Best-Practice-Beispiele im Personenverkehr
Erstellt am: 26.11.2021 | Stand des Wissens: 17.01.2023
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Im Rahmen der Wettbewerbsanalyse hat sich das sogenannte Benchmarking etabliert. Hierunter versteht man den Vergleich von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Methoden verschiedener Unternehmen. Ziel des Benchmarking ist es, Leistungsunterschiede gegenüber Branchenführern aufzuzeigen und etwaige Leistungslücken im eigenen Unternehmen zu schließen. Als Best-Practice werden Praktiken bezeichnet, die bei den Besten eingesetzt werden und damit als Orientierung für andere Unternehmen dienen können [Wübb20;GAWI20]. Es folgt ein Beispiel, wie mit Risiken durch Naturgefahren konzeptionell bei der Deutschen Bahn umgegangen wird.
Um die Leistungsfähigkeit des Schienenverkehrs auch in Extremwettersituationen zu gewährleisten, behandelt seit dem Jahr 2018 ein Team aus Fachleuten im Rahmen des Naturgefahrenmanagements der DB Netz AG (heute DB InfraGO AG) den Umgang mit Naturereignissen. Ziel ist es, Auswirkungen des extremen Wetters auf den Bahnbetrieb abzumildern und die vorhandene Infrastruktur an die durch den Klimawandel zu erwartenden Auswirkungen anzupassen. Die Deutsche Bahn hat dazu ein ganzheitliches Konzept der Naturgefahrenstrategie entwickelt (siehe Abbildung 1):
![Abb. 1: Konzept der ganzheitlichen Naturgefahrenstrategie der Deutschen Bahn [Eintrag-Id:543573, S. 19] 5.5 Naturgefahrstrategie.png](/servlet/is/543793/5.5%20Naturgefahrstrategie.png)
Zunächst werden anhand von Störungskennzahlen, Wetter- und Infrastrukturdaten Wirkungszusammenhänge analysiert. Anschließend werden die sich hieraus ergebenden Folgen (zum Beispiel Verspätungen oder Schäden) wirtschaftlich bewertet und so der Handlungsbedarf priorisiert. Bisher lag der Fokus auf Maßnahmen, die mit Stürmen und Hitze in Zusammenhang stehen [Mess19, S. 19].
Sturmereignisse verursachen jährlich Schäden an Fahrbahn und Oberleitung in Millionenhöhe. Zudem können lokale Sturmereignisse häufig und schnell zu überregionalen Störungen im Betriebsablauf führen. Zur Prävention von sturmbedingten Auswirkungen auf den heutigen Bahnbetrieb und um auf zukünftige Sturmereignisse besser vorbereitet zu sein, betreibt die Deutsche Bahn ein erweitertes Vegetationsmanagement. Bereits seit längerem wird von der Gleismitte aus gesehen rechts und links des Gleises alles innerhalb einer Entfernung von 6 Metern mindestens einmal jährlich zurückgeschnitten (U-Profil). Im Rahmen des erweiterten Vegetationsmanagements werden nun auch in die angrenzende Zone hinein Inspektionen der Vegetation durchgeführt und gezielt sturmgefährdete Bäume entfernt. An betrieblich besonders wichtigen Punkten mit erhöhter Sturmexponiertheit werden seit 2016 sogenannte V-Profile umgesetzt (siehe Abbildung 2).
![Abb. 2: Vegetationsschnitt an Strecken der DB. [Eintrag-Id:543791] 5.5 Vegetationsschnitt.png](/servlet/is/543793/5.5%20Vegetationsschnitt.png)
Auch Hitzeereignisse können dazu führen, dass der Bahnbetrieb behindert wird. Durch verschiedene Maßnahmen sollen Fahrbahn sowie Leit- und Sicherungstechnik robuster gegenüber Hitze gemacht werden. Zur Identifikation von Gleislageänderungen wurde eine standardisierte Beurteilungshilfe erstellt [Mess19, S. 20]. An besonders wichtigen Punkten im Netz wurden Schienentemperatursensoren installiert, die mittels Smartphone-Applikation ausgelesen werden können. Bahndämme sind während niederschlagsarmer Zeiten wegen ihrer bodenmechanischen Eigenschaften gefährdet. Daher werden dort vermehrt Sensoren zur Feuchtigkeitsmessung und Bodenbewegung verbaut. Um Brände zu verhindern, werden darüber hinaus Begehungen und damit zusammenhängend die Böschungspflege im Gleisbereich verstärkt in der heißen Zeit des Jahres durchgeführt. Die Temperatur der Leit- und Sicherungstechnik, die essenziell für den sicheren Bahnbetrieb ist, wird durch Kühleinrichtungen reguliert. Diese werden regelmäßig überprüft und im Bedarfsfall durch mobile Geräte erweitert [Mess19, S. 20f.].
Bemerkenswert ist eine Maßnahme, die sich derzeit noch in der Testphase befindet. Anhaltend hohe Temperaturen führen dazu, dass die Schienentemperatur auf über 55 Grad Celsius ansteigen kann und auch nachts nicht unter 35 Grad Celsius sinkt. Hieraus ergeben sich hohe Druckkräfte im Gleis. Darüber hinaus führen hohe Gleistemperaturen im Sommer dazu, dass Oberbaumaßnahmen nicht durchgeführt werden können. Nachdem bereits in anderen Ländern erste Erfahrungen mit der Weißfärbung von Schienen gemacht wurden, testete auch die Deutsche Bahn aus, wie sich weiße Farbe von Schienen auf deren Temperatur auswirkt. Messungen im Juni des Jahres 2019 kamen auf eine Temperaturdifferenz von 7 Kelvin im direkten Vergleich zwischen behandelten und unbehandelten Nachbargleisen [Mess19, S. 21f.].