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Zur wirtschaftlichen Lage der DB Fernverkehr AG

Erstellt am: 28.07.2021 | Stand des Wissens: 28.07.2021
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Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Im zehnjährigen Zeitraum von 2009 bis 2019 ist der Umsatz der DB Fernverkehr AG von 3,35 Milliarden Euro um circa 49 Prozent auf 5,05 Milliarden Euro gestiegen, wobei es von 2012 bis 2015 eine Zwischenphase gab, in welcher der Umsatz stagnierte und sogar etwas zurückging. Ähnlich fiel die Entwicklung des Yields (Umsatz pro Pkm) aus (siehe Abbildung 1). Dieser stieg bis 2014 stark an, ging dann jedoch 2015 deutlich zurück. In den Folgejahren stieg er wieder. Die DB begründete den vorübergehenden Rückgang bei Umsatz und Yield mit dem durch die Fernbusliberalisierung gestiegenen Preisdruck. Daneben trug auch der sukzessive Ausstieg aus dem Nachtzuggeschäft zu der vorrübergehenden Stagnation des Umsatzes bei. [BöMi16] Im Rahmen einer umfangreichen Angebotsoffensive konnte der Umsatz bis 2019 wieder gesteigert werden. Die Jahre 2020 und 2021 mit ihren Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie werden im Folgenden nicht betrachtet.
umsatz_yield_db_fernverkehr.pngAbb. 1: Umsatz- und Yieldentwicklung der DB Fernverkehr AG, Quelle: [DBFV19]
Der deutliche Anstieg des Yields seit 2015 lässt sich unter anderem mit der gestiegenen Auslastung der Züge im Fernverkehr erklären, die in Abbildung 2 gezeigt wird.
auslastung_fernverkehr.pngAbb. 2: Auslastung der Fernverkehrszüge, Quelle: [DB19g]
Auch im Ergebnis nach Steuern erzielte die DB Fernverkehr AG im Jahr 2019 mit 426 Millionen Euro ein Rekordergebnis (siehe Abbildung 3). Anders als andere Konzernsparten der Deutschen Bahn AG ist die DB Fernverkehr AG durchgängig profitabel. Die Fernverkehrssparte hat 2019 mit einem Nettoergebnis von 426 Millionen Euro sehr stark zum Konzernergebnis von 680 Millionen Euro beigetragen; dies liegt prozentual deutlich über ihrem Anteil am Konzernumsatz, der nur bei 11,2 Prozent lag. [DBFV19]
ergebnis_nach_steuern.pngAbb. 3: Ergebnisentwicklung der DB Fernverkehr AG, Quelle: [DBFV19]
Das gute Ergebnis der DB Fernverkehr AG ist teilweise darauf zurückzuführen, dass die Zugflotte bereits weitgehend abgeschrieben ist und daher geringe Kapitalkosten für sie anfallen. Jedoch erreichen große Flottenteile auch bald das Ende ihrer Nutzungsdauer und müssen durch neue Modelle ersetzt werden. Beispielsweise sind 58 der derzeit insgesamt 289 ICE noch ICE 1-Züge. Diese wurden bereits ab 1998 in Betrieb genommen und sollten ursprünglich ab 2020 durch ICE 4-Züge ersetzt werden. [DB20a] Die vorgesehene Erneuerung der Zugflotte hatte sich im letzten Jahrzehnt verzögert, was eine der Ursachen für die bekannten Pünktlichkeitsprobleme der DB Fernverkehr AG ist (weitere Ursachen sind die erhöhten Inspektionsintervalle aufgrund bruchgefährdeter Achsen beim ICE 3 seit 2008 sowie Infrastrukturprobleme). [WDR08]
Seit einiger Zeit werden nun verstärkt neue Züge an die DB ausgeliefert. Zudem will die Deutsche Bahn AG ihr Fernverkehrsangebot ausweiten. Insgesamt soll die Flotte der ICE-Züge von 289 im Jahr 2019 auf 421 im Jahr 2026 anwachsen. [Lück20] Zusätzlich soll auch das ältere ICE-Zugmaterial länger in Verwendung bleiben: die Betriebszeit der ICE 1 wird bis 2030 verlängert, wozu Modernisierungsmaßnahmen in Höhe von 320 Millionen Euro erforderlich sind, [Ditt20] und die ICE 2-Flotte, die ab 2025 ersetzt werden sollte, wird ebenfalls länger in Betrieb bleiben und durch das höhere Alter ähnlich wie die ICE 1 hohe Modernisierungs- und Reparaturkosten verursachen. Mit diesen Investitionen werden die Kapitalkosten steigen und das finanzielle Ergebnis der DB Fernverkehr AG belasten. Die aktuell gute Rentabilität der DB Fernverkehr gibt daher möglicherweise, schon aufgrund der nachzuholenden Investitionen, ein verzerrtes Bild ihrer langfristigen wirtschaftlichen Lage.
Die zukünftige Rentabilität der DB Fernverkehrs AG wird stark davon abhängen, wie das Fernverkehrsangebot ausgeweitet wird. Wenn es lediglich mit der steigenden Nachfrage Schritt halten soll, dann ist die Rentabilität nicht gefährdet. Wenn das Fernverkehrsangebot jedoch darüber hinaus im Sinne einer Qualitätssteigerung ausgeweitet werden soll (Taktverdichtungen, Nachtzüge, Anbindung von zusätzlichen Städten) wie es eigentlich im Kontext der Deutschland-Takt-Ideen diskutiert wird dann kann sich dies negativ auf die Rentabilität auswirken.
Dieser Zusammenhang wird durch einen umgekehrten Fall illustriert, bei dem eine Einstellung unrentabler Verkehre zu einer deutlichen Rentabilitätssteigerung führte. Bis zum Jahr 2000 unterhielt die DB Fernverkehr ergänzend zu den ICE- und IC-Netzen auch ein Netz von 16 Interregio-Linien (IR), die kleinere Städte miteinander und mit den größeren verbanden. Die IR-Verbindungen waren jedoch nicht profitabel, sondern führten 2001 zu einem Verlust für die DB von 300 Millionen DM. [Schm01c] Dabei lag die Auslastung der IR-Züge bei nur 44 Prozent im Jahr 1992. Zudem näherte sich Anfang der 2000er Jahre die IR-Flotte dem Ende ihrer Lebensdauer und hätte in den nächsten Jahren erhebliche Kosten durch deren Modernisierung verursacht. [Klei01] Im Jahr 2000 kündigte die DB daher mit dem Modernisierungsprogramm Marktorientiertes Reisezugangebot an, den Betrieb zu reduzieren, und zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2002 wurde der IR-Verkehr nahezu vollständig eingestellt. [IGEB00] Der letzte IR-Zug fuhr im Mai 2006. Die wenig profitablen IR-Linien in eher dünn besiedelten Regionen wurden in der Folge durch Nahverkehrsangebote teilweise ersetzt, während einige stark frequentierte IR-Verbindungen durch IC- oder ICE-Angebote ersetzt wurden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die wirtschaftliche Sanierung der DB Fernverkehr AG ohne die Einstellung der IR-Linien nicht gelungen wäre.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Potenziale und Herausforderungen des Deutschland-Takts im Schienenpersonenfernverkehr (Stand des Wissens: 29.07.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?538968
Literatur
[BöMi16] Böttger, Christian, Mitusch, Kay Zur wirtschaftlichen Lage der DB AG, veröffentlicht in Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, Ausgabe/Auflage 87, 2016
[DB19g] Deutsche Bahn AG Konzern (Hrsg.) Daten und Fakten 2019, 2019
[DB20a] Deutsche Bahn AG Konzern (Hrsg.) Unsere ICE-Flotte, 2020
[DBFV19] DB Fernverkehr AG (Hrsg.) Geschäftsbericht 2019, 2019
[Ditt20] Dittrich, Oliver Deutsche Bahn hält ICE 1-Flotte auch nach fast 30 Betriebsjahren weiterhin fit, 2020/06
[IGEB00] IGEB MORA versetzt Interregios den Todesstoß - Private Anbieter als Retter? , veröffentlicht in Signal, Ausgabe/Auflage 8/2000, 2000
[Klei01] Klein-Arendt, Heinz 10 Jahre Interregio. Ein Erfolgszug auf dem Abstellgleis? , veröffentlicht in Eisenbahn-Kurier, Ausgabe/Auflage 321, 2001
[Lück20] Lücke, Hayo Bahn bestellt 30 neue ICE: Darum ist der Zug so besonders , 2020
[Schm01c] Schmid, Klaus-Peter Sanieren muss sein, veröffentlicht in Die Zeit, 2001
[WDR08] Westdeutscher Rundfunk (Hrsg.) Überfüllte Züge wegen verschärfter ICE-Kontrollen, 2008
Glossar
Personenkilometer
Die Einheit Personenkilometer [Pkm] beschreibt die im Rahmen einer Personenbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Verkehrsmenge (Summe der beförderten Personen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km.
Verkehrsarbeit [Pkm] = Verkehrsmenge [P] * Wegstrecke [km]
Deutschland-Takt Der Deutschland-Takt ist ein Ansatz zur netzweiten Optimierung des Schienenpersonenverkehrs in Deutschland. Den Kernpunkt bildet hierbei die Einführung eines Integralen Taktfahrplans (ITF), die notwendigerweise mit koordinierten Infrastrukturverbesserungen verbunden ist. Das Ziel soll eine Steigerung der Fahrgastzahlen durch ein attraktiveres, vertaktetes und gut verknüpftes Verkehrsangebot sowohl im Schienenpersonenfernverkehr als auch Schienenpersonennahverkehr sein.
Erneuerung Im Kontext der Straßenerhaltung bezeichnet der Begriff "Erneuerung" die vollständige Wiederherstellung einer Verkehrsflächenbefestigung oder von Teilen davon, sofern mehr als die Deckschicht betroffen ist. Bei der Bauwerkserhaltung beschreibt der Begriff den Ersatz von Bauteilen oder Bauteilgruppen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?538712

Gedruckt am Samstag, 27. April 2024 02:37:07