Regulierung und Investitionstätigkeit
Erstellt am: 09.06.2015 | Stand des Wissens: 06.08.2023
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Das Grundprinzip des regulierten Zugangs zu bestimmten Netzbereichen ermöglicht auf der Diensteebene einen chancengleichen Wettbewerb zwischen verschiedenen Telekommunikationsunternehmen. Neue Anbieter können auf regulierte Vorleistungsprodukte des etablierten Anbieters zurückgreifen und müssen nicht Zugangsinfrastrukturen duplizieren. Gleichzeitig profitieren auch Verbraucher durch diese Wettbewerbsentwicklung in Form von sinkenden Preisen und einer höheren Produktvielfalt (sogenannter "statischer Effekt").
Allerdings hat die Zugangs- und Entgeltregulierung Auswirkungen auf das Investitionsverhalten der Telekommunikationsunternehmen (sogenannte "dynamische Effekte"). Die Zugangsregulierung kann gleichzeitig Investitionsanreize sowohl für den etablierten Anbieter im Besitz der Teilnehmeranschlussinfrastruktur als auch für neue Telekommunikationsunternehmen im Markt reduzieren [CaJi09].
So senken Zugangsregulierungsvorgaben für neue Marktteilnehmer Anreize, verstärkt in eigene Infrastruktur zu investieren, da sie auf regulierte Vorleistungen des schon bestehenden, etablierten Anbieters zurückgreifen können.
Der etablierte Anbieter wiederum kann mit seinem regulierten Zugangsgeschäft nur einen eingeschränkten Gewinn erwirtschaften, da er einer einzelpreisbasierten Entgeltregulierung unterliegt. Insbesondere trägt der etablierte Anbieter bei neuen Investitionen, beispielweise beim Anschluss bisher noch nicht erschlossener Regionen, vollständig das Investitionsrisiko. Sein möglicher Gewinn wird durch Zugangsregulierung reduziert, da bei einer erfolgreichen Investition andere Marktteilnehmer auf seine Vorleistungen zurückgreifen können und er mit einem Verlust an Marktanteilen rechnen muss. Diese Aussicht einer Gewinnreduzierung wird auch als "regulatory truncation" bezeichnet: Mögliche Gewinne werden durch die Zugangsregulierung in der Höhe "abgeschnitten". Da der etablierte Anbieter diese Regulierungsauswirkungen antizipiert, wird er unter Umständen auf Investitionen verzichten [GaKi04].
Auch eine Mehrheit empirischer Studien kommt zum Schluss, dass Zugangsregulierungsvorgaben im Bereich der Teilnehmeranschlussleitung die Investitionstätigkeit der Marktteilnehmer negativ beeinflusst [CaJi09]. Als mögliche Abhilfemaßnahmen wird deshalb unter anderem eine zeitlich befristete Freistellung neu verlegter Hochleistungsanschlüsse von Regulierungsauflagen vorgeschlagen. Solche "Regulierungsferien" wären ein neuartiges Instrument in der Regulierung von Netzwerkindustrien. Ihr Analogon finden sie in den zeitlich begrenzten Patenten (gesetzlichen Monopolen) für Erfindungen oder in zeitlich begrenzten Konzessionen zur Mauterhebung bei Straßeninfrastrukturen; auch diese Instrumente sollen die nachträgliche Entlohnung von Forschungs- beziehungsweise Investitionskosten ermöglichen.
Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Investitionsanreize zielen auf die adäquate Berücksichtigung von Investitionsrisiken bei der Bestimmung der regulatorischen Preisobergrenzen. Diese können durch Risikoaufschläge erhöht werden, was den Investitionsanreiz generell erhöht. Mit solchen Aufschlägen verlässt man faktisch bereits den einzelpreisbasierten Ansatz, denn die zusätzlichen Margen, die das Unternehmen in einem Gebiet verdient, kompensieren für mögliche Verluste aus einem anderen Gebiet. Auch direkte regulatorische Investitionsanreize können gewählt werden, indem der regulierte durchschnittliche Zugangspreis eines Unternehmens von dessen aggregierter Investitionstätigkeit (beziehungsweise dem Anlagevermögen, der sogenannten "Regulatory Asset Base") positiv abhängig gemacht wird. So wird zum Beispiel bei der Regulierung von Energienetzen verfahren [GrRö12].
Der aktuelle Ansatz der Bundesregierung den andauernden Ausbau neuer Glasfasernetze zu fördern und zu beschleunigen besteht darin, von einer ex-ante-Kontrolle abzusehen, somit wird hier von einer "Regulierung light" gesprochen, die nur bei Auffälligkeiten in Kraft tritt. Im Gegenzug muss Mitwettbewerbern die Nutzung des Gasfasernetzes zu gleichen Bedingungen angeboten werden wie ihrem eigenen Vertrieb [BNetzA21a].