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Probleme des Bike and Ride (B+R)

Erstellt am: 25.09.2003 | Stand des Wissens: 01.03.2019
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Eine optimierte Vernetzung von öffentlichem Verkehr (ÖV) und Fahrradverkehr kann als wesentlicher Grundbaustein einer systematischen Radverkehrsförderung im Rahmen einer integrierten Verkehrspolitik verstanden werden. Einer Verknüpfung beider Verkehrsmittel durch
  • die Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln,
  • das Abstellen von Fahrrädern vor Bahnhöfen oder an Haltestellen,
  • sowie das Verleihen oder Versenden von Fahrrädern
stehen jedoch eine Vielzahl von Hemmnissen und Problemen gegenüber [BMVBW02c].
Generell mangelt es vielfach an einer auf den Radverkehr abgestimmten Erreichbarkeit von Haltestellen, an Hinweisen auf Bahnhöfen und an ausreichenden beziehungsweise diebstahlsicheren sowie möglichst witterungsgeschützten Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in Bahnsteignähe [BMVBW02c].
Zudem werden Fahrradvermietung oder -verleih nur selten angeboten. Defizite in der Information für ortsfremde Besucher runden die mangelnde Verknüpfung beider Verkehrssysteme ab [BMVBW02c].
Weiterhin problematisch gestaltet sich die Fahrradmitnahme in den Fahrzeugen des ÖV. Die Mitnahme von Rädern im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) ist oft zeitlich begrenzt. Darüber hinaus ist das Preis- und Tarifsystem uneinheitlich und wechselt an den Verbundgrenzen. Probleme bereitet der Einstieg in die Fahrzeuge, die durch zu enge Türen gekennzeichnet sind. Außerdem liegen die Bahnsteige an den Fernbahnhöfen zu tief, so dass zum Einstieg in die Fahrzeuge eine große Höhendifferenz zu überwinden ist. Im Fernverkehr ist die Mitnahme aufgrund zu geringer Kapazitäten stark begrenzt; im ICE ist sie sogar ganz unmöglich. Dies könnte sich aber in absehbarer Zeit ändernm denn der neue ICE 4 wird einige Fahrradplätze beinhalten, die allerdings reserviert werden müssen [BMVBW02c].
Auch die neuen Fernbuslinien sind auf die Möglichkeit und Attraktivität der Fahrradmitnahme aufmerksam geworden und bieten diese innerhalb Deutschlands auch an.
Die Ursache hierfür liegt in den sich unterscheidenden Problemverständnissen der an den Beförderungsketten beteiligten Akteure (Pendler, gelegentliche Nutzer, Tagesausflügler und Urlauber). Ferner sind die Mitnahmemöglichkeiten aufgrund einer defensiven Informationspolitik der Verkehrsunternehmen vielen Nutzern nicht bekannt oder gestalten sich durch undurchsichtige Tarifbestimmungen unattraktiv [BMVBW02c].
Weiterhin wird das Fahrrad zum Teil immer noch als Konkurrenzverkehrsmittel zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angesehen. Konkurrenzeffekte bezüglich der Marktanteile ergeben sich insbesondere
  • im Entfernungsbereich zwischen zwei und fünf Kilometern sowie
  • im Einkaufsverkehr und im Ausbildungsverkehr [Brach92],
wobei gerade im städtischen Verkehr das Fahrrad nicht als Konkurrent, sondern als Ergänzung zum ÖV angesehen werden sollte. Fahrradverleihsysteme bilden genau die Schnittstelle zwischen dieser Ergänzung (mit dem eigenen Fahrrad) und dem ÖV.
Als Argument gegen eine Vernetzung beider Verkehrsmittel wird gelegentlich auch eine fehlende Rentabilität sowie die störende Infrastruktur (zum Beispiel Radverkehr auf Busspuren) angeführt.
In Regionen, in welchen ein grundsätzlicher Anstieg des Fahrradverkehrs sowie eine große Akzeptanz von Bike and Ride-Anlagen verzeichnet werden kann, kommt es zunehmend zu Kapazitätsproblemen. Das Angebot an Abstellmöglichkeiten für Fahrräder reicht an vielen Haltestellen nicht mehr aus. Erweiterungen sind in den meisten Fällen jedoch aufgrund mangelnder Flächenverfügbarkeit begrenzt umsetzbar und vom Bahnhof weiter entfernte Angebote werden nicht angenommen. Aufgrund dessen kommt es häufig zum unkontrollierten und ungeordneten Abstellen innerhalb des öffentlichen Raumes, wodurch besonders mobilitätseingeschränkten Personen der Zugang erschwert wird. Doch nicht nur an den Abstellanlagen kommt es zu Kapazitätsproblemen; auch in den Fahrzeugen sowie an Umsteigebahnhöfen ist die Mitnahme von Rädern aus Platz- und Sicherheitsgründen problematisch. Sperrzeiten zum Mitführen von Fahrrädern lösen diese Problematik jedoch nur bedingt. Durch die allgemeine Zunahme des Radverkehrs steigt der Bedarf, Fahrräder in öffentlichen Verkehrsmitteln mitzuführen. Als Alternative zur Fahrradmitnahme werden diese daher zunehmend auch an Zielbahnhöfen (auch über Nacht und am Wochenende) abgestellt (Ride and Bike). Dies führt dazu, dass mehr Abstellanlagen an den Stationen benötigt werden. Darüber hinaus werden die Fahrräder beschädigt und befinden sich in einem nicht mehr fahrbereiten Zustand. Als Lösungsansatz für diese Problematik gilt das Faltrad, da für dieses kein Abstellplatz notwendig ist und es zusammengeklappt platzsparend auch während der Sperrzeiten als Gepäckstück mitgeführt werden kann [VDV12a]. Eine weitere Lösung stellen Fahrradverleihsysteme dar, welche in den letzten Jahren immer größere Beliebtheit erfahren.
Zur Verbesserung der Abstellsituation von Fahrrädern zum Beispiel an bestehenden Bahnhofsanlagen oder wichtigen Bushaltestellen können die Länder, im Rahmen ihrer ÖPNV-Förderung, die Finanzierung von Umbauten an die Schaffung von Bike and Ride-Anlagen knüpfen oder gegebenenfalls zusätzliche Bike and Ride-Programme entwickeln [BMVBS12q, S. 52 f.].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Vernetzung des nichtmotorisierten Verkehrs mit dem ÖPNV (Stand des Wissens: 01.03.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?301025
Literatur
[BMVBS12q] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2020, Berlin, 2012/10
[BMVBW02c] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2002-2012, 2002/04
[Brach92] Bracher, Tilmann, Dipl.-Volksw. Maßnahmen zur Integration von ÖPNV und Fahrradverkehr Teil I, veröffentlicht in Verkehr und Technik, Ausgabe/Auflage Heft 5, 1992/05
[VDV12a] Fink, B., Haller, M., Schildhauer, M. Fahrrad und ÖPNV besser verbinden, veröffentlicht in Der Nahverkehr - Öffentlicher Personenverkehr in Stadt und Region, Ausgabe/Auflage 30. Jahrgang, 9/2012, Alba Fachverlag, 2012/09
Weiterführende Literatur
[Bick05] Bickelbacher, Paul, Fauth, Clemens "Radlparkhaus" in München-Kieferngarten - Eine gelungene Förderung von Park+Ride, veröffentlicht in PlanerIn, Ausgabe/Auflage 1, 2005
[Vred07] Vreden, Marcel, Kohlhaas, Michael, Lengling, Wolfgang, Dr. rer. pol Bikey stärkt intermodale Wegeketten - Der VRR bietet seinen Kunden einen neuen Fahrrad-Service, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 3/2007, 2007
[BMVBW98h] o.A. Erster Bericht der Bundesregierung über die Situation des Fahrradverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 1998/03
[BMV97f] Fromberg, Andrea, Hoevel, Rene, et al. Fahrrad und ÖPNV / Bike & Ride - Empfehlungen zur Attraktivitätssteigerung des Fahrradeinsatzes für Zu- und Abbringerfahrten sowie Fahrradmitnahme im ÖPNV, veröffentlicht in direkt, Ausgabe/Auflage 50, Fach Media Service Verlagsgesellschaft (FMS) mbH / Bonn, 1997/01, ISBN/ISSN 3-926181-30-3
Glossar
Bike & Ride Prinzip der Verkehrslenkung durch Bereitstellung von Fahrradständern oder -boxen in der Nähe von Haltestellen des öffentlichen Verkehrs bereits im Außenbereich von Ballungsräumen, um damit einen Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu ermöglichen mit dem Ziel den motorisierten Individualverkehr zu verringern
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?57831

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 22:33:05