Nutzfahrzeug- und Infrastrukturhersteller
Erstellt am: 03.11.2023 | Stand des Wissens: 29.12.2023
Das Produktportfolio der Hersteller von schweren Lkw in Europa wird durch deren Markterwartungen bestimmt und bildet die Grundlage für die zukünftigen Antriebsmöglichkeiten der Logistikunternehmen. Wichtige Hersteller sind in diesem Zusammenhang MAN und Scania (beide Tochtergesellschaften von Volkswagen), Daimler, DAF, IVECO und Volvo. [WiGn17] Von diesen Unternehmen ist nur Scania an Electric Road System (ERS)-Projekten beteiligt und wird positiv mit der Technologie assoziiert. [Scan21] Mercedes fokussiert sich primär auf die Entwicklung von batterieelektrischen (battery electric vehicle BEV) und brennstoffzellenbetriebenen (fuel cell electric vehicle FCEV) Lkw. [DaTr22] IVECO priorisiert ebenfalls BEV und FCEV in Zusammenarbeit mit Hyundai und Nikola, ebenso wie DAF [ITT22]. Volvo war 2018 an einem ERS-Pilotprojekt in Schweden beteiligt, veröffentlichte jedoch einen kritischen Artikel über ERS und sieht die Technologie im Jahr 2020 in einer Nischenrolle. [Volvo18; Mårt20] Siemens baut eine ERS-Oberleitungsinfrastruktur namens eHighway und ist zusammen mit Scania an entsprechenden Projekten beteiligt. [SiMo23] So wurden in Deutschland bereits drei Oberleitungs-Pilotprojekte durchgeführt. [BBW21] Neben Siemens ist auch Alstom als Infrastrukturhersteller an ERS-Projekten beteiligt, wie z. B. an dem zuvor erwähnten schwedischen Projekt mit Volvo. [Alst17] IVECO war zusammen mit ABB und Electreon als Infrastrukturlieferant an einem induktiven ERS-Pilotprojekt in Italien, der "Arena del Futuro", beteiligt, das jedoch nicht speziell auf schwere Lkw, sondern auf Elektrofahrzeuge im Allgemeinen ausgerichtet ist. Im Zusammenhang mit Wasserstoff haben Air Liquide, Daimler, EG Deutschland, Linde, Shell und Total Energies die H2 Mobility Deutschland GmbH gegründet, die sich dem Aufbau und Betrieb einer flächendeckenden Wasserstoffinfrastruktur für Pkw und Lkw verschrieben haben. Von den aktuell 91 eröffneten Wasserstofftankstellen in Deutschland können jedoch aktuell nur sehr wenige von Lkw genutzt werden. [H2M23] Im Zusammenhang mit dem Bau und Betrieb von Ladesäulen für schwere Lkw sind eine Vielzahl von Anbietern im Markt tätig. So planen Daimler, Traton und Volvo zusammen ein Ladenetz von rund 1700 Ladestellen für Schwerlastfahrzeuge zu bauen. [Tage21] Aral hat nach eigenen Angaben im Jahr 2023 den ersten Ladekorridor für elektrische Lkw in Deutschland eröffnet und auch Shell plant den Bau von Ladesäulen für elektrische Lkw [Aral23; Shel23a]. Wichtige Herausforderungen sind in diesem Zusammenhang neben dem reinen Ausbau der Ladeinfrastruktur die Gewährleistung der Netzstabilität, die Kompatibilität mit den Fahrtroutinen der Logistikunternehmen, insbesondere dass Ladezeiten nicht die gesetzlich vorgeschriebene Pause für Lkw-Fahrer überschreiten und eine dementsprechende Bereitstellung von Ladeleistungen im Bereich zwischen 300kW und mehreren Megawatt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele Infrastrukturhersteller ERS überwiegend skeptisch gegenüberstehen und der Schwerpunkt derzeit vor allem auf FCEV und BEV für den Schwerlastverkehr liegt. Diese Ausrichtung der industriellen Unternehmen insbesondere für Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht (zGG) von 40 Tonnen steht zu einem gewissen Maß in Widerspruch mit dem weitgehenden Konsens in der Forschungslandschaft, die Wasserstoff auf absehbare Zeit als nicht im notwendigen Maße verfügbar und prioritär in anderen Sektoren als im Schwerlastverkehr benötigt ansieht. [EgGl21] Rein batteriebetriebene Lkw stellen eine sinnvolle Option für Lkw in unteren und mittleren Gewichtsklassen dar. Schwere Lkw mit einem zGG von 40 Tonnen werfen aber das Problem sehr hoher Batteriegewichte im Bereich mehrerer Tonnen auf, was sowohl negative preisliche, rohstofftechnische als auch nutzlastspezifische Auswirkungen haben kann. Eine Kombination von ERS und Megawattcharging wird daher von vielen Experten als kosteneffiziente Dekarbonisierungsoption in diesem Bereich betrachtet. [PlSp21]