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Der Verkehrssektor als kritische Infrastruktur

Erstellt am: 05.06.2022 | Stand des Wissens: 05.06.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. [BBK20c] Die Kritikalität, die hier als Kriterium herangezogen wird, ist ein relatives Maß für die Bedeutsamkeit einer Infrastruktur in Bezug auf Konsequenzen, die eine Störung oder ein Funktionsausfall für die Versorgungssicherheit der Gesellschaft mit wichtigen Gütern und Dienstleistungen hat. [BMI09a] In der durch das Bundesinnenministerium im Jahr 2009 herausgegebenen Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen sind neun in Deutschland als kritische Infrastrukturen definierte Sektoren aufgeführt. Dies sind
Energieversorgung,
Informations- und Kommunikationstechnologie,
Transport und Verkehr,
(Trink-)Wasserversorgung und Abwasserentsorgung,
Gesundheitswesen, Ernährung,
Notfall- und Rettungswesen, Katastrophenschutz,
Parlament, Regierung, öffentliche Verwaltung, Justizeinrichtungen,
Finanz- und Versicherungswesen,
Medien und Kulturgüter,

wobei die ersten vier Sektoren als technische Basisinfrastrukturen und die letzten fünf als sozioökonomische Dienstleistungsinfrastrukturen zusammengefasst werden. [BMI09a]
Der Schutz dieser Infrastrukturen ist Kernaufgabe und ein zentrales Thema der Sicherheitspolitik Deutschlands. [BMI16c] Sie muss von Staat, Unternehmen und der Öffentlichkeit gemeinsam getragen werden. [BMI09a] Viele Wirtschaftsbereiche haben in den letzten Jahren eine immer höhere Durchdringung und Abhängigkeit von kritischen Infrastrukturen erfahren. Diese Tatsache sowie der Eintritt bestimmter Ereignisse, wie beispielsweise die Terroranschläge des 11. September 2001 oder das Sommerhochwasser 2002, führten dazu, dass konkrete Maßnahmenpakete umgesetzt wurden.

Für den Verkehrssektor unterscheidet die KRITIS-Sektorstudie Transport und Verkehr [BSI15] die beiden kritischen Dienstleistungen Personenverkehr und Güterverkehr. Die Funktionsfähigkeit des Personenverkehrs ist von immanenter Bedeutung für die Versorgung des Landes mit Gütern und Dienstleistungen. Längerfristige Engpässe im Personenverkehr können zu Schäden der Wirtschaft in einzelnen Regionen oder sogar der Gesamtwirtschaft führen, beispielsweise, wenn Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht mehr erreichen können. Diese Umstände können zu Einschränkungen in Produktion und Handel führen, die finanzielle Auswirkungen haben. Der Ausfall des Personenverkehrs ist bei bestimmten Berufsgruppen besonders dramatisch, zum Beispiel bei denjenigen, die im Rettungs- und Gesundheitswesen tätig sind. Auch die Freizeitgestaltung kann durch Beeinträchtigungen im Personenverkehr stark eingeschränkt werden.

Der Güterverkehr beliefert Betriebe mit Rohstoffen, Gütern und Waren und damit mit den materiellen Voraussetzungen, um am wirtschaftlichen Handel teilzuhaben. Der Aufbau der Produktionsprozesse in den Betrieben erfordert zuverlässige und pünktliche Lieferungen bestellter Waren oder Rohstoffe. Substitutionen im Falle einer Verspätung oder eines Ausfalls sind meist kurzfristig nicht realisierbar, sodass es zu Verzögerungen und Ausfällen im gesamten Produktionsablauf kommen kann. Je nachdem, welches Gut aufgrund des nur eingeschränkt funktionierenden Güterverkehrs nicht rechtzeitig an seinen Bestimmungsort geliefert werden kann, können sich neben den eben bereits beschriebenen Produktionsverzögerungen und -ausfällen in Betrieben auch noch weitreichendere Probleme ergeben. Dies gilt für Verzögerungen beim Transport von lebenswichtigen Gütern, zum Beispiel beim Transport von Lebensmitteln zu Supermärkten oder auch von Medikamenten an Apotheken und Krankenhäuser, sodass Ausfälle im Güterverkehr auch andere kritische Infrastrukturen massiv beeinträchtigen können.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erstellte im Jahr 2014 eine Sicherheitsstrategie mit einem Fokus auf die Logistik und damit auf die Sicherstellung des Verkehrsflusses von Waren und Gütern. Dadurch soll Unterbrechungen in der Versorgung mit Gütern vorgebeugt werden beziehungsweise man soll dann durch ein effektives Krisenmanagement im Krisenfall adäquat auf Unterbrechungen reagieren können. [BMDV14] Fast alle Wirtschaftsbereiche sind von der Funktionsfähigkeit des Transport- und Verkehrssektors abhängig. Ein wesentliches Ziel der Sicherheitsstrategie ist es, das bereits existierende Schutzniveau der Transportwege, Infrastruktur und Güter weiter zu erhöhen. Das Logistiksystem soll widerstandsfähiger, agiler und robuster gemacht werden. Allerdings funktioniert dies nur in Kooperation mit der Privatwirtschaft, da auch Geschäftsprozesse und Verhaltensmuster der Marktakteure darauf ausgerichtet werden müssen, Logistikketten möglichst resilient gegenüber externen Risiken zu machen. Es wird der bereits in der KRITIS-Strategie des Bundesinnenministeriums vorgegebene Allgefahren-Ansatz umgesetzt, der besagt, dass jegliche Gefahrenarten bei der Entwicklung von Schutzkonzepten Berücksichtigung finden sollen. [BMDV14]

Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Auswirkungen von Pandemien auf Mobilität und Verkehr (Stand des Wissens: 09.08.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?553478
Literatur
[BBK20c] Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.) Kritische Infra­strukturen, 2020
[BMDV14] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Sicherheitsstrategie für die Güterverkehrs- und Logistikwirtschaft, 2014
[BMI09a] Bundesministerium des Innern (Hrsg.) Nationale Strategie zum Schutz
Kritischer Infrastrukturen
(KRITIS-Strategie), 2009
[BMI16c] Bundesministerium des Innern (Hrsg.) Schutz kritischer Infrastrukturen, 2016
[BSI15] Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) (Hrsg.) KRITIS-Sektorstudie Transport und Verkehr Öffentliche Version , 2015

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?552744

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 09:35:00