Tarifmaßnahmen
Erstellt am: 06.09.2023 | Stand des Wissens: 06.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Nutzende öffentlicher Verkehrsmittel müssen sich in der Regel mit den für ihre Fahrt geltenden Tarifen und Beförderungsbedingungen auseinandersetzen. Die unterschiedliche Tariflandschaft innerhalb Deutschlands stellt vor allem für ortunkundige Touristen, aber auch für Einheimische eine große Herausforderung dar, wenngleich mit Einführung des Deutschlandtickets eine Vereinheitlichung angestrebt wird. Dieser Aufwand entfällt bei Fahrten mit einem Pkw. Eine Erhöhung des Modal Split im Freizeitverkehr zugunsten des öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) erfordert einfache, leicht verständliche und vom Nutzer akzeptierte Tarife und Tarifstrukturen [FGSV21].
Die Auswahl des Tickets sowie das Bezahlsystem sollten so einfach wie möglich gestaltet sein. Das ist beim Deutschlandticket in der Regel gegeben, wenngleich der Erwerb von Tickets über Onlinebezahldienste vor einer geplanten oder spontanen Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Flexibilität der Reisenden weiter erhöht und zur Beschleunigung des ÖPNV beiträgt. Allerdings ist dafür eine flächendeckend gute Internetverbindung Grundvoraussetzung.
Für den Freizeitverkehr Einheimischer sind Rabattmodelle in Form von Zeitkarten sinnvoll. Zudem bieten Regelungen für die kostenfreie Mitnahme weiterer Personen in Verkehrsmitteln an Wochenenden sowie im Spät- und Nachtverkehr attraktive Alternativen zum MIV [MeVo19]. Eintrittskarten für kulturelle oder sportliche Veranstaltungen können in Kombination mit einer kostenfreien Hin- und Rückfahrt angeboten werden. Sammelt der Kunde dabei gute Erfahrungen durch eine reibungslose und schnelle Beförderung, wird er ein solches Angebot öfter nutzen.
Übersichtliche und leicht erfassbare Tabellen oder Grafiken zu den jeweils aktuell gültigen Tarifen sollten durch die Verkehrsunternehmen und -verbünde und gemeinsam mit den touristischen Akteuren auf ihren Internetseiten sowie in Form von Aushängen an Haltestellen veröffentlicht werden. So kann das Vertrauen von Touristen und Ausflüglern in den ÖPNV gestärkt werden und zur Nutzung entsprechender Angebote animieren [FGSV21].
Durch einen gering erhöhten Kurkartenbeitrag kann die Nutzung regionaler Verkehrsmittel in Kur- und Gästekarten integriert und somit Übernachtungsgästen die kostenfreie Nutzung regionaler Verkehrsmittel ermöglicht werden [FGSV21]. Auf der Insel Usedom beispielsweise können Reisende mit Übernachtungen in den Kaiserbädern Heringsdorf, Ahlbeck und Bansin sowie in Ückeritz mit ihrer Kurkarte alle Buslinien der Usedomer Bäderbahn GmbH gratis nutzen. Untersuchungen zeigten, dass nur einer von zehn Urlaubern Bus und Bahn nutzt, wenn die Tickets kostenpflichtig sind. Bei einem in die Kurkarte integrierten Angebot sind es drei bis vier von zehn Urlaubern. Eine Ausweitung dieses Angebots auf der gesamten Insel Usedom würde deutlich mehr Reisende zur Nutzung des ÖPNV motivieren [SZSa23]. Als Motivation Reisender zur Fahrt mit dem ÖPNV mithilfe einer Gästekarte kann auch die kostenfreie oder vergünstigte Nutzung weiterer Verkehrsmittel wie Fähren, Seilbahnen oder Fahrräder dienen [FGSV21].
Mit dieser Art von Angeboten sollten Reisende schon vor Beginn ihres Aufenthaltes bekannt gemacht werden, damit sie in ihre Freizeitplanungen einbezogen werden können [FGSV21]. Meist gelten sie jedoch nur nach der Ankunft im und während des Aufenthalts am Übernachtungsort. Um noch mehr Urlauber oder Kurzreisende von der An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu überzeugen, ist die Gültigkeit solcher Angebote bereits bei der Anreise wünschenswert. Gästekarten könnten unter bestimmten Voraussetzungen schon vor Beginn der Reise per E-Mail an die Übernachtungsgäste gesendet werden. Je kürzer die Urlaubsreise, desto bedeutender ist dies für die Ziel- und Verkehrsmittelwahl. Hier sollten Verkehrsunternehmen, Gebietskörperschaften und Beherbergungseinrichtungen eine gemeinsame Lösung anstreben [DWIF16].
Ein positives Beispiel für ein einheitliches Ticketsystem war die Einführung des 9-Euro-Tickets, welches von Juni bis August 2022 deutschlandweit zur Nutzung aller öffentlichen Nah- und Regionalverkehrsmittel für einen Preis von 9 Euro pro Monat berechtigte. Eine Umfrage des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Ende Juni/Anfang Juli 2022 ergab, dass dieses Ticket von 60 % der Befragten für Ausflüge und Freizeitaktivitäten am Wochenende, von 34 Prozent für den alltäglichen Freizeitverkehr an Wochentagen und von 21 Prozent zu Urlaubsfahrten genutzt wurde [VDVDB22].
Verkehrsangebote sollten jederzeit verkehrsmittelübergreifend buchbar sein. Das seit Mai 2023 verfügbare Deutschlandticket vereinfacht die Nutzung des ÖPNV im alltäglichen Freizeitverkehr, aber auch während Ausflügen, Kurz- und Urlaubsreisen deutlich und leistet einen Beitrag zur Steigerung der Attraktivität öffentlicher Verkehrsangebote im Freizeitbereich.