Die Bahnreform in Großbritannien
Erstellt am: 18.06.2004 | Stand des Wissens: 10.09.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Das Eisenbahnnetz in Großbritannien wurde im 19. Jahrhundert von vielen privaten Eisenbahngesellschaften befahren. Im Jahr 1923 wurden diese zu den großen Regionalgesellschaften 'Great Western Railway' (GWR), 'London, Midland and Scottish Railways' (LMS), 'London and North Eastern Railways' (LNER) und 'Southern Railway' (SR) zusammengefasst. Während des Zweiten Weltkriegs nahm der Staat die vier Gesellschaften zunächst unter seine Aufsicht. Auf Basis des Transport Acts von 1947 wurden sie zum 1. Januar 1948 unter dem Namen British Railways (BR) verstaatlicht. Das neue Unternehmen wurde in sechs Verwaltungsregionen aufgeteilt, die sich weitgehend an den Streckennetzen der ursprünglichen vier Regionalgesellschaften orientierten. In jeder Region übernahm ein Manager die maßgebliche Verantwortung für die Infrastruktur und den Betrieb. Diese hatten zunächst mit der Beseitigung von Kriegsschäden zu kämpfen. Daher erlitt British Railways bereits kurz nach ihrer Gründung erhebliche finanzielle Verluste und sinkende Passagierzahlen. Großzügige Streckenstilllegungen (Beeching-Axt) und die erfolgreiche Einführung der Hochgeschwindigkeits-Dieselzüge im Jahr 1976 führten zu keiner spürbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage von British Railways. In den 1980er Jahren fanden erste Umstrukturierungsmaßnahmen statt: Den Regionalmanagern von British Railways wurde ein Gesamtvorstand übergeordnet; ferner wurde das Unternehmen in die folgenden Sektoren aufgeteilt: 'InterCity' (Fernverkehr), 'Network South East' (Vorortsverkehr London), 'Regional Railways' (Regionalverkehr), 'Trainload Freight' (Wagenladungsverkehr), 'Freightliner' (Kombinierter Ladungsverkehr), 'Rail Express Systems' (Beförderung von Paketen) sowie 'Railfreight Distribution' (übriger Güterverkehr). Die Regierung um Thatcher verkaufte in den 80ern weitgehend alle ehemaligen Staatsbetriebe, mit Ausnahme der Eisenbahnen. Im Jahr 1992 fiel schließlich der Beschluss, auch die Bahn zu privatisieren [Thom04].
Die Bahnreform in Großbritannien basierte auf dem Railways Act von 1993, der am 1. April 1994 in Kraft trat. Sie war mit einer vertikalen Trennung der Bereiche Infrastruktur und Betrieb verbunden und basierte auf der folgenden Organisationsstruktur: Private Eisenbahnunternehmen konnten beim 1993 gegründeten Office of Rail Regulation (ORR) Konzessionen für gewisse Streckenteile erwerben. Daneben wurde die Leasinggesellschaft ROSCOS gegründet, von der Schienenfahrzeuge bezogen werden können. Hierdurch sollen die Markteintrittsbarrieren für Eisenbahnverkehrsunternehmen so gering wie möglich gehalten werden. Eine weitere Säule bildete die Gesellschaft Railtrack, die die gesamte Bahninfrastruktur verantwortete und im Jahr 1996 an die Börse ging. Sie stand jedoch von Anfang an wegen der mangelnden Qualität der Instandhaltungsarbeiten in Kritik. Die Zugunglücke in Southall 1997 (sechs Tote, 150 Verletzte), Ladbroke Grove 1999 (31 Tote, 500 Verletzte) und Hatfield im Jahr 2000 (vier Tote, 70 Verletzte) waren deutliche Zeichen für das seit der Privatisierung stark gesunkene Sicherheitsniveau des britischen Schienennetzes. Auch führten die Zugunglücke und die nachfolgenden Sicherheitsüberprüfungen zu einer enormen Verschuldung von Railtrack, so dass sie im Jahr 2002 unter dem Namen Network Rail wieder verstaatlicht wurde [Thom04]. Im Jahr 2006 wurden dem Office of Rail Regulation (ORR) die Aufgaben des Health and Safety Executive (HSE Rail) und des Her Majestic Railways Inspectorate (HMRI) übertragen. Seitdem ist im ORR die gesamte Regulierung des britischen Eisenbahnmarktes vereint, da sie als Regulierungs-, Wettbewerbs- und Sicherheitsbehörde fungiert. Ihre Hauptaufgabe liegt jedoch auf der Überwachung von Network Rail und der Festlegung der Zugangsentgelte [BNA08]. Im europäischen Vergleich sorgt die ORR für eine relativ strikte Regulierung. Umfangreiche Befugnisse und getroffene Entscheidungen der ORR sind rechtlich verbindlich. Die Leistungen von Network Rail werden zudem durch ein aufwändiges Kennzahlensystem überwacht [IBM11, S.137, S.139].
Hinsichtlich der EU Richtlinien sind die ersten drei Eisenbahnpakete bereits von der ORR in nationales Recht umgesetzt. Das dritte Paket wurde im Juni 2009 unter den sogenannten Railways Infrastructure (Access and Management) (Amendment) Regulations 2009 implementiert [ORR11]. Die Richtlinie [2007/58/EG] zur Öffnung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs wurde damit 2009 in nationales Recht umgesetzt. Aufträge im Personenverkehr werden durch formale Ausschreibungen vergeben und in Form von Franchise-Verträgen abgewickelt. Die beauftragten Unternehmen erhalten das ausschließliche Recht die Strecke zu betreiben [IBM11, S.136].
Die Sicherheit im britischen Bahnsystem hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Insbesondere die Zahl der Gleisbrüche konnte unter Network Rail erheblich gesenkt werden. Die Pünktlichkeit der Züge war nach dem Unfall von Hatfield enorm gesunken, da die anschließenden Sicherheitsüberprüfungen zu zahlreichen Langsamfahrten zwangen [DTOR07]. Das Pünktlichkeits-Niveau hat sich seit dem Jahr 2001/2002 mit 78 Prozent bis zum Jahr 2018 auf 85,4 deutlich erhöht [LOKR18].
Die Bahnreform in Großbritannien basierte auf dem Railways Act von 1993, der am 1. April 1994 in Kraft trat. Sie war mit einer vertikalen Trennung der Bereiche Infrastruktur und Betrieb verbunden und basierte auf der folgenden Organisationsstruktur: Private Eisenbahnunternehmen konnten beim 1993 gegründeten Office of Rail Regulation (ORR) Konzessionen für gewisse Streckenteile erwerben. Daneben wurde die Leasinggesellschaft ROSCOS gegründet, von der Schienenfahrzeuge bezogen werden können. Hierdurch sollen die Markteintrittsbarrieren für Eisenbahnverkehrsunternehmen so gering wie möglich gehalten werden. Eine weitere Säule bildete die Gesellschaft Railtrack, die die gesamte Bahninfrastruktur verantwortete und im Jahr 1996 an die Börse ging. Sie stand jedoch von Anfang an wegen der mangelnden Qualität der Instandhaltungsarbeiten in Kritik. Die Zugunglücke in Southall 1997 (sechs Tote, 150 Verletzte), Ladbroke Grove 1999 (31 Tote, 500 Verletzte) und Hatfield im Jahr 2000 (vier Tote, 70 Verletzte) waren deutliche Zeichen für das seit der Privatisierung stark gesunkene Sicherheitsniveau des britischen Schienennetzes. Auch führten die Zugunglücke und die nachfolgenden Sicherheitsüberprüfungen zu einer enormen Verschuldung von Railtrack, so dass sie im Jahr 2002 unter dem Namen Network Rail wieder verstaatlicht wurde [Thom04]. Im Jahr 2006 wurden dem Office of Rail Regulation (ORR) die Aufgaben des Health and Safety Executive (HSE Rail) und des Her Majestic Railways Inspectorate (HMRI) übertragen. Seitdem ist im ORR die gesamte Regulierung des britischen Eisenbahnmarktes vereint, da sie als Regulierungs-, Wettbewerbs- und Sicherheitsbehörde fungiert. Ihre Hauptaufgabe liegt jedoch auf der Überwachung von Network Rail und der Festlegung der Zugangsentgelte [BNA08]. Im europäischen Vergleich sorgt die ORR für eine relativ strikte Regulierung. Umfangreiche Befugnisse und getroffene Entscheidungen der ORR sind rechtlich verbindlich. Die Leistungen von Network Rail werden zudem durch ein aufwändiges Kennzahlensystem überwacht [IBM11, S.137, S.139].
Hinsichtlich der EU Richtlinien sind die ersten drei Eisenbahnpakete bereits von der ORR in nationales Recht umgesetzt. Das dritte Paket wurde im Juni 2009 unter den sogenannten Railways Infrastructure (Access and Management) (Amendment) Regulations 2009 implementiert [ORR11]. Die Richtlinie [2007/58/EG] zur Öffnung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs wurde damit 2009 in nationales Recht umgesetzt. Aufträge im Personenverkehr werden durch formale Ausschreibungen vergeben und in Form von Franchise-Verträgen abgewickelt. Die beauftragten Unternehmen erhalten das ausschließliche Recht die Strecke zu betreiben [IBM11, S.136].
Die Sicherheit im britischen Bahnsystem hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Insbesondere die Zahl der Gleisbrüche konnte unter Network Rail erheblich gesenkt werden. Die Pünktlichkeit der Züge war nach dem Unfall von Hatfield enorm gesunken, da die anschließenden Sicherheitsüberprüfungen zu zahlreichen Langsamfahrten zwangen [DTOR07]. Das Pünktlichkeits-Niveau hat sich seit dem Jahr 2001/2002 mit 78 Prozent bis zum Jahr 2018 auf 85,4 deutlich erhöht [LOKR18].
Der Modal Split im Schienengüterverkehr hat von 10,6 Prozent im Jahr 2001 auf 8,7 Prozent im Jahr 2019 verschlechtert. Im Schienenpersonenverkehr stieg der Modal Split von 5,3 Prozent im Jahr 2001 auf 8,4 Prozent in 2019 [EK21c S.37, S.49].