Beispiele und Studien zum integralen Taktfahrplan
Erstellt am: 29.07.2021 | Stand des Wissens: 29.07.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
In einigen europäischen Staaten wurden integrale Taktfahrpläne (ITF) für den Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) bereits realisiert. Der erste europäische Taktfahrplan für den SPFV war der Spoorslag 70, der 1970 in den Niederlanden eingeführt wurde. [PMG17] Als Vorbild für die Bemühungen anderer Länder gilt jedoch in erster Linie die Schweiz, die 1982 eine erste Ausbaustufe des Taktfahrplans umgesetzt und diesen später im Rahmen des Infrastrukturprogramms Bahn 2000 in Zwei-Jahres-Intervallen konsequent weiterentwickelt hat. [Schw85] Mit zahlreichen Ausbaumaßnahmen für Kanten und Knoten konnte in der Schweiz ein flächendeckender Fahrplan mit weitestgehend einheitlichen Symmetrieminuten realisiert werden, der sowohl Personenfern- und -nahverkehr als auch den Güterverkehr berücksichtigte.
Auch in Deutschland ist das Konzept integraler Taktfahrplan nicht neu: Zahlreiche Bundesländer haben ihren Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in den Jahren nach der Bahnreform 1994 im Rahmen eines integralen Fahrplankonzepts gestaltet. Als erstes Bundesland führte Rheinland-Pfalz mit dem Rheinland-Pfalz-Takt Mitte 1994 einen solchen ITF für den SPNV ein. Nach dessen Erfolg folgten diesem Beispiel in den folgenden Jahren auch Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt.
Die ersten Fahrpläne des bundesdeutschen SPFV waren ebenfalls in ihren Grundzügen ITF. Der erste Fahrplan für das InterCity-Netz verknüpfte 1971 bundesweit Knoten im Zweistundentakt. Im Rahmen des Intercity 79-Systems wurde der Takt 1979 auf einen Stundentakt verdichtet und unter dem Slogan Jede Stunde jede Klasse vermarktet. [IGEB04] In den folgenden Jahren wurden der Ausbau des Netzes vorangetrieben und weitere Knoten an das System angeschlossen. Mit dem Bau einiger nicht taktkompatibler Schnellfahrstrecken begann der Zerfall des ursprünglichen Taktfahrplans und es entstanden stärker nachfrageorientierte Fahrpläne für den SPFV.
2013 gab das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine Machbarkeitsstudie für einen Deutschland-Takt im Schienenverkehr in Auftrag, deren Aufgabenstellung 2014 um vier zu untersuchende Szenarien mit verschiedenen Ausbaustufen ergänzt wurde. [MoKo15a, S.74] In der Studie sollte gezeigt werden, inwiefern die Implementierung eines netzübergreifend integrierten Deutschland-Taktes im Schienenverkehr möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Studie wurde 2015 veröffentlicht. [BMVI15x, S.1] Auf die Machbarkeitsstudie folgte im Jahr 2018 das Deutschland-Takt-Gutachten, in dem die Vorschläge der Machbarkeitsstudie konkretisiert und komplettiert wurden. Im Rahmen des Gutachtens wurden Zielfahrpläne 2030 entwickelt, die als Grundlage für die im Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgeführten Maßnahmen für den Ausbau der Schieneninfrastruktur dienen. [BMVI20y] Dem ersten Gutachten folgten ein zweiter und dritter Gutachterentwurf mit zusätzlichen Infrastrukturausbaumaßnahmen, Angebotsausweitungen, Fahrzeitverkürzungen und einer stärkeren Berücksichtigung von Güterverkehrstrassen. [BMVI19aw, S.9] [BMVI20z, S.12]
Im Rahmen des Schienenpakts des Zukunftsbündnis Schiene [BMVI20aa] wird die Realisierung des Deutschland-Takts und der dafür notwendigen Infrastrukturausbaumaßnahmen vorangetrieben. Im Mai 2020 wurden die Ergebnisse der sechs Arbeitsgruppen des Bündnisses in einem Abschlussbericht veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe 1 Deutschlandtakt einführen betont in ihrem Bericht den Stellenwert des Deutschland-Takts als Gemeinschaftsprojekt verschiedener Interessensgruppen aus allen Bereichen des Schienenverkehrs. Zudem wird ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf für die auf die Einführung des Deutschland-Taktes auszurichtende Infrastrukturplanung identifiziert. Die Einführung des Taktfahrplans müsse sich etappenweise an den von Arbeitsgruppe 2 Kapazitäten ausbauen identifizierten zwölf prioritären Großvorhaben orientieren. Hierzu gehören beispielsweise die Neubaustrecke Würzburg Nürnberg, die Neubaustrecke Karlsruhe Basel und umfangreiche Ausbaumaßnahmen in wesentlichen Knoten (Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover und andere. Diese prioritären Großvorhaben seien noch vollständig zu finanzieren. Der Bau der Projekte sollte für eine zügige Umsetzung des Deutschland-Taktes nach Möglichkeit vor 2030 beginnen. Abbildung 1 gibt eine Übersicht über den Finanzbedarf der von Arbeitsgruppe 2 zusammengefassten Großvorhaben. [BMVI20ab, S.4ff]
![Abb. 1: Finanzbedarf der prioritären Großvorhaben des Zukunftsbündnisses Schiene [Eintrag-Id:538092, S.4ff] finanzbedarf_grossvorhaben.png](/servlet/is/538768/finanzbedarf_grossvorhaben.png)