Gebietskörperschaften
Erstellt am: 06.09.2023 | Stand des Wissens: 06.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Die touristische Mobilität im Inland ist stark vom motorisierten Individualverkehr (MIV) geprägt. Um eine Mobilitätswende zu erreichen, muss sich der Modal Split beim Reiseverkehr zugunsten umweltverträglicher und öffentlicher Verkehrsmittel ändern. Die dafür notwendigen Rahmenbedingungen sind durch die Gebietskörperschaften zu schaffen [UBA19v].
Die Organisation des öffentlichen Verkehrs (ÖV) ist in Deutschland ebenso wie der Tourismus von außerordentlich komplexen, häufig regional nicht vergleichbaren Strukturen geprägt. Verteilte Zuständigkeiten, die sich aus der föderalen Struktur Deutschlands ergeben, erschweren die Situation zusätzlich [UBA19v].
Im Bund liegt die Zuständigkeit für den Verkehr im Bundesverkehrsministerium und die Zuständigkeit für den Tourismus im Bundeswirtschaftsministerium. Auf Bundesebene besteht keine zentrale Verantwortlichkeit, um nachhaltige Mobilität im Tourismus zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Die Bundesverkehrswegeplanung legt bislang selten den Fokus auf touristische Verkehrsinfrastrukturen. Die Bedürfnisse aus dem Tourismus werden in Ausbauvorhaben auf nationaler Ebene für Wasser-, Schienenwege und Straßen kaum berücksichtigt. Angesichts der Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Tourismus für die gesamte Volkswirtschaft wäre dies jedoch enorm wichtig.
Bei der Eisenbahn ist der Bund grundsätzlich für die Eisenbahninfrastruktur einschließlich der Zugangsstellen zuständig, für die Bestellung von Verkehrsleistungen als Voraussetzung für den Betrieb sind es die Bundesländer. In der Aufgabenträgerschaft des Landes Baden-Württemberg beispielsweise wurde das Angebot an Freizeitverkehren in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut. So wurden allein 2021 vier neue Freizeitexpress-Angebote eingeführt [BaWü22].
Im straßengebundenen Verkehr sind für den Bau, den Betrieb und die Instandhaltung der Haltestelleninfrastruktur die Straßenbaulastträger verantwortlich [KVV17]. Das sind außerorts entsprechend der Straßenkategorie der Bund, die Bundesländer oder die Landkreise. Innerorts liegt die Straßenbaulast in der Regel bei den Kommunen. Haltestellen sollten immer so geplant werden, dass sie möglichst nahe an touristischen Attraktionen, Freizeiteinrichtungen oder Ausgangspunkten für Aktivitäten liegen und barrierefrei ausgestaltet werden. Die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und der Tourismuswirtschaft spielt dabei eine bedeutende Rolle [FGSV21].
Landkreise und Kommunen kümmern sich vorrangig um die Abdeckung der Bedarfe im Hinblick auf die einheimische Bevölkerung. Dies erfolgt mit der Entwicklung von Nahverkehrskonzepten in Zusammenarbeit mit den Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen [DWIF17]. Bestehen Tourismusdestinationen bundesland- oder kreisübergreifend, verschärft sich die Komplexität auf Landes- oder regionaler Ebene. Die Anzahl der einzubindenden Institutionen erhöht sich und unterschiedliche Planungshorizonte erschweren die Zusammenarbeit. Um den Bedürfnissen und Anforderungen der touristischen Mobilität Rechnung zu tragen, sollte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Verkehrsplanungen mehr ins Bewusstsein rücken und abgestimmtes Handeln möglich werden [UBA19v]. Touristen interessieren sich bei ihrer Reiseplanung in der Regel nicht für Landkreis- oder Bundeslandgrenzen [DWIF17].
Für die Finanzierung der touristischen Mobilität gibt es in Deutschland keine verpflichtende Grundlage [UBA19v]. Neben den bekannten Instrumenten wie den Regionalisierungs-, Entflechtungs-, Landeshaushalts- und kommunalen Haushaltsmitteln sollte über Finanzierungsquellen wie Förderungsprogramme sowie über weitere Finanzierungsmöglichkeiten nachgedacht werden. Eine Möglichkeit ist unter anderem die Einführung von Gästekarten in Ferienregionen, die über die Fremdenverkehrsabgabe finanziert werden. Ein Beispiel dafür bietet die KONUS-Card im Schwarzwald [FGSV21].
Für kommunale Gebietskörperschaften hat der Freizeitverkehr durch seine Funktion der Anbindung touristischer und Freizeitziele eine enorme Bedeutung zur Stärkung der lokalen Wirtschaft. Ein gut ausgebauter öffentlicher Verkehr (ÖV) ermöglicht den Zugang zu verschiedenen Freizeitangeboten und kulturellen Veranstaltungen. Dies erlaubt nicht nur Touristen den Zugang zu attraktiven Ausflugszielen, sondern kann auch für Einheimische zu einer Erhöhung der Lebensqualität und der geistigen und körperlichen Gesundheit führen. Dies sollte den Vertretern der Städte und Kommunen noch stärker bewusstwerden [LoMe13].
Von einer steigenden touristischen Nachfrage können Kommunen und Landkreise einerseits finanziell, beispielsweise durch Mehreinnahmen aus der Gewerbe- oder Umsatzsteuer, und andererseits ideell profitieren, beispielsweise durch ein positiveres Image, einen höheren Bekanntheitsgrad und auch von einer häufigeren Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Mit steigender ÖPNV-Nutzungsintensität nimmt auch die Bedeutung von attraktiven und umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrsmitteln wie beispielsweise Elektrobussen zu [Zlise:573781].
Die erfolgreiche Organisation des Freizeitverkehrs erfordert eine gute Koordination und Abwägung der Bedürfnisse und Ziele aller Beteiligten über Gebiets- und Ländergrenzen hinweg und bedarf einer konstruktiven Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften auf allen Ebenen mit der Tourismuswirtschaft, den Verkehrsträgern, -verbünden und unternehmen.