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Sicherheit und Zuverlässigkeit beim Einsatz von Drohnen im urbanen Personen- und Güterverkehr

Erstellt am: 10.08.2021 | Stand des Wissens: 19.07.2023
Synthesebericht gehört zu:

Mit der zunehmenden Nutzung von Drohnen und Flugtaxis steigt auch der Regulierungs- und Koordinationsbedarf des Flugverkehrs. Abstürze durch technischen Defekt oder durch Kollisionen mit anderen Flugobjekten bergen ein großes Sterberisiko für unmittelbar Beteiligte, aber auch für unbeteiligte Dritte am Boden. Zum Ausdruck kommt diese Risikoaversion auch in dem Zwischenbericht des Verbundprojekts Sky Limits des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Juni 2020. Die Befragten äußerten neben Bedenken wie Umweltverträglichkeit und Nützlichkeit auch Sicherheitsbedenken als Grund für die Ablehnung einer flächendeckenden Implementierung. [Dann20] Die Sicherheit von Drohnen und Flugtaxis ist somit ein wichtiger Akzeptanzfaktor und wurde auch im Aktionsplan für Drohnen und Flugtaxis des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur als Herausforderung festgehalten. Hier werden hohe Sicherheitsstandards sowie der Schutz personenbezogener Daten, der Privatsphäre und der Umwelt als zwei der drei großen Leitlinien zur Umsetzung des Aktionsplans festgeschrieben. [BMVI20af]
Mit einer im Juli 2019 veröffentlichten Harmonisierungsvorschrift zu besonderen Bedingungen für Senkrechtstarter gab die Europäische Agentur für Flugsicherheit der Europäischen Union (EASA) diesen Anforderungen an Zuverlässigkeit und Sicherheit einen rechtlichen Rahmen. Dieser rechtliche Rahmen erstreckt sich somit auch auf den Bau und die Entwicklung von Flugtaxis und Drohnen. Die Drohnen werden dann noch einmal in die zwei Klassen Basis und Fortgeschritten unterteilt, wobei Drohnen der fortgeschrittenen Klasse besondere Anforderungen an den Datenschutz und die Privatsphäre erfüllen müssen, da diese für den Überflug von beispielsweise Ballungsgebieten gedacht sind. Weitere Regularien sowie international einheitliche Standards werden gerade von der EASA erarbeitet.[EASA19]
Da durch den zunehmenden Flugverkehr im Allgemeinen eine manuelle Kontrolle und Koordination der einzelnen Teilnehmer nicht möglich ist, arbeitet die amerikanische National Aeronautics and Space Administration (NASA) zusammen mit privaten Firmen an einem System zur automatischen Kollisionsvermeidung. Das detect and avoid-System (DAA, deutsch: Erkennen und Vermeiden) funktioniert durch Transponder, mit denen jede Drohne und der umgebende Verkehr ausgestattet werden. Diese Transponder führen zu einer Radardarstellung, womit automatisch mögliche Hindernisse erkannt und umflogen werden können. [Conn19] Dargestellt werden kann ein Radarbild von bis zu zehn Kilometer in einem Radius von 220 Grad vor der Drohne. Darüber hinaus sind die Sensoren in der Lage auch alle Funktionen eines Wetterradars zu übernehmen. [Kirc20] Erste Tests und Demonstrationen dieses Systems werden aktuell durchgeführt. [Conn19]
In Deutschland arbeiten die Telekom und die Deutsche Flugsicherung (DFS) an dem System Droniq. Hierfür werden Drohnen mit Modems, mobilen Internetanschlüssen und Satellitennavigation ausgestattet und ermöglichen eine Echtzeitortung durch die Luftraumüberwachung. [Hert19] Durch das entstehende Luftlagebild sind deutlich größere Etappen mit Drohnen, auch ohne Sichtverbindung, möglich. Neben der Übermittlung von Ortungsdaten sollen in Zukunft auch Bild- und Messdaten in Echtzeit übertragen werden. Das System wird zunächst für unbemannte Drohnen entwickelt und kann Anwendung im Güterverkehr, in der Informationsbeschaffung oder im Rettungswesen (informierend) finden. An einem ähnlichen System zur Echtzeitortung arbeiten auch Vodafone und die EASA. [DFS19b]
Das Unternehmen Volocopter entwickelte im Jahr 2019, in Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart, ein Flugregelungssystem mit welchem die 18 Propeller ihres Flugtaxis unabhängig voneinander über Sensoren gesteuert werden. Da der Ausfall eines solchen Flugregelungssystems fatale Folgen haben kann, wurden die Systeme mehrfach redundant ausgelegt. So reichen beispielsweise 9 der 18 Propeller für einen kontrollierten Flug und eine sichere Landung, womit ein Ausfall des gesamten Systems nahezu unmöglich ist. [UniS19] In dem veröffentlichten Bericht wurde herausgestellt, wie wichtig ein solches funktionierendes Flugregelungssystem für die höchsten Ansprüche an Sicherheit und Komfort ist.
Weiterhin kommt es bei der zunehmenden Nutzung von Drohnen vermehrt zu Problemen bei der Verletzung von Flugverbotszonen, beispielsweise über sensiblen Einrichtungen, wie Gerichten oder auch Flughäfen. So können bereits bei dem Zusammenstoß von Flugzeugen mit sehr kleinen Drohnen große Schäden entstehen, wie Modelltest bereits zeigten. Die derzeitige Warnfunktion, die Geo-Sensibilisierung, reicht nicht für den Schutz sensibler Einrichtungen aus. Die Geo-Sensibilisierung ist für privat genutzte Drohnen bereits verpflichtend, signalisiert dem Bediener jedoch nur, wenn er mit seinem Gerät in eine Flugverbotszone eindringt. Um diese Flugverbotszonen durchzusetzen, benötigt es somit ein besseres System. Da eine stationäre Drohnen-/Flugabwehr für alle besonders schützenswerten Gebäude allerdings deutlich zu teuer ist (etwa 30 Millionen Euro je System), bedarf es einer anderen Lösung. Technisch umsetzbar und auch weniger kostspielig ist das Geofencing (deutsch: Geo-Einzäunung). Hier werden virtuelle Zäune rund um Flugverbotszonen eingerichtet, an denen man nicht vorbeikommt. Dadurch könnten Zusammenstöße deutlich effektiver verhindert werden. Das Geofencing wird bereits von einigen Drohnenherstellern angeboten, ist bisher aber nur freiwillig und lässt sich deshalb leicht abschalten. [Chri20]
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Integration von Drohnen als Ergänzung des Verkehrssystems zum Transport von Personen und Gütern (Stand des Wissens: 25.08.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?539652
Literatur
[BMVI20af] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (Hrsg.) Unbemannte Luftfahrtsysteme und innovative Luftfahrtkonzepte - Aktionsplan, 2020/05
[Chri20] Frank Christiansen Geofencing: Virtuelle Zäune sollen Drohnen stoppen, Brief an EU-Kommissare, 2020/02/23
[Conn19] Monroe Conner NASA Armstrong Fact Sheet: Unmanned Aircraft Systems Integration in the National Airspace System, 2019/07
[Dann20] Nico Dannenberger, Vincent Schmid-Loertzer, Liliann Fischer, Victoria Schwarzbach, Robin Kellermann, Tobias Biehle Sky Limits - Verkehrslösung oder Technikhype, 2020/06
[DFS19b] DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (Hrsg.) DFS Deutsche Flugsicherung und Deutsche Telekom gründen Gemeinschaftsunternehmen für den Drohnenmarkt, 2019/05/29
[EASA19] European Aviation Safety Agency - Europäische Agentur für Flugsicherheit, European Union Aviation Safety Agency (Hrsg.) Special Condition - Vertical Take-Off and Landing (VTOL)
Aircraft, 2019/07/02
[Hert19] Reiner Hertl In Sichtweite: E-Flugtaxis und Drohnen-Langstrecke ohne Sichtverbindung, 2019/06/28
[Kirc20] Benjamin Kirchbeck Detect-and-Avoid-Radar: Kollisionswarner für Drohnen, 2020/02/20
[UniS19] Universität Stuttgart, Universität Stuttgart (Hrsg.) Sicherheit für Flugtaxis
, 2019/03/27
Glossar
EASA Die European Aviation Safety Agency (EASA) ist die Europäische Agentur für Flugsicherheit der Europäischen Union (EU). Die EASA wurde am 15. Juli 2002 gegründet. Sie bereitet Gesetzesvorschläge vor und berät Kommission und Mitgliedstaaten der EU zum Thema Flugverkehr. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Harmonisierung und Umsetzung geeigneter Umwelt- und Sicherheitsstandards in der Zivilluftfahrt für das gesamte EU-Gebiet.
GEO Geostationäre Umlaufbahn mit einem Bahnradius 42.157 km (entspricht Abstand von etwa 35.786 km zur Erdoberfläche)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?539456

Gedruckt am Dienstag, 16. April 2024 11:29:34