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Betreibermodelle

Erstellt am: 28.06.2023 | Stand des Wissens: 13.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur hat für die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen eine hohe Bedeutung. Daher sollen nach Plänen der Bundesregierung bis 2030 in Deutschland eine Millionen Ladepunkte öffentlich zugänglich verfügbar sein [Bund23].
Die zu erzielenden Erlöse für Ladepunkte sind gering, die Kosten für den Aufbau, Betrieb und die Wartung der Infrastruktur sind hingegen vergleichsweise hoch. Hecht et al. erklären, dass gemäß der von ihnen durchgeführten Studie die meisten öffentlichen Ladepunkte in Deutschland durch die von ihnen verkaufte Energie nicht profitabel sind, da sich die Investitionskosten bei den laufenden Betriebsausgaben nicht amortisieren. Dies betrifft in besonderem Maße langsamere Wechselstromladepunkte (auf Englisch: alternativ current, AC). Sie schlagen daher vor, das AC-Ladestationen mit anderen, sekundären Dienstleistungen kombiniert werden sollten. [HeFi22]
Als ein Betreibermodell existieren aktuell sogenannte Fahrtstromanbieter (auf Englisch: E-Mobility-Provider, EMP oder Mobility-Service-Provider, MSP oder auch E-Mobility-Service-Provider, EMSP). Diese ermöglichen ihren Kunden zu vertraglich festgelegten Tarifen an bestimmten Ladestationen zu laden [NaLeLa23]. Um welche Ladestationen es sich dabei handelt, ergibt sich aus der Verhandlung der EMPs mit den Charge-Point-Operatoren (CPO). Bei den CPOs handelt es sich um die Betreiber der Ladestationen, welche für Betrieb und Wartung der Ladestationen verantwortlich, jedoch nicht zwingend deren Eigentümer sind [NaLeLa23].
Für die Betreiber der Ladeinfrastruktur (CPOs) ergeben sich grundsätzlich unterschiedliche Geschäftsmodelle. Sie können die Ladepunkte als geschlossenes System, das heißt ohne Backend-Funktion, autark betreiben. Dabei geben die Ladepunkte individuell, ohne Vernetzung, Strom an die Fahrzeuge ab. Dieses Modell ist besonders für den Beginn des Ausbaus der öffentlichen Ladeinfrastruktur geeignet, wenn nur eine geringe Anzahl an Elektrofahrzeugen existiert. [KrJe19]
Durch die Vernetzung der Ladepunkte mit einem Backend können Monitoring, Wartung, Steuerung und Dienste der Ladeinfrastruktur gesteuert werden. Ein Betrieb der Ladeinfrastruktur mit Backend ist ebenfalls als geschlossenes System möglich. Dies bedeutet, dass die Ladeinfrastruktur als eigenes Ladeinfrastrukturnetz betrieben wird, jedoch unabhängig von anderen Ladeinfrastrukturen besteht. Diese CPOs sind somit immer gleichzeitig auch die EMPs. [KrJe19]
Weiterhin ist die Betreibung der Ladeinfrastruktur mit Backend als offenes (beziehungsweise interoperables) System möglich. Dabei schließen sich die CPOs einer eRoaming-Plattform an. Damit können auch die Kunden anderer EMPs die Ladeinfrastruktur der CPOs nutzen. Dadurch kommt es zu einer Business-to-Business (B2B) Abrechnung der CPOs und EMPs über die eRoaming-Plattform. Diese letzte Variante wird gemäß einer Analyse der Technischen Hochschule Rosenheim das Marktgeschehen kurz- bis mittelfristig dominieren. Für die Kunden der EMPs erweitert sich somit das verfügbare Ladenetz, welches sie durch den Vertrag mit dem EMP nutzen können und deren Nutzung über diesen abgerechnet wird. [KrJe19]
Derzeit ist der Betrieb der öffentlichen Ladeinfrastruktur in den meisten Regionen durch eine Monopolstruktur geprägt. Überwiegend dominieren dabei die regionalen Energieversorger, oft Stadtwerke. Sie verlangen von den Kunden anderer Fahrtstromanbieter in der Regel höhere Entgelte als von ihren eigenen Kunden (teilweise um bis zu 55 Prozent). [Licht23]
Im März 2023 kostete der Strom von öffentlichen Ladepunkten durchschnittlich 52 Cent pro Kilowattstunde [Licht23]. Damit entspricht der Preis für das Laden von Elektrofahrzeugen an öffentlichen Ladestationen in der Regel mindestens so viel, wie dem für das Tanken eines benzinbetriebenen Autos [Licht23]. Es existieren jedoch starke Preisunterschiede. Diese Preisunterschiede hängen mit verschiedenen Faktoren zusammen. Zwischen den Anbietern gibt es verschiedene Preise und jeweils unterschiedliche Abrechnungsmethoden mit ihren Kunden: pro Ladezeit, pro Lademenge oder mittels Pauschalen. Zudem ist das Schnelladen wesentlich teurer als normales Laden [Pola22]. Das Laden an eigenen, privaten Ladestation kann die Kosten stark senken [Fraun].
Der Preis für das Laden an öffentlichen Ladestationen könnte um über 50 Prozent gesenkt werden, wenn die Zusatzeinnahmen der CPOs, welche sich aus dem Klimabonus (sogenannte Treibhausgas-Quote, THG-Quote) sowie der seit dem 1. März 2023 geltenden Strompreisbremse ergeben, an die Endkunden weitergegeben werden würden [Licht23].
Da sich bezüglich der öffentlichen Ladeinfrastruktur ein Standort-Wettbewerb entwickeln kann, ist der Betrieb von öffentlichen Ladepunkten grundsätzlich kein natürliches Monopol. Ein natürliches Monopol entsteht, wenn ein Markt am effizientesten von einem einzigen Unternehmen versorgt wird, was staatliche Eingriffe erfordert, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Im Gegensatz dazu besteht die Gefahr, dass ein monopolistisch agierendes Unternehmen, das auf verschiedenen Marktsegmenten tätig ist, seine eigenen Interessen über die der Wettbewerber stellt. Dies könnte durch Entflechtungsregelungen, wie sie im Energiebereich existieren, verhindert werden. [Linn21; HeKn23, S. 11ff.]
Trotzdem ist der Betrieb von öffentlichen Ladepunkten von einer Monopolstruktur geprägt, da bestimmte Ladesäulenbetreiber eine marktbeherrschende Stellung in bestimmten Regionen haben. In Deutschland sind je nach Region bis zu 91 Prozent der öffentlichen Ladepunkte in der Hand eines einzigen Betreibers, was zu Preisdiktaten ohne ausreichenden Wettbewerb führen kann. Dabei dominieren überwiegend regionale Energieversorger, oft Stadtwerke. Sie verlangen von den Kunden anderer Fahrtstromanbieter in der Regel höhere Entgelte als von ihren eigenen Kunden (teilweise um bis zu 55 Prozent). [Licht23]
Die Gesetzgebung hat die Herausnahme des Betreibers aus den Zugangs- und Entgeltregulierungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ermöglicht, indem sie das kombinierte Angebot aus Infrastrukturbereitstellung und Stromlieferung vom selben Betreiber erlaubt, indem dieser gemäß Paragraph 3 Nummer 25 EnWG als Letztverbraucher gilt. Allerdings wurden auch im Paragraph 7c Absatz 2 Satz 2 EnWG Zugangsverpflichtungen für Drittanbieter geschaffen, sofern ein Verteilnetzbetreiber ausnahmsweise (regionales Marktversagens) als CPO beziehungsweise Eigentümer von Ladepunkten genehmigt wird. Diese Verpflichtung sollen den Wettbewerb fördern, indem sie sicherstellen, dass andere Marktteilnehmer (verschiedene Stromanbieter) faire Chancen haben, in den Markt der Stromlieferung einzutreten. Zudem muss gemäß Paragraph 4 der Ladesäulenverordnung den Endnutzern punktuelles Laden ermöglicht werden, entweder über das direkte (spontane) Vertragsabschließungen mit dem CPO (sogenanntes Ad-Hoc-Laden) oder über EMPs. Dennoch blieb der Ad-hoc-Ladevorgang, bei dem Nutzer direkt (spontan) mit den CPOs Verträge abschließen können, aufgrund unzureichender Preistransparenz im Jahr 2021 eine wenig genutzte Option. [HeKn23]
Es fehlen noch immer effektive Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb in Bezug auf die Stromlieferung und somit auf den Strompreis tatsächlich stattfindet. Dies führt dazu, dass CPOs in vielen Fällen eine dominante Position auf dem Markt haben und der Wettbewerb auf Marktebene der EMPs begrenzt bleibt. Diese sind an die Stromkostenvorgaben der CPO zwar gebunden, können aber entscheiden, ob sie diese an ihre Kunden tatsächlich weitergeben.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Öffentliche Ladeinfrastruktur für Elektromobilität (Stand des Wissens: 02.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?426949
Literatur
[Bund23] Bundesregierung (Hrsg.) Mehr Ladepunkte für E-Autos, 2023/01
[Fraun] Fraunhofer ISI (Hrsg.) Elektroauto versus Verbrenner - Kostenanalyse zeigt klaren Vorteil für E-Fahrzeuge, 2023/03/29
[HeKn23] Christian Hein, Giverny Knezevic Die Abrechnung elektrischer Energie für Oberleitungs-LKW, 2023
[Licht23] Lichtblick (Hrsg.) Ladesäulencheck 2023/ Unterwegs laden: E-Autofahrer*innen gehen bei Preisbremse und Klimabonus leer aus, 2023
[Linn21] Marcel Linnemann Energiewirtschaft für (Quer-)Einsteiger , Springer Nature, 2021/07, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-658-33144-3, ISBN/ISSN 978-3-658-33144-3
[NaLeLa23] Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur (Hrsg.) Glossar, 2023
[Pola22] Polarlicht (Hrsg.) Das Elektroauto an öffentlichen Ladestationen laden und Kosten sparen, 2022/05/16
Weiterführende Literatur
[KrJe19] Prof. Dr.-Ing. Sandra Krommes, Denis Jelonnek, Abschlussbericht: Wissenschaftliche Begleitung "Betreibermodelle für (halb-) öffentliche Ladeinfrastruktur" im Rahmen des Projekts e-MOTICON
, 2019/05
[HeFi22] Christopher Hecht, Jan Figgener, Dirk Uwe Sauer Analysis of electric vehicle charging station usage and profitability in Germany based on empirical data, 2022/11/18
Glossar
AC
Wechselstrom
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.
B2B Business-to-Business, das heißt der Handel zwischen Unternehmen im E-Commerce

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?572669

Gedruckt am Sonntag, 28. April 2024 14:11:37