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Zukünftige Evolution der Mobilität

Erstellt am: 10.12.2021 | Stand des Wissens: 12.12.2022
Synthesebericht gehört zu:

Der zukünftigen Mobilitätsbranche steht keine disruptive Mobilitätswende bevor, sondern eine evolutionäre Entwicklung und Veränderung [ADAC17e, S. 5].
Die ADAC-Studie "Die Evolution der Mobilität" aus dem Jahr 2017 gibt unter anderem Antworten über die zukünftige Mobilität. Im Auftrag des ADAC hat das Zukunftsinstitut GmbH untersucht, welche langfristigen Trends und Entwicklungen die Mobilität bis ins Jahr 2040 überwiegen können [ADAC17e]. Auch andere Plattformen wie die nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM), welche sich in sechs Arbeitsgruppen aufteilt, befasst sich mit den zukünftigen strategischen Weichenstellungen im Mobilitätsbereich [NPZM21].
Für die zukünftige Mobilität sind folgende Grundsätze charakteristisch, welche die zentralen Funktionsweisen der Mobilität beschreiben [ADAC17e, S. 24 ff.]:
  1. Postfossile, klimaneutrale Mobilität: Dekarbonisierung wird zum wichtigsten Treiber beim Mobilitätswandel [NPZM21].
  2. Sektorenkopplung in der Mobilität: Verknüpfung der Verkehrs- und Energienetze für Elektromobilität [NPZM21b].
  3. All-Access-Mobility: Eine Vielfalt an Mobilitätsangeboten steht unbeschränkt zur Verfügung. Den zeit- und ortunabhängigen Zugang gibt das Smartphone.
  4. Geteilte Mobilität: Menschen werden auf den Besitz eines eigenen Verkehrsmittels verzichten und auf (E)-Sharing-Angebote zugreifen.
  5. Digitalisierung der Mobilität: Digitale Vernetzung und flächendeckende mobile Internetverfügbarkeit sorgt für neue Mobilitätsangebote und -strukturen, optimierte Verkehrsflüsse sowie Daten- und Verkehrssicherheit [UBA21f, NPZM21a].
  6. Globale Mobilität nach dem Roaming-Prinzip: Durch die globale Vernetzung kann sich die mobile Weltkultur sich reibungslos fortbewegen.
  7. Seamless Mobility: Anhand von ultra-integrierten Mobilitätskonzepten geht die Benutzung verschiedener Verkehrsmittel nahtlos über. Die Verkehrsmittel werden miteinander kombiniert. Der Modal Split löst sich auf.
  8. Managed Mobility: Offene Netzwerke/Plattformen erschaffen neue Business-Ökosysteme für eine innovative Mobilität (zum Beispiel: Mobilitätsmanagement).
  9. Individuelle Mobilität: Der Megatrend Individualisierung wird zunehmend für die Menschen bedeutender. Dieser Faktor beeinflusst die zukünftige Mobilitätsnachfrage [ADAC17e, S. 6 f.].
Nach Prognosen der Europäischen Kommission wird der Mobilitätsbedarf in Deutschland bis 2040 auf mehr als 1,3 Billionen Personenkilometer zunehmen. Rund drei Viertel werden davon mit dem Auto zurückgelegt. Das Auto bleibt ein wichtiges Verkehrsmittel, jedoch wird es als ein Teil neuer, integrierter Mobilitäts- und Verkehrssysteme angesehen [ADAC17e, S. 6 f.]. Somit wird der Pkw-Bestand von 39 Millionen (Stand 2020) bis zum Jahr 2040 auf 23 Millionen Fahrzeuge sinken. Die Ursachen für den Rückgang sind neben der abnehmenden Pkw-Fahrleistung und der verstärkten Nutzung von Sharing-Angeboten die rückläufige Bevölkerungsentwicklung [WWFD14, S. 48]. Jedoch haben dann Fahrzeuge mit einem (teil)elektrischen Antrieb oder einem Wasserstoffmotor einen Anteil von über 50 Prozent am Pkw-Bestand [ADAC17e, S. 25, WWFD14, S. 49]. Auch wird das autonome Fahren in der Zukunft immer mehr eine Rolle spielen und die Effizienz der urbanen Verkehrssysteme radikal verändern [ADAC17e, S. 39]. Die Verkehrsmittel werden zu eigenständig handelnden Systemen [ADAC17e, S. 31].
Neben den steigenden Mobilitätsbedürfnissen werden auch die Mobilitätsmuster vielschichtiger. Die menschlichen Bedürfnisse verlagern sich. Anforderungen wie flexible Mobilität, kurze Wege zur Nahversorgung, Infrastruktur für das mobile Arbeiten sowie integrierte Mobilitätsangebote für Freizeit- und Reiseaktivitäten, welche schon im Jahr 2021 relevant sind, werden auch im Jahr 2040 von Bedeutung sein [ADAC17e, S. 8 ff., [UBA21f].
Darüber hinaus entstehen neue Mobilitätsstile, welche die Gesellschaft im Jahr 2040 prägen werden. Sie repräsentieren jedoch kein vollständiges, bevölkerungsrepräsentatives Gesellschaftsabbild (siehe Abbildung 1) [ADAC17e, S. 16 ff.].
Abb_1_al.pngAbbildung 1: Mobilitätsstile im Jahr 2040 [ADAC17e, S. 16 ff.]
Die Mobilität wird im Jahr 2040 teilweise neben virtuellen Anwendungen vorrangig in verschiedenen realen Räumen ablaufen. Diese sechs verschiedenen Räumlichkeiten zwischen Stadt und Land lassen sich in:
  • Condensed Space (innerstädtisch-urbane Räume),
  • Clustered Space (Metropolregionen mit hohem regionalem Verkehrsaufkommen),
  • Linked Space (Verbindungen zwischen vorurbanen Gebieten und Städten),
  • Lined Space (hochfrequente City-to-City-Verbindungen),
  • Interspace (internationale Mittel- und Langstreckenverbindungen) und
  • Off Space (ländliche Regionen) unterteilen [ADAC17e, S. 36 ff.].
Weitestgehend wird die Zukunft des Verkehrs keine private Nutzung eines Verkehrsmittels einschließen. Nutzen statt Besitzen ist die Erfolgsformel der zukünftigen Mobilität [MDRW19]. Zudem ist es für die Bundesregierung von Bedeutung die verschiedenen Verkehrsträger mehr miteinander zu vernetzen. Dafür soll eine Mobilitätsplattform entwickelt werden, in der die Menschen die verschiedenen Angebote auswählen können [Bund19c].
 
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Langfristszenarien der Mobilitätsentwicklung (Stand des Wissens: 12.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?237783
Literatur
[ADAC17e] Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V. (ADAC) (Hrsg.) Die Evolution der Mobilität - Mobilität 2040, 2017
[Bund19c] Bundesregierung (Hrsg.) Die Mobilität in der Zukunft, 2019/11/03
[MDRW19] MDR Wissen (Hrsg.) Wie bleiben wir mobil? Die Zukunft ohne Autos, 2019/09/11
[NPZM21] Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (Hrsg.) Wege für mehr Klimaschutz im Verkehr, 2021/07
[NPZM21a] Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (Hrsg.) Daten und Vernetzung - Standards und Normen für intermodale Mobilität, Berlin, 2021/07
[NPZM21b] Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (Hrsg.) Energiewirtschaftliche Auswirkungen der Sektorkopplung - Energiebedarfe
, Berlin, 2021/07/20
[NPZM21c] Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (Hrsg.) Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, 2021
[UBA21f] Umweltbundesamt (Hrsg.) Aktive Mobilität, 2021/09/07
[WWFD14] Erhard, Johannes (WWF), Reh, Dr. Werner (BUND), Treber, Dr. Manfred (Germanwatch), Oeliger, Dietmar (NABU), Rieger, Daniel (NABU), Müller-Görnert, Michael (VCD) Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland , 2014/07
Weiterführende Literatur
[IDWP20] Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) (Hrsg.) DIE NEUE MOBILITÄT
TRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN IM AUTOMOBILSEKTOR, 2020/02/18
[UBA23l] Mobilitätskonzepte für einen nachhaltigen Stadtverkehr 2050: Metaanalyse, Maßnahmen und Strategien, 2023/01
[ARDA20] ARD-alpha (Hrsg.) Zukunft der Mobilität - Was uns bewegen wird, 2020/11/19
Glossar
Personenkilometer
Die Einheit Personenkilometer [Pkm] beschreibt die im Rahmen einer Personenbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Verkehrsmenge (Summe der beförderten Personen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km.
Verkehrsarbeit [Pkm] = Verkehrsmenge [P] * Wegstrecke [km]
ADAC = Allgemeine Deutsche Automobil Club e. V.. Der ADAC nimmt für sich in Anspruch, die Interessen deutscher Auto-, Motorrad- und Bootfahrer zu vertreten. Er bietet - direkt oder über Tochterfirmen - Dienstleistungen an und produziert Stadtpläne sowie Straßenkarten. Außerdem betreibt er mehrere Fahrsicherheitszentren. Die ursprüngliche und bekannteste Dienstleistung des Clubs ist die Pannenhilfe.
City Der in der Stadtforschung und im allgemeinen Sprachgebrauch für die Kennzeichnung des Stadtzentrums meist größerer Städte verwendete Begriff City ist nicht eindeutig, da er im Englischen eine völlig andere Bedeutung hat. Im englischen Sprachgebrauch kann der Begriff City für drei verschiedene Varianten stehen:
  1. allgemein für eine Großstadt,
  2. für eine historische Stadt mit Bischofssitz und Kathedrale,
  3. für eine Stadt mit königlicher Urkunde und zeremoniellen Privilegien.
Der deutsch Begriff der City leitet sich aus der frühen Konzentration von Bürofunktionen in der historischen City of London ab, da sich dort bereits im 18. Jahrhundert mit dem aufkommenden und rasch entfaltenden Banken- und Versicherungswesen der neue Typ des Bürohauses herausbildete, der den Prozess der Citybildung enorm beschleunigte. In erster Linie ist City ein Funktionsbegriff. Die City ist der zentralst gelegene Teilraum einer größeren Stadt mit einer räumlichen Konzentration hochrangiger zentraler Funktionen des tertiären und quartären Sektors.
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.
Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die prozentuale Verteilung des Personen- und Güterverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen, insbesondere der verkehrlichen Entscheidungen von Unternehmen.
Mobilitätswende
Mit der Mobilitätswende soll der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors gesenkt werden, ohne dass die Mobilität der Menschen eingeschränkt wird. Diesem Ziel folgend, versucht man mit der Mobilitätswende Verkehr zu vermeiden (zum Beispiel durch stadtplanerische Maßnahmen), auf emissionsfreie und emissionsarme Fortbewegungsmittel zu verlagern (zum Beispiel auf den öffentlichen Verkehr) und effizienter abzuwickeln (zum Beispiel durch verkehrssteuernde Maßnahmen).
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?545179

Gedruckt am Dienstag, 19. März 2024 04:45:07