Umsetzung des Emissionshandels auf europäischer Ebene
Erstellt am: 16.02.2024 | Stand des Wissens: 16.02.2024
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Auf europäischer Ebene ist der Handel mit Zertifikaten für den Handel mit Kohlenstoffdioxid (CO2) seit dem Jahr 2005 nach dem Prinzip "Cap and Trade" implementiert (im Folgenden: EU-ETS 1) [DEHSt22]. Der europäische Emissionshandel erfasst große Energieanlagen und energieintensive Industrieanlagen sowie seit dem Jahr 2012 den Luftverkehr [DEHSt22]. Die Adressaten sind somit die Emittenten (sogenannter Downstream-Ansatz) [UBA23h]. Die Umsetzung des europäischen Emissionshandels ist in aufeinanderfolgende Handelsperioden gegliedert. Während der ersten zwei Handelsperioden bestimmte jedes Land eine eigene Emissionsobergrenze (ein sogenanntes Cap). Das deutsche Emissionshandelsbudget sank von 499 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in der ersten Handelsperiode (2005 bis 2007) auf 444 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in der zweiten Handelsperiode (2008 bis 2012) [Held22, S. 225; DEHSt15, S. 17]. In der dritten Handelsperiode (2013 bis 2020) galt ein gemeinsames Cap der Europäischen Union (EU) in Höhe von 15,6 Milliarden Tonnen CO2 [UBA22i]. Die EU-Mitgliedstaaten gaben entsprechend der Emissionsobergrenze handelbare Emissionsberechtigungen an Anlagenbetreiber aus, anfangs meist kostenlos (sogenanntes Grandfathering). In der nachfolgenden Zeit wurden die Zertifikate vermehrt versteigert (sogenannte Auktionierung), wobei die Einnahmen zu großen Teilen in die Dekarbonisierung des Energiesektors und der Industrie fließen [Held22, S. 225; DEHSt22]. In den kommenden Jahren wird die kostenlose Zertifikatsvergabe schrittweise auslaufen. Ab dem Jahr 2034 soll sie gänzlich eingestellt werden [EuPa22].
Ab dem Jahr 2008 kam es auf dem Weltmarkt, infolge wirtschaftlicher Krisen, zu einem Produktionsabfall. Als Ergebnis dieser Entwicklung wurden nicht alle auf dem Markt befindlichen Emissionszertifikate benötigt und es kam zu einem Abfall des Zertifikatspreises [Held22, S. 225; UBA22i]. Ein Abgleich der tatsächlich ausgestoßenen Emissionen und der jährlichen Emissionsobergrenze zeigt, dass ab dem Jahr 2009 die tatsächlich ausgestoßenen Emissionen das Cap stets deutlich unterschritten [UBA22i]. Diese Situation machte Reformen erforderlich, denn geringe Zertifikatspreise regen nicht zur Emissionseinsparung an [Held22, S. 228 f.].
Abb. 1: Gesamt-Cap und Emissionen im europäischen Emissionshandel [UBA22i]
Zur Verknappung des Überangebots an Zertifikaten wurden das sogenannte Backloading (2014 bis 2016) eingeführt und die später folgende Marktstabilitätsreserve (ab 2019) etabliert [UBA22i; DEHSt15, S. 21; Held22, S. 228, 229]. Im Rahmen des Backloading wurden einmalig insgesamt 900 Millionen Zertifikate von der Versteigerung zurückgehalten und in die Marktstabilitätsreserve (MSR) überführt. Bei dem Überschreiten einer Obergrenze werden zukünftig Zertifikate von der Versteigerung zurückgehalten und in die MSR überführt. Bei dem Unterschreiten bestimmter Untergrenzen können dagegen Zertifikate ausgeschüttet werden [WoBa21a, S. 146]. Somit wird die Menge der verfügbaren Zertifikate kontrolliert (Mengensteuerung) [Zakl21, S. 20 ff.]. Ab Mitte des Jahres 2017 sind die Preise daraufhin erheblich angestiegen [UBA22i].
![Abb. 1: Gesamt-Cap und Emissionen im Europäischen Emissionshandel [Eintrag-Id:566374] Gesamt-Cap und Emissionen im Europäischen Emissionshandel](/servlet/is/579939/Gesamt-Cap-und-Emissionen.png)
Ferner ist auf europäischer Ebene für die Bereiche Verkehr und Gebäude die Einführung eines zweiten, separaten Emissionshandelssystems im Bereich der sogenannten Effort Sharing Regulation ab dem Jahr 2027 beschlossen (im Folgenden EU-ETS 2) [UBA21q, S. 1; EuPa22]. Verpflichtet werden die Inverkehrbringer fossiler Kraft- und Heizstoffe (sogenannter Upstream-Ansatz). Aufgrund der großen Anzahl der Emittenten gilt der Downstream-Ansatz als nicht zielführend [UBA21q, S. 3]. Die Zertifikate werden von Anfang an auktioniert [UBA21q, S. 2]. Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage soll bei Bedarf über eine separate Sektion innerhalb der bestehenden Markstabilitätsreserve erfolgen. Neben der Absicherung einer bestimmten Anzahl im Umlauf befindlicher Zertifikate, ist eine Absicherung gegen wesentlich erhöhte Preise vorgesehen [UBA21q, S. 5; 2023/959]. Damit werden Mengen- und Preissteuerungselemente verknüpft.
Das langfristige Ziel zur bestmöglichen Realisierung von Effizienzgewinnen könnte der (ökonomischen) Theorie nach ein möglichst umfassendes System sein, das einen einheitlichen CO2-Preis vorgibt [Felb19; Rodi22, S. 305]. Eine baldige Zusammenführung beider europäischer Systeme ist bisher nicht vorgesehen, sondern soll nach einigen Jahren untersucht und bewertet werden [2023/959; UBA21q, S. 3]. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass der Verkehrssektor aufgrund hoher Grenzvermeidungskosten voraussichtlich als Nachfrager von Zertifikaten auftreten würde. Dies hätte voraussichtlich steigende CO2-Preise, auch für die bereits erfassten Sektoren, zur Folge. Um aufgrund erschwerter Wettbewerbsbedingungen eine Abwanderung der Industrie (sogenanntes Carbon Leakage) zu verhindern, ist die Einführung eines zweiten, von der industriellen Produktion abgespaltenen Emissionshandelssystems (EU-ETS 2) so lange sinnvoll, wie ein Grenzausgleichsmechanismus nicht vollständig etabliert ist [Felb19]. Die Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus ist zwar beschlossen, sieht aber seit dem 1. Oktober 2023 zunächst eine Übergangszeit vor, die Importeuren nur erste Berichtspflichten auferlegt und erfasst zunächst auch nur bestimmte, besonders gefährdete Produkte und Sektoren [EuPa22a].