Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Von der Verkehrsplanung und Verkehrspolitik ausgehende Probleme für den Nichtmotorisierten Verkehr

Erstellt am: 25.09.2003 | Stand des Wissens: 19.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Der Nichtmotorisierte Verkehr (NMV) ist aus Nutzersicht durch zahlreiche Hemmnisse charakterisiert. Obwohl die Gründe dafür im Einzelnen variieren, lassen sich verschiedene Problemlagen sowie Defizite der kommunalen Fußgänger- und Radverkehrspolitik sowie -planung identifizieren [BMVBW02c].
Obwohl bekannt ist, dass im Prinzip alle Wege zu Fuß beginnen und enden, wird dem Fußgängerverkehr in der Verkehrspolitik nach wie vor nur wenig Beachtung geschenkt.
In vielen Städten liegen nur wenige und meist nur unsystematische Grundlagendaten zum Fußgängerverkehrsaufkommen oder Prognosen zum Fußgängerverkehr vor [FGSV02c], obwohl auch entsprechende Methoden zur Verfügung stehen [Scha06]. Infolgedessen werden die Auswirkungen von Planungsvorhaben auf den Fußgängerverkehr selten ermittelt und die Bedeutung des Fußgängerverkehrs von Verkehrspolitikern und planern oft unterschätzt [Scha06].

Gerade deshalb wäre es sinnvoll, bei den Bedürfnissen der Fußgänger anzusetzen, um für mehr Verkehrssicherheit zu sorgen. Mit zunehmenden Verkehrsaufkommen weichen Anlagen des Nichtmotorisierten Individualverkehrs zu Gunsten der Anlagen des Ruhenden Verkehrs und anderer Anlagen für den Motorisierten Individualverkehr [FUSS16].
Die Siedlungsstruktur, insbesondere in Ballungsräumen, hat sich über die vergangenen Jahrzehnte durch die Entflechtung der Funktionsbereiche (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeit) zum Nachteil für die Nutzbarkeit des Nichtmotorisierten Individualverkehr entwickelt. Das kommunale Planungsrecht bietet jedoch die Möglichkeit, andere Formen der Stadtentwicklung und Raumordnung umzusetzen. Kompakte städtebauliche Strukturen im Sinne der "Stadt der kurzen Wege" mit räumlich engen Nutzungsmischungen haben sich als günstige Voraussetzung, eine anteilig höhere Nutzung der Fußgänger- und Radverkehrsnutzung zu generieren, erwiesen. Die gesetzliche Grundlage hierfür wurde durch die Novellierung des Raumordnungsgesetzes [ROG] von politischer Seite geschaffen [BMVBW02c].
In den Verkehrsentwicklungsplänen (VEP) der Städte und Kommunen sind teilweise unverbindliche Aussagen zu Zielen und Standards und konkrete Maßnahmenpläne zum Fußgänger- und Radverkehr enthalten [FUSS08]. Dabei werden sie häufig auch nicht als gleichwertiger integrativer Bestandteil einer nachhaltigen Verkehrspolitik verstanden.
Planungen für den Nichtmotorisierten Individualverkehr sind darüber hinaus durch verschiedene Zuständigkeiten und eine nicht immer reibungslos verlaufende Koordination zwischen den Beteiligten gekennzeichnet, wodurch eine effektive Planung und deren Umsetzung erschwert werden. Ferner ist eine systematische und flächenhafte Netzplanung für den Nichtmotorisierten Individualverkehr, die eine Bestands- und Problemsanalyse sowie eine Prioritätensetzung im Rahmen konkreter Maßnahmenprogramme einschließlich der Integration der Finanzierung beinhaltet, nicht Standard [BMVBW02c; FUSS08].
Außerdem ist die Öffentlichkeitsarbeit und das Beschwerdemanagement für den Fußgänger- und Radverkehr in den Kommunen oft noch unzureichend [FUSS08]. Auf kommunaler Ebene gibt es häufig Radverkehrsbeauftragte, die Kooperations- und Abstimmungsaufgaben übernehmen. Die Einrichtung von Fußverkehrsbeauftragten ist demgegenüber noch eine Seltenheit.
Rad- und Fußgängerverkehrsförderung scheitert häufig an unzureichenden finanziellen Mitteln, obwohl die Investitionserfordernisse im Vergleich zum Motorisierten Individualverkehr (MIV) oder Öffentlichen Verkehr (ÖV) gering sind. Mit dem Nationalen Radverkehrsplan haben sich die Möglichkeiten zur Förderung des Nichtmotorisierten Individualverkehrs erheblich verbessert [BMVBW02c; BMVBS12q].

Gerade für die Belange des Nichtmotorisierten Individualverkehrs ist eine umfassende Bürgerbeteiligung in Planungsverfahren von Bedeutung. Damit wird nicht nur die nutzerorientierte Problemanalyse unterstützt. Vielmehr wird damit auch der Grundstein gelegt für eine breit angelegte Akzeptanz der vorgesehenen Maßnahmen nach deren Umsetzung.
Geeignete Kommunikations- und Beteiligungsverfahren stehen für die Akteure der Verkehrsplanung und Verkehrspolitik gut dokumentiert zur Verfügung [FGSV13].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Probleme des Nichtmotorisierten Verkehrs (Stand des Wissens: 19.05.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?493252
Literatur
[BMVBS12q] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2020, Berlin, 2012/10
[BMVBW02c] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2002-2012, 2002/04
[FGSV02c] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Arbeitskreis 2.5.2 (Fußgängerverkehr) Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA), FGSV-Verlag, Köln, 2002
[FUSS08] FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V., Andrea Dittrich-Wesbuer, Ulrike Kleemann, Rainer Widmann Fuß fassen Wege zur besseren Integration von Fußgängerbelangen in die kommunale Planung, veröffentlicht in fußnote 8, Kassel, 2008
[FUSS16] FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland (Hrsg.) Verbesserungspotential im Bereich nachhaltiger Verkehr in Großstädten weltweit , 2016/01
[Scha06] Schad, Helmut Planungsintrumente für den Fußverkehr, veröffentlicht in mobilogisch!, Berlin, 2006/03
Weiterführende Literatur
[BMVI20n] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Fahrradportal - Nationaler Radverkehrsplan, 2020
[BMVBW04g] Thiemann-Linden, Jörg, Gwiasda, Peter, Miller, Gernot, Fromberg, Andrea Fahrradverkehr - Erfahrungen und Beispiele aus dem In- und Ausland, veröffentlicht in Schriftenreihe direkt, Ausgabe/Auflage 59, Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven, 2004, ISBN/ISSN 3-86509-205-5
[BMVI20o] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Folgerungen für die zukünftige Verkehrspolitik nach den Erfahrungen und dem Umgang mit der COVID 19 Pandemie, 2020
[FGSV12a] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Hinweise zur Beteiligung und Kooperation in der Verkehrsplanung, Ausgabe/Auflage Ausgabe 2012, FGSV Verlag, Köln, 2012, ISBN/ISSN 978-3-86446-018-0
[FGSV13] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Ahrens, G.-A., Beckmann, K. J., Fleischer, A., Gertz, C., Hubrich, S., Jansen, U., Kemming, H., Kleinwächter, E., Koch, M., Koppen, G.-F., Lorenz, K., Meißner, A., Noßwitz, U., Ohm, D., Ott, R., Polzin, G., Schnüll, R., Thiemann-Linden, J., Wagner, V., Waßmuth, V., Hinweise zur Verkehrsentwicklungsplanung, Ausgabe/Auflage 2013, FGSV-Nr. 162, FGSV Verlag, Köln, 2013, ISBN/ISSN 978-3-86446-058-6
[Herz02] Herzog-Schlagk, B. Mehr Dynamik beim Gehen erlaubt. Presseerklärung des FUSS e.V., Berlin, 2002
[Zimbe95] Zimber, Andreas Radverkehrsanlagen im Urteil ihrer Nutzer, veröffentlicht in Zeitschrift für Verkehrssicherheit, Ausgabe/Auflage Heft 41, 1995/01
[BBSR12a] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.) Raumordnungsbericht 2011, Bonn, 2012/06
[ROG] Raumordnungsgesetz (ROG)
Glossar
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
NMV Nichtmotorisierter Verkehr (NMV): Nichtmotorisierte Verkehrsmittel zur individuellen Nutzung wie Fahrrad und die eigenen Füße werden als Nichtmotorisierter Verkehr bezeichnet.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?57710

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 09:45:05