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Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkung

Erstellt am: 28.04.2004 | Stand des Wissens: 13.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Seit der Aufnahme der "Tempo-30-Zone" im Jahr 1990 in die Straßenverkehrs-Ordnung [StVO] ist diese Form der Zonengeschwindigkeitsbegrenzung praktisch in allen deutschen Städten flächenhaft eingeführt worden [Stei05].

Die [StVO] und die [VwV-StVO] schreiben folgende Gestaltungsprinzipien bei der Einrichtung von neuen Tempo-30-Zonen vor:
  • "Rechts-vor-Links" Regelungen an allen Kreuzungen und Einmündungen,
  • ausschließlich Straßen ohne lichtsignalgeregelte Knotenpunkte,
  • keine Fahrstreifenbegrenzung und
  • keine benutzungspflichtigen Radwege.
Dabei definieren nach § 39 [StVO] besondere Verkehrszeichen (siehe Abbildung 1) den Beginn und das Ende der Zone, in der eine bestimmte zulässige Höchstgeschwindigkeit einzuhalten ist. Im Fall der Tempo-30-Zone sind dies die Verkehrszeichen 274.1 (Beginn) bzw. 274.2 (Ende). Die Aufmerksamkeit der Kfz-Fahrer kann durch zusätzliche Markierungen auf der Fahrbahn und weitere Maßnahmen an den Zoneneingangsbereichen erhöht werden.
Kennzeichnung des Beginns einer Tempo-30-ZoneAbb. 1: Kennzeichnung des Beginns einer Tempo-30-Zone nach § 39 [StVO] (Verkehrszeichen 274.1)
Kennzeichnung des Endes einer Tempo-30-Zone Abb. 2: Kennzeichnung des Endes einer Tempo-30-Zone nach § 39 [StVO] (Verkehrszeichen 274.2)

Mit der Einführung einer Tempo-30-Zone werden die bereits genannten Zielvorstellungen der Verkehrsberuhigung verfolgt [Stei05; ISK00].
Hervorzuheben ist, dass die Unfallhäufigkeit und -schwere in Tempo-30-Zonen durch das niedrigere Geschwindigkeitsniveau und die gesteigerte Aufmerksamkeit rückläufig ist. Dadurch wird die Verkehrssicherheit besonders von zu Fuß gehenden, Radfahrenden und speziell auch für Kinder nachweislich verbessert [Stei05].
Die Einrichtung von Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen sollte vornehmlich in Wohngebieten bzw. anderen sensiblen Stadtgebieten erfolgen, vor allem bei starkem Fußgänger(quer)- und Radverkehr [SCHNA11, S. 510]. Dafür bieten sich beispielsweise Stadterweiterungsgebiete aus der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Gründerzeitviertel) oder die Siedlungen aus den 1920er, 30er sowie 50er und 60er Jahren an [Stei05].
Damit das Geschwindigkeitsniveau erfolgreich gesenkt und die Begrenzung des Durchgangsverkehrs wirksam erfolgen können, müssen Tempo-30-Zonen von Straßen des Vorbehaltsnetzes, in der Regel Verkehrsstraßen mit Verbindungsfunktion, umgeben sein wobei ihre Erschließungstiefe nicht zu groß werden darf. Aus diesem Grund sollten die Maschenweiten von Tempo-30-Zonen auf 600 m - 1000 m begrenzt werden. Größere Gebiete sind unter bestimmten Umständen möglich, jedoch sollten sie für den Kfz-Verkehr überschaubar und einsichtig bleiben [Stei05].
Um die gewünschte Verkehrsberuhigung zu erzielen, reicht es oft nicht aus, das Gebiet lediglich als Tempo-30-Zone zu beschildern. Meist werden dazu flankierende planerische, bauliche und verkehrslenkende Maßnahmen notwendig. Ergänzend können hier die Aufpflasterungen, insbesondere in den Einfahrtsbereichen, Engstellen ecetera vorgesehen werden. Kann der gebietsfremde Verkehr durch geschwindigkeitsdämpfende Maßnahmen nicht ferngehalten werden, bieten sich ggf. Sackgassen- bzw. Schleifenlösungen (Diagonalsperren) oder Einbahnstraßenregelungen an.
Das Vorbehaltsnetz sollte so gewählt werden, dass der überwiegende Teil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) darin stattfindet. Fällt der Linienverkehr ausnahmsweise doch in Verkehrsberuhigungsbereiche, so ist darauf zu achten, dass Einbauten und Rückbauten ÖPNV-verträglich gestaltet sind.
Mittlerweile sprechen sich einige Kommunen, sowie öffentliche Forschungseinrichtungen wie das Umweltbundesamt dafür aus, Tempo 30 Zonen auch an Hauptverkehrsstraßen also in Teilen des Vorbehaltsnetzes - zu nutzen. Solche Nutzungen von Tempo 30 Zonen müssen bisher noch stets in Einzelanträgen begründet werden, was zu einem enormen Mehraufwand führen kann [UBA16j]. Da Maßnahmen dieser Art bei bisherigen Begleituntersuchungen oft positive Auswirkungen zeigen, wird vom Umweltbundesamt eine mittelfristige Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen, an die wissenschaftlichen Erkenntnisse, empfohlen.

Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung (Stand des Wissens: 13.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?343762
Literatur
[ISK00] Institut für Straßenverkehr Köln (ISK), Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) Wohnstraßen und Tempo 30, Ausgabe/Auflage 1. Auflage, 2000/04
[SCHNA11] Schnabel, W., Knote, T., Korn, J., Lätzsch, L. Grundlagen der Straßenverkehrstechnik und der Verkehrsplanung - Band 1 Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage 3., vollständig überarbeitete Auflage, 2011 Beuth Verlag GmbH Berlin-Wien-Zürich Kirschbaum Verlag GmbH, Bonn, 2011, ISBN/ISSN 978-3-410-17271-0 oder 978-3-7812-1815-4
[Stei05] Steierwald, G, et al. Stadtverkehrsplanung - Grundlagen, Methoden, Ziele, Ausgabe/Auflage 2, Springer-Verlag, Berlin 2005, 2005
[UBA16j] Heinrichs, Eckhardt, Scharbarth, Frank, Sommer, Karsten Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen, 2016, ISBN/ISSN 2363-832X
Weiterführende Literatur
[EAÖ13] Dittemer, T., Benzig, H.-P., Besier, S., Deutsch, V., Dietrich, O., Graf, K., Groneck, C., Heidenreich, S., Huber, F., Knöller, T., Neukirch, A., Nickel, B. E., Schweig, K.-H., Seyboth, A., Stephan, L., Zweibrücken, K. Empfehlungen für Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs - EAÖ, Ausgabe/Auflage FGSV-Nr. 289, FGSV Verlag, Köln, 2013, ISBN/ISSN 978-3-86446-054-8
[StVO] Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
[VwV-StVO] Verwaltungsvorschrift zur StVO
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
StVO Die Straßenverkehrsordnung  legt Regeln für sämtliche Straßenverkehrsteilnehmer fest und bildet somit eine Rechtsverordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?83632

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 06:09:26