entscheidungsgrundlage für politische Akteure, um situationsgerecht Eindämmungsmaßnahmen abzuleiten [Pers21].
Akteure aus der Wirtschaft benötigen Mobilitätsdaten, um damit nachfragegerechte Mobilitäts- oder Logistikkonzepte zu entwickeln [BMDV24x]. So können beispielsweise Sharing-Anbieter basierend auf GPS-Tracking ihrer Fahrzeuge feststellen, wie die Nutzung erfolgt und dementsprechend das Angebot für bestehende und potenzielle Kunden verbessern. Erkenntnisse zur Fahrzeugnutzung (Nachfragemonitoring) können direkt in die Gestaltung des angebotenen Sharing-Gebiets einfließen. Im Bereich der Logistik können Mobilitätsdaten (beispielsweise GPS-Daten) zur Routenoptimierung genutzt werden, um Kosten zu sparen und im Idealfall die ökologische Bilanz der Transporte zu verbessern [DHL23a].
Technologiekonzerne, die über Navigations-Apps Mobilitätsdaten sammeln, können diese ebenfalls auswerten und so ein immer vollständigeres Profil ihrer Kunden erzeugen. Versicherungsunternehmen machen zunehmend Gebrauch von Mobilitätsdaten ihrer Kunden. Sie nutzen diese Daten, um den Fahrzeughaltern verschiedene Risikoprofile zuzuteilen und kundenspezifische Tarife festzulegen [Goik21]. Ein weiteres Beispiel ist die zunehmende Nutzung von Mobilitätsdaten zur Planung von Standorten von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. Aus den Daten werden Fahrprofile und Aufenthaltszeiten der Fahrzeuge gewonnen. Auf diese Weise können die optimalen Standorte und die Dichte der benötigten Ladestationen bestimmt werden [Vazi15].
Weiterhin können Verkehrsteilnehmer selbst einen Nutzen aus erhobenen Mobilitätsdaten ziehen. Zum Beispiel profitieren Pkw- und Lkw-Fahrer von Mobilitätsdaten, wenn sie mit Hilfe einer Routenplanungssoftware navigieren. Die Navigation kann auf Basis der aktuellen Auslastung des Straßennetzes erfolgen und liefert dem Verkehrsteilnehmenden je nach zuvor festgelegten Kriterien die optimale Route. Eine Vernetzung und Zusammenführung von Mobilitätsdaten verschiedener Verkehrsmittel bieten große Vorteile für multimodale Apps. In diesen multimodalen Anwendungen wird ein integriertes Mobilitätsnetzwerk geschaffen, das Benutzern die effizienteste Route je nach Verkehrsmittel aufzeigt und es ihnen ermöglicht, zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wie Fahrrad, Bus, Zug, Auto oder Taxi zu wechseln.
Als weitere Nutzer von Mobilitätsdaten sind darüber hinaus Interessenverbände zu nennen. Interessenverbände verwenden Mobilitätsdaten und deren Auswertungsergebnisse, um ihre Position mit Daten zu untermauern und Argumenten Gewicht zu verleihen.
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Das Spannungsfeld der Mobilitätsdatengewinnung und -nutzung (Stand des Wissens: 19.11.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?587549
Literatur
[BMDV18a] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Innovative Anwendungen mit Mobilitätsdaten: Internationale Beispiele Eine Studie der mFUND-Begleitforschung des WIK, 2018
[BMDV19e] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Mobilität in Deutschland - MiD Methodenbericht, 2019
[BMDV23z] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Automatisiertes Verfahren zur Erstellung und Kalibrierung von Verkehrssimulationen auf Basis von Floating Car Daten AUFGEHTS, 2023
[BMDV24aa] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Organisationsplan des Bundesministerium für Digitales und Verkehr 8. November 2024 , 2024
[BMDV24x] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Mobilitätserhebungen des BMDV und seiner nachgeordneten Behörden im Überblick, 2024
[BMDV24y] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) mFUND Unsere Förderung für die Mobilität der Zukunft, 2024
[BMDV24z] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Koordiniertes Management von Parkflächen in Städten KOMPAKT, 2024
[DHL23a] DHL (Hrsg.) Big Data in der Logistik: Wie wertvoll sind Daten wirklich?, 2023
[Goik21] Javier Goikoetxea-Gonzalez,, Diego Casado-Mansilla,, Diego López-de-Ipiña Using geolocation data, POIs and drivers behavioral information to infer risk profiles in future mobility scenarios, 2021
[Pers21] Joel Persson, , Jurriaan F. Parie,, Stefan Feuerriegel Monitoring the COVID-19 epidemic with nationwide telecommunication data, 2021
[Vazi15] Mohammad M.Vazifeh, , Hongmou Zhang, , Paolo Santi,, Carlo Ratti Optimizing the Deployment of Electric Vehicle Charging Stations Using Pervasive Mobility Data, 2015
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Reallabor
Reallabore sind Experimentierräume in der Wirklichkeit, wie etwa Stadtquartiere, in denen Ideen zur nachhaltigen Stadt- oder Mobilitätsentwicklung konzipiert und in Form von Realexperimenten umgesetzt und ausprobiert werden. Die Maßnahmen werden wissenschaftlich begleitet, ausgewertet und evaluiert, um übertragbare Ergebnisse zu generieren. Im Fokus steht dabei die Einbindung der Zivilgesellschaft, die letztendlich am meisten von den umgesetzten Maßnahmen profitieren soll.
Die begriffe 'Reallabor' und 'Realexperiment' sind nicht synonym zu verwenden. Während das Reallabor den gesamten Prozess sowie sämtliche Untersuchungsräume und Akteure umfasst, handelt es sich bei den Realexperimenten um die konkret im Reallabor umgesetzten Maßnahmen.
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Global Positioning System Global Positioning System (GPS), offiziell NAVSTAR GPS, ist ein globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung und Zeitmessung. GPS basiert auf Satelliten, die mit kodierten Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus den Signallaufzeiten können GPS-Empfänger dann ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?587455

Gedruckt am Sonntag, 23. Februar 2025 15:46:54