Freizeitverkehr ohne Ortskenntnisse
Erstellt am: 06.09.2023 | Stand des Wissens: 06.09.2023
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Beim Freizeitverkehr ohne Ortskenntnis handelt es sich in der Regel um touristische Verkehre in unbekannte Regionen mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer. Diese reicht von Tagesausflügen über Kurzurlaube bis hin zu mehrwöchigen Urlaubsreisen [FGSV21]. Touristen kennen sich meist in der Zielregion und mit den dortigen ÖPNV-Angeboten gar nicht oder weniger aus als am Wohnort. Es fehlen Orts- und Tarifkenntnisse ebenso wie das Wissen zum Liniennetz oder zur Lage von Haltestellen. Zusätzlich erschwerend können noch Sprachbarrieren kommen [FGSV21].
Bei organisiertem Tagestourismus oder privaten Tagesausflügen handelt es sich um fremd- oder selbstorganisierte Ausflüge ohne Übernachtung in noch nie oder selten besuchte Regionen. Die durchschnittliche einfache Wegstrecke mit motorisierten Verkehrsmitteln liegt bei 65,8 Kilometer. Entfernungen unter 50 Kilometer werden meist für spezielle Aktivitäten oder Lokalbesuche zurückgelegt, durchschnittlich rund 80 Kilometer entfernt liegen Ziele organisierter Fahrten oder Sehenswürdigkeiten sowie touristische Attraktionen [HarSch13].
Kurzurlauber verweilen für ein bis drei Nächte außerhalb ihres Wohnortes in Ferienwohnungen, Hotels, auf Campingplätzen oder in privaten Unterkünften bei der Familie oder Freunden an einem Reiseziel. Kurzurlaube weisen eine geringe Saisonalität auf. Bei Städtetrips und Kurzurlaubsreisen ist ein klarer Wachstumstrend erkennbar. Zwischen 2000 und 2014 hat sich die Zahl der Reisen verdoppelt [ProFo16] und erreichte 2019 mit 35,8 Millionen ihren höchsten Wert. 62 Prozent nutzten dabei 2019 den Pkw, 21 Prozent die Bahn und 7 Prozent den Bus [FUR20]. Im Jahr 2022 unternahmen insgesamt 31,4 Millionen Personen durchschnittlich zwei Kurzurlaubsreisen, wobei noch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie spürbar waren [FUR23]. Bei dem hohen Verkehrsaufkommen hat die Verkehrsmittelwahl hinsichtlich der Erreichung von Umwelt- und Klimaschutzzielen eine große Bedeutung [ProFo16].
Urlaubsreisen mit mehr als drei Übernachtungen sind stark saisonal geprägt, ihre Anzahl ist jedoch regional sehr unterschiedlich. Die größte Nachfrage besteht in den Schulferien und führt überwiegend in ländliche Räume [FGSV21]. Im Jahr 2022 unternahmen etwa 75 % der in Deutschland lebenden Bevölkerung ab 14 Jahren durchschnittlich 1,3 Urlaubsreisen mit einer mittleren Dauer von 12,6 Tagen. 46 % wählten dabei als Anreiseverkehrsmittel den Pkw, 42 % das Flugzeug, sechs Prozent die Bahn und vier Prozent den Bus [FUR23].
Die Wahl des Anreiseverkehrsmittels richtet sich neben der Art der Reise, der beabsichtigten Aktivitäten vor Ort sowie der konkreten Lage des Ziels einerseits nach der Entfernung und andererseits nach der Aufenthaltsdauer am Reiseziel. Je größer die Entfernung und je länger die Dauer, umso größer ist die Bereitschaft, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, vorausgesetzt sie sind verfügbar. Da sich Touristen nur über begrenzte Zeiträume hinweg am Reiseziel aufhalten, wollen sie so wenig Zeit wie möglich für die Suche nach entsprechenden Informationen aufwäenden. Tagesgäste haben im Vergleich zu Übernachtungsgästen ein deutlich geringeres Zeitbudget, da sie neben der Zeit für ihre Freizeitaktivität auch Zeit für die An- und Abreise einplanen müssen. Je kürzer die Reise andauert, desto entscheidender sind einfach verständliche und kostengünstige Angebote mit Direktverbindungen.
Ein weiterer Zusammenhang besteht zwischen dem Verkehrsverhalten im Alltag am Wohnort und der Wahl des Anreiseverkehrsmittels bei Urlaubsreisen. Je häufiger öffentliche Verkehrsmittel im Alltag genutzt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für die Wahl des öffentlichen Verkehrs (ÖV) zur Anreise [ProFo16].
Die Mobilität am Urlaubsort ist eng mit der Wahl des Anreiseverkehrsmittels verknüpft. Pkw-Anreisende können nur durch deutlich bequemere und kostengünstigere Angebote von Fahrten mit dem Pkw abgehalten und zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel motiviert werden. Zudem ist die Kombinierbarkeit mit touristischen Verkehrsmitteln wie Seilbahnen, Fähren, Schiffen oder Fahrrädern ein entscheidender Faktor. Entsprechende Kombitickets erhöhen die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs für die Urlauber [FGSV21].
Die touristische Mobilität wird künftig stärker als eine Ende-zu-Ende-Leistung betrachtet werden. Somit gewinnt das Überwinden der letzten Meile, also der Weg vom Verlassen des letzten Verkehrsmittels zur geplanten Unterkunft, immer mehr an Bedeutung. Deshalb müssen Reiseveranstalter oder Beherbergungsbetriebe sowie Verkehrsunternehmen stärker bei der Schaffung entsprechender Angebote zusammenarbeiten. Entscheidet sich der Urlauber erst einmal zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wird er diese auch während seines Aufenthaltes verstärkt nutzen. Mehr als 80 % der Bevölkerung würden eine Anreise mit dem ÖPNV erwägen, wenn auch im Zielgebiet ein attraktives Angebot zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bestünde [DWIF16a].
Im Freizeitverkehr ohne Vor-Ort-Kenntnisse sind eine einfache Planung der An- und Abreise und der Wege vor Ort, leicht verständliche Informationen zu Tarif, Liniennetz und Fahrplan, kurze Wege zur Haltestelle sowie kostengünstige Ticketpreise wichtig für eine Verbesserung des Modal Split zugunsten des ÖPNV. Ein attraktives ÖPNV-Angebot vor Ort setzt erhebliche Anreize für Reisende, am Urlaubsort auf das Auto zu verzichten [BMWK22h].