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Infrastrukturelle Anforderungen für den Einsatz von Drohnen im urbanen Personen- und Güterverkehr

Erstellt am: 12.08.2021 | Stand des Wissens: 12.07.2024
Synthesebericht gehört zu:

Um eine Drohne einsetzen zu können, sind ungeachtet des Anwendungsfalls allgemeine infrastrukturelle Anforderungen zu erfüllen. So wird prinzipiell eine Fläche zum Starten, Landen, Warten und Parken der Drohne benötigt, welche mit der übrigen Verkehrsinfrastruktur verbunden sein muss, um den Zugang zu gewährleisten. Um die Steuerung, unabhängig davon, ob diese manuell, automatisiert oder autonom erfolgt, zu ermöglichen, muss eine flächendeckende und hochleistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur zur Datenübertragung bereitgestellt sein. Dadurch können softwarebasierte Routen eingehalten, mögliche Gefahren erkannt und umgangen werden. Eine Rolle spielen hier sowohl die Nutzung des kommerziellen Mobilfunks als auch das verfügbare Frequenzspektrum [BMVI20ag]. Da das Ziel verfolgt wird, dass die meisten Drohnen elektronisch angetrieben werden, wird darüber hinaus eine Infrastruktur zum Laden der Akkus benötigt. Diese Anforderungen sind für den jeweiligen Anwendungsfall (z.B. Personen- oder Güterverkehr) zu spezifizieren und es sind entsprechende Maßnahmen zu dessen Erfüllung zu ergreifen.
Zunächst sind geeignete Start- und Landeplätze zu nennen. KEP-Dienstleister (Kurier, Express und Paket) testen diesbezüglich verschiedene Möglichkeiten für die Zustellungsarten von Paketen mit Drohnen (z. B. direkte Landung der Drohne oder Abwurf der Paketen mit Fallschirm) [Koe22]. Als mögliche Landeplätze für die Paketzustellung beim Empfänger sind dementsprechend Dachterrassen, Balkone, (Vor-)Gärten oder Plattformen vor dem Fenster zu nennen. Letzteres bietet beispielsweise ein deutsches Start-up-Unternehmen an, das eine ausklappbare Installation für die Hauswand entwickelt hat, die zusätzlich über eine Ladefunktion verfügt [WiPo21].
Ein möglicher Lösungsansatz, um eine effiziente Belieferung auf der letzten Meile zu ermöglichen, ist der Aufbau des Liefersystems auf einem Netzwerk von vielen kleinen Verteilzentren, in denen die Sendungen auf die Drohne umgeschlagen werden, also als Start- und Landeplätze dienen. Damit reduzieren sich die zurückgelegten Entfernungen der Drohnen mit den Sendungen [KBF20]. Eine weitere Möglichkeit ist das Landen auf und das Starten von Fahrzeugen aus (z. B. durch Kopplung von Lkw und Drohne). Hierbei beliefern Drohnen die Empfänger von einem Lkw aus und kehren anschließend wieder zu diesem zurück. Der Lkw fungiert als Start- und Landeplatz, was ausgehend von ersten Pilotprojekten zu einer effizienteren Gestaltung von Fahrtrouten respektive einer optimierten Lieferdauer führt [PuGuMa20]. 
In einer weiteren Variante für die Kopplung von Lkw und Drohne übernimmt der Paketzusteller die letzte Meile, die Drohne jedoch die vorletzte. Die Drohne wird nach Eingang der Bestellung vom Händler beladen und fliegt zum Auslieferfahrzeug, das mit einer Start- und Landeplattform auf dem Dach ausgerüstet ist. Der Paketzusteller übernimmt die Produkte und liefert sie an den Endkunden aus. Die Drohne kann in der Zwischenzeit bereits auf dem Weg zum nächsten Händler oder Logistikzentrum sein [MeBe].
Im Bereich des Personenverkehrs ist für einen effizienten Einsatz von Lufttaxis besonders wichtig, dass die Wege zu den Start- und Landeplätzen kurz sind und diese in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Zudem sollte sichergestellt werden, dass eine Anbindung an existierende Infrastruktureinrichtungen vorhanden ist [KBF20]. Die Forschung hat gezeigt, dass im innerstädtischen Personenverkehr nur dann Reisezeiteinsparungen gegenüber dem Straßenverkehr erzielt werden können, wenn die Landeplätze der Lufttaxis in einer ähnlichen Dichte wie Nahverkehrsbahnhöfe, sprich ein Landeplatz pro Quadratkilometer, angeordnet sind. Andernfalls würde sich die Haus-zu-Haus-Reisezeit im Vergleich zu konventionellen Verkehrsmitteln erhöhen [KBF20]. Sowohl in Bezug auf Drohnen für den Güter- als auch Personentransport ist dabei zu erwähnen, dass auch bei vertikaler Start- und Landefähigkeit (VTOL) ein größerer Platzbedarf vorliegt, als die Grundfläche der Drohne. Grund dafür sind u. a. die benötigte Manövrierfähigkeit um Sicherheit und Stabilität in der Luft zu gewährleisten, Sowohl die US-amerikanische Bundesluftfahrtbehörde (Federal Aviation Administration, FAA) als auch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (European Union Aviation Safety Agency, EASA) veröffentlichten zu diesem Zweck im Jahr 2022 Gestaltungsrichtlinien für die Ausführung sog. Vertiports [FAA22].
Darüber hinaus bestehen Anforderungen an eine geeignete Ladeinfrastruktur. Hierzu gibt es in Deutschland zwar noch keine spezifische Verordnung, verschiedene Initiativen und Programme setzen sich allerdings mit der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen auseinander [BMDV22ab]. Derzeit existieren zwei Optionen für das Aufladen von Drohnen. Zum einen werden die Drohnen, ähnlich wie Elektroautos, an Stationen aufgeladen. Zum anderen kann auch lediglich der Wechsel der Batterien stattfinden, womit längere Stillstandzeiten verhindert werden. Während die Drohnen mit ihren neuen Batterien weiterfliegen, können die alten wieder aufgeladen werden. Bei beiden Optionen sind, neben der ausreichenden Anzahl an Stationen, die Installationskosten, die Lade- beziehungsweise Wechselzeit, der sicherheitstechnische Faktor von Drohnen an Ladestationen, die Besitzrechte an den Stationen, die Batteriezuordnung und die Onlineverwaltung des Stationsstatus zu berücksichtigen [HuSa20].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Integration von Drohnen als Ergänzung des Verkehrssystems zum Transport von Personen und Gütern (Stand des Wissens: 25.08.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?539652
Literatur
[BMDV22ab] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) BMDV fördert innovative Anwendungen mit Drohnen, 2022/09/28
[BMVI20ag] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) Unbemannte Luftfahrtsysteme und innovative Luftfahrtkonzepte. Aktionsplan der Bundesregierung 2020, 2020/05
[FAA22] Federal Aviation Administration (FAA) (Hrsg.) FAA Releases Vertiport Design Standards to Support the Safe Integration of Advanced Air Mobility Aircraft, 2022/09
[HuSa20] Huang, Hailong, , Savkin, Andrey V A Method of Optimized Deployment of Charging Stations for Drone Delivery, 2020/06
[KBF20] Kellermann, R., , Biehle, T., , Fischer, L. Drones for parcel and passenger transportation: A literature review, 2020
[Koe22] Koenen, Jens Start-up Jedsy liefert per Flugdrohne bis an den Balkon, 2022/02/02
[MeBe] Mercedes-Benz (Hrsg.) Vans & Drones in Zürich, 2021
[PuGuMa20] Di Puglia Pugliese, Luigi, , Guerriero, Francesca, , Macrina, Giusy Using drones for parcels delivery process, 2020
[WiPo21] WIN-PORT (Hrsg.) Die innovative Lösung für Paketlieferungen durch Lieferdrohnen, 2021
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Letzte Meile
Im Bereich der Telekommunikation bezeichnet die "letzte Meile", auch Teilnehmeranschlussleitung genannt, die Netzstrecke zwischen dem lokalen Verteilerkasten des entsprechenden Kommunikations-Unternehmens und dem Hausanschluss des Endkunden.
In der Logistik steht der Begriff für die Belieferung des Endkunden im Liefer- und Abholverkehr, also dem letzten notwendigen Transportvorgang.
KEP Kurier, Express, Paket - Bereich in der Transportwirtschaft, der als ein Teilmarkt in der Logistik angesehen wird. Anbieter von Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP) transportieren vornehmlich Sendungen mit relativ geringem Gewicht (von ca. 2 kg bis ca. 31 kg) und Volumen, wie z.B. Dokumente, Päckchen und Kleinstückgüter. Große KEP Anbieter wenden sich auch vermehrt den Märkten der Kontraktlogistik und Fulfillment Dienstleistungen zu.
EASA Die European Aviation Safety Agency (EASA) ist die Europäische Agentur für Flugsicherheit der Europäischen Union (EU). Die EASA wurde am 15. Juli 2002 gegründet. Sie bereitet Gesetzesvorschläge vor und berät Kommission und Mitgliedstaaten der EU zum Thema Flugverkehr. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Harmonisierung und Umsetzung geeigneter Umwelt- und Sicherheitsstandards in der Zivilluftfahrt für das gesamte EU-Gebiet.
FAA Die Federal Aviation Administration (FAA) ist die Bundesluftfahrtbehörde der Vereinigten Staaten von Nordamerika (USA).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?539568

Gedruckt am Samstag, 27. Juli 2024 01:46:16