Merkmale und Defizite von Außerortsstraßen
Erstellt am: 12.09.2022 | Stand des Wissens: 24.10.2024
Synthesebericht gehört zu:
Die Verkehrssituation außerhalb geschlossener Ortschaften unterscheidet sich in einigen grundlegenden Merkmalen von der Situation innerhalb geschlossener Ortschaften. Dies ist einer der Gründe, warum es eine klare Trennung bei der Betrachtung der Verkehrssicherheit nach Ortslage gibt. Außerortsstraßen haben eine Verbindungsfunktion. Aus dieser Funktion ergeben sich charakteristische Merkmale wie die große Entfernung zwischen Quelle und Ziel, der Einfluss der Topographie und die hohe Fahrgeschwindigkeit.
Die Betrachtung der Unfallstatistik zeigt, dass die hohe Geschwindigkeit das größte Sicherheitsrisiko auf Außerortsstraßen darstellt. Damit verbunden ist ein erhöhtes Unfallrisiko, das vor allem auf die Nichteinhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung oder auf eine Fehleinschätzung der Geschwindigkeit zurückzuführen ist (LiJä18a, S. 3). Aber auch Defizite in der Verkehrsinfrastruktur können diese Art von Unfällen begünstigen. In Sicherheitsaudits für Straßen werden solche Sicherheitsdefizite aufgezeigt, die in der Gestaltung des Straßenraums liegen (BoMa07).
Typische Defizite außerhalb der Knotenpunkte bei Außerortsstraßen:
- Maximale Länge der Geraden überschritten
- Zu geringer Radius im Anschluss an eine Gerade
- Mindestradius für Entwurfsklasse unterschritten
- Verhältnis aufeinander folgender Radien zu groß
- Fehlende Übergangsbögen zwischen Gerade und Radius
- Längsneigung in Abhängigkeit von der Entwurfsklasse zu hoch
- Unzureichende Berücksichtigung von Fuß- und Radverkehr
- Linienführung im Höhenplan nicht an den Lageplan angepasst
- Defizite der räumlichen Linienführung
- Entwässerungsschwache Zone
Die Unterschreitung von Mindestradien der Fahrbahn (Relationstrassierung) kann zu Unfällen führen. Die Fahrzeuglenkenden werden durch die unerwartete Änderung oder nicht intuitive Abfolge der Kurvenradien zu hektischen Lenkbewegungen veranlasst und können dadurch die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren (BaBa18, S. 65). Das Statistische Bundesamt führt zwar keine Statistiken über Unfälle, die auf Infrastrukturmängel oder Abweichungen von Richtlinien zurückzuführen sind, aber selbst der Deutsche Verkehrssicherheitsrat formuliert, dass Fahrfehler durch Defizite in der Infrastruktur begünstigt werden können (DVR22).
Für die Straßenplanung werden Höhenpläne im Längsschnitt erstellt. Wannen- und Kuppenhalbmesser dienen dazu, topographische Höhenunterschiede entlang der Trasse durch weiche Übergänge in möglichst großen Radien abzurunden (ISE13, S. 71). Dabei kann sich herausstellen, dass die Wannen- und Kuppenhalbmesser nicht regelkonform ausgeführt wurden (BaBa18, S. 43). Diese Abweichungen von den Richtlinien der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen resultieren aus dem Anspruch, unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig Eingriffe zu reduzieren. Insbesondere bei Außerortsstraßen können die Topographie und der Naturschutz dazu führen, dass bauliche Maßnahmen nur eingeschränkt umsetzbar sind. Diese Einschränkungen und Abweichungen von den Richtlinien sind im Rahmen von Planungsaudits stets abzuwägen und zu begründen (RSAS19).
Darüber hinaus spielen die hohen Geschwindigkeiten im Hinblick auf fehlende Schutzeinrichtungen eine Rolle. Ein Unfallrisikofaktor ist die mangelnde Absicherung von festen und dynamischen Hindernissen im Seitenraum und auf der Fahrbahn (BaBa18, S. 62). Zu den festen Hindernissen zählen zum Beispiel Bäume, Sträucher oder auch Bauwerke wie Brückenpfeiler. Leitplanken können hier Abhilfe schaffen. Zu den dynamischen Hindernissen zählen Tiere, die die Fahrbahn überqueren, zum Beispiel Wildschweine. Um einen wirksamen Schutz vor Wildunfällen zu gewährleisten, werden Wildtierkorridore eingerichtet. Diese dienen dazu, die Bewegungsrouten von Wildtieren mit Hilfe natürlicher Strukturen und Elemente entlang der Infrastruktur zu lenken und mit Wildtierbrücken über Straßen oder unter Brücken sichere Querungen zu ermöglichen. Ein weiteres wichtiges Element zum Schutz vor Wildunfällen sind unter anderem Wildschutzzäune (BaSta, S. 62).