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Schienenverkehr

Erstellt am: 21.02.2023 | Stand des Wissens: 21.02.2023
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

In Deutschland sind derzeit rund 61 Prozent der Schienenwege elektrifiziert [BMDV21d]. Der Anteil der jährlich elektrisch erbrachten Betriebsleistung, also der tatsächlich zurückgelegten Zugkilometer in einem Jahr, liegt insgesamt bei 74 Prozent (Vergleich Abbildung 4). Dass der Anteil der elektrisch zurückgelegten Zugkilometer höher ist als der Anteil elektrifizierter Schienenwege liegt daran, dass es sich bei elektrifizierten Strecken zum Großteil um deutlich höher frequentierte Hauptstrecken handelt. Die Verkehrsleistung, also das Produkt aus zurückgelegter Strecke und der Menge an transportierten Gütern beziehungsweise beförderten Personen, beläuft sich insgesamt auf rund 90 Prozent [ApS22].
Im Fernverkehr wird die Betriebsleistung mit 97,5 Prozent nahezu vollständig elektrisch erbracht. Auch im Güterverkehr werden fast 90 Prozent der Zugkilometer elektrisch erbracht. Im Regional- und Nahverkehr hingegen liegt der Anteil elektrisch erbrachter Betriebsleistung bei nur 63,5 Prozent. Das ist insbesondere auf weniger befahrene Nebenstrecken des Regional- und Nahverkehrs zurückzuführen, die häufig nicht elektrifiziert sind und auf denen Dieselantriebe noch weit verbreitet sind [BMDV21d].
Anteil elektrische Betriebsleistung Schiene.pngAbb. 1: Anteil elektrisch erbrachter Betriebsleistung auf bundeseigener Infrastruktur im Jahr 2019 [BMDV21d] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Grundsätzlich gilt, dass sich die Klimabilanz des Schienenverkehrs durch die fortschreitende Dekarbonisierung des Strommix zunehmend verbessern wird. Für die fast 40 Prozent der Strecken, die heute noch nicht elektrifiziert sind und die lediglich einen Anteil von 8 Prozent an der erbrachten Verkehrsleistung haben, müssen daher emissionsarme Lösungen gefunden werden. [DENA18a] Ziel der Branche ist es, ab 2024 bei der Betriebsaufnahme im Personenverkehr auf neue Diesel-Triebzüge zu verzichten [ApS22a].
Je nach Nutzungsgrad der Strecken kann bei ausreichender Auslastung eine Elektrifizierung mit Oberleitungen die wirtschaftlichste Dekarbonisierungsoption sein. Bei weniger befahrenen Strecken wird der Einsatz von batterieelektrischen Zügen oder von Zügen mit einer Brennstoffzelle als nachhaltige Alternative zu Dieselfahrzeugen diskutiert. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Hybridantrieben. Die Entscheidung zwischen diesen Technologieoptionen hängt neben der Streckenauslastung und der betrieblichen Flexibilität der Fahrzeuge unter anderem von den jeweiligen Streckeneigenschaften ab. Dabei ist entscheidend, ob Teilabschnitte der Strecke bereits elektrifiziert sind, wie lang die Strecke ist und wie sich die Topografie der Strecke gestaltet [SRU21]. Mit rein batteriegestützten Konzepten lassen sich zwar kurze Strecken (um die 100 Kilometer) überbrücken, jedoch sprechen nach [DLR21b] das höhere Gewicht und lange Ladezeiten derzeit gegen diesen Ansatz. Andererseits kann bei dieser Technik die bereits vorhandene Oberleitungsinfrastruktur zum Aufladen der Batterie genutzt werden [ApS22a]. Der Einsatz von Brennstoffzellenzügen, welche höhere Reichweiten von 600 bis 800 Kilometern und deutlich kürzere Betankungszeiten haben, geht mit weniger Einschränkungen hinsichtlich der Umlaufplanung der Züge einher, allerdings ist hierfür eine zusätzliche Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen [DENA18a].
In Deutschland sind seit dem Jahr 2018 erste Brennstoffzellenzüge (Typ: Coradia iLint von Alstom) auf der Strecke zwischen Cuxhaven und Buxtehude im Einsatz [ALST22]. Die Züge werden über eine mobile Wasserstofftankstelle der Firma Linde in Bremervörde mit einer Speicherkapazität von 1.800 Kilogramm betankt [ALST22]. Der Coradia iLint ist weltweit der erste Personenzug, der mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird und hat nach Herstellerangaben eine Reichweite von 1.000 Kilometern [ALST22]. Bis Juni 2023 soll in Hessen mit 27 Zügen eine der größten Wasserstoffzug-Flotten weltweit im Einsatz sein.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Klimaschutzpotenzial der Wasserstoffanwendung im Verkehrssektor (Stand des Wissens: 27.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?567750
Literatur
[ALST22] Alstom (Hrsg.) Weltpremiere: Erstes Netz mit 14 Wasserstoffzügen nimmt in Niedersachsen Betrieb mit Passagieren auf, 2022/08/24
[ApS22] Allianz pro Schiene e.V. Elektrifizierung erklärt: Das Schienennetz muss unter Strom stehen, 2022
[ApS22a] Allianz pro Schiene e.V. Ein Überblick: Alternative Antriebe auf der Schiene, 2022/01/17
[BMDV21d] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Mit der Elektrobahn klimaschonend in die Zukunft, Das Bahn Elektrifizierungsprogramm des Bundes, 2021/03/12
[DENA18a] Deutsche Energie-Agentur GmbH (Hrsg.) Einsatzgebiete für Power Fuels - Nicht elektrifizierter Schienenverkehr, 2018/08
[DLR21b] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (Hrsg.) Auf die Schiene gebracht, 2021/08/31
[SRU21] Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Hrsg.) Wasserstoff im Klimaschutz: Klasse statt Masse, 2021
Glossar
Strommix Der Strommix gibt an, zu welchen Anteilen der Strom aus welchen Energieträgern stammt. Als Energieträger gelten dabei fossile Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas, daneben Kernenergie und auch erneuerbare Energien. Dazu kann eine regionale Abgrenzung vorgenommen werden, z.B. nach deutschem oder europäischem Strommix.
H2 Wasserstoff ("H2" = grch.-lat. für hydrogenium "Wassererzeuger") ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 1. Wasserstoff stellt sowohl bezogen auf die Masse (75%) als auch bezogen auf die Zahl der Teilchen (91%) das häufigste aller im All vorkommenden Elemente dar. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas welches in der Natur aufgrund der hohen Reaktivität nicht in seiner elementaren Form vorkommt. Wasserstoff liegt gebunden in Form von Erdöl und Erdgas, in Mineralien, in Biomasse, aber vorwiegend in Form von Wasser vor. Wasserstoff ist somit ein Sekundärenergieträger (Energiespeicher)und muss erst aus den oben genannten fossilen oder nicht fossilen Primärenergieträgern unter Einsatz von zusätzlicher Energie hergestellt werden.
Betriebsleistung
Die Betriebsleistung ist eine Kennzahl für den Umfang eines bestehenden Verkehrsangebots bezogen auf eine bestimmte Bezugsperiode (zum Beispiel ein Jahr). Sie definiert sich als Produkt einer angebotenen Kapazität (Summe eingesetzter Züge, Wagen, Fahrzeuge oder Sitzplätze) und der von ihr zurückgelegten Wegstrecke in Kilometer je betrachteter Zeiteinheit.
Betriebsleistung = (Kapazität * Wegstrecke) / Bezugsperiode
Gebräuchliche Einheiten für die Betriebsleistung sind beispielsweise Zugkilometer pro Jahr [Zugkm/a] oder Fahrzeugkilometer pro Jahr [Fzgkm/a].
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?567077

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 16:00:42