Chancen für die Stadtgesundheit durch pandemiebedingte Mobilitätsveränderungen
Erstellt am: 16.06.2022 | Stand des Wissens: 16.06.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Bebauungsdichte, Populationsdichte und globale Mobilität haben die rasante Ausbreitung des Corona-Virus gefördert. Gleichzeitig hat die Auseinandersetzung mit der Pandemie die eigene Gesundheit in den Vordergrund gerückt. Dieses neue Bewusstsein wirkt sich auch auf das Mobilitätsverhalten und die Verkehrsmittelwahl aus (siehe Abbildung 1): Während vor Pandemiebeginn vor allem eine kurze Fahrtzeit, ein günstiger Fahrpreis und Komfort die Wahl des Verkehrsmittels beeinflussten, steht nun die Angst vor Ansteckung an erster Stelle. [McKi20, S. 4]
![Abbildung 1: Hauptgründe, aus denen ein Verkehrsmittel gewählt wird, Gegenüberstellung zwischen der Zeit vor und während COVID-19 (eigene Darstellung basierend auf [Eintrag-Id:553198, S. 4]).<br> Gruende fuer Verkehrsmittelwahl_McKinsey2022.png](/servlet/is/553266/Gruende%20fuer%20Verkehrsmittelwahl_McKinsey2022.png)
Die gesundheitlichen Vorteile, die sich Nutzende von der Wahl des Fahrrads versprechen, bestätigt auch die Forschung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Erwachsenen ein moderates Bewegungspensum von 150 bis 300 Minuten pro Woche (im Schnitt also etwa 20 bis 45 Minuten am Tag), um Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Übergewicht, Depressionen oder Krebs entgegenzuwirken. [WHO20b, S. 15] In Deutschland erreicht fast die Hälfte der Bevölkerung diese Pensum nicht. [GuSt20, S. 1083] Hier kann an das gestärkte Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung angeknüpft werden: Ein Arbeitsweg, dessen 15-minütige Hin- und Rückfahrten mit dem Rad zurück gelegt werden, genügen bereits für das empfohlene Bewegungspensum ebenso wie regelmäßige Fahrten zum Einkaufen, zu Freizeitbeschäftigungen oder zum Abholen der Kinder von Schule oder Kindergarten. Die Förderung aktiver Mobilität, etwa durch Infrastrukturmaßnahmen, betriebliches Mobilitätsmanagement oder Anreizsysteme, kann die Gesundheit der Bevölkerung erheblich verbessern. Denn selbst wenn ein wöchentliches Bewegungspensum nicht erreicht wird, hat jede Form körperlicher Aktivität nachweislich positive Auswirkungen auf Lebenserwartung und Gesundheitszustand. [WHO20b, S. 33]
Die Coronapandemie hat einen neuen Blick auf Homeoffice und Telearbeit eröffnet: Während 2017 nur jeder zehnte Erwerbstätige außerhalb des Büros arbeitete, war es Anfang 2020 jeder Dritte [Foll20, S.7]. In Verbindung mit pandemiebedingten Einschränkungen, wie Kontaktbeschränkungen und einem stark reduzierten Freizeit- und Kinderbetreuungsangebot, führte das plötzliche, teilweise ausschließliche Arbeiten von zu Hause bei vielen zu unterschiedlichen Herausforderungen. [NeLi20, S. 26; NiBo22, S. 9] Doch mit den richtigen Voraussetzungen, wie einem eigenen, sinnvoll und ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz, Möglichkeiten zum persönlichen Austausch und Unterstützung durch Vorgesetze, bergen neue Regelungen für Homeoffice und Telearbeit große Chancen. Mehr Individualität und Flexibilität schaffen Raum für Ausgleich im Arbeitsalltag, was sich wiederum positiv auf die geistige Gesundheit auswirkt und Burn-Out-Erkrankungen vorbeugen kann. [NeLi20, S. 22]