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Aufgaben der Akteure in der ÖPNV-Finanzierung

Erstellt am: 30.03.2021 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Die Europäische Union (EU) ist die oberste wettbewerbsregelnde Instanz, welche versucht, die wirtschaftsliberalen Ziele in den öffentlich organisierten Verkehrssektor hineinzuprojizieren. Die erlassenen Verordnungen gelten nicht nur für den nationalen Binnenlandverkehr, sondern sind auch im grenzüberschreitenden Verkehr für alle EU-Staaten gleichermaßen geltend und schaffen somit eine Vereinheitlichung der Strukturen. Auch durch EU-Mittel wird der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) gefördert und ausgebaut.
In Deutschland setzen die nationalen Gesetze des Bundes die EU-Verordnungen um. Es werden politische Rahmenbedingungen zur Entwicklung und Bedeutung des ÖPNV auf Bundes- und Landesebene vorgegeben. Zur Finanzierung des ÖPNV erhalten die Länder vom Bund Finanzmittel in unterschiedlicher Form.
Die Länder verteilen diese Mittel weiter an die nächstunteren Ebenen und stellen gegebenenfalls eigene Finanzmittel bereit. Sie tragen nach dem Regionalisierungsgesetz (RegG) zusätzlich die Aufgabenträgerschaft für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Einige Bundesländer finanzieren darüber hinaus landesbedeutende Buslinien [FGSV20].
Die kommunalen Gebietskörperschaften wie kreisfreie Städte, Landkreise und Gemeinden haben die Aufgabenträgerschaft für den öffentlichen Straßenpersonennahverkehr (zum Beispiel Busse und Straßenbahnen), sowie vereinzelt auch den SPNV. Die Organisation des ÖPNV auf lokaler Ebene ist sehr unterschiedlich gestaltet [FGSV20]. Wenn die kommunalen Gebietskörperschaften aber Aufgabenträger und gleichzeitig Gesellschafter der Verkehrsunternehmen sind, führt diese Doppelrolle zu Interessenkonflikten [Zepp08].
Die Aufgabenträgerschaft kann in Deutschland außerdem an Zweckverbände sowie Verkehrsverbünde abgegeben werden. Diese organisieren, planen und koordinieren als öffentliche Instanz zwischen kommunalen Institutionen den öffentlichen Verkehr nicht nur, sondern sie verteilen auch die finanziell verfügbaren Mittel.
Die Verkehrsunternehmen erbringen die Verkehrsleistungen. Damit haben sie bei eigenwirtschaftlichen Leistungen die finanzielle und unternehmerische Verantwortung gegenüber ihren Liniengenehmigungen und bei gemeinwirtschaftlichen Leistungen gegenüber den mit den Aufgabenträgern geschlossenen Verträgen. Sie setzen die Finanzmittel nach Maßgabe der vorgegebenen Rahmenbedingungen in Verkehrsleistungen um und sind damit die Ebene, auf deren Handlungen alle Rahmenbedingungen wirken.
Die Fahrgäste, also die Nutzer, sind die Kunden des ÖPNV-Systems. Anders als bei anderen Unternehmen des Dienstleistungssektors können die Nutzer im ÖPNV nicht vollständig zur Finanzierung beitragen. Die Organisation der ÖPNV-Finanzierung sowie die Festsetzung des Finanzierungsanteils durch die Nutzer berührt Aspekte der Wirtschafts- und Sozialpolitik und hat keineswegs nur eine verkehrspolitische Dimension [Ran13].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Zukünftige Finanzierung des ÖPNV (Stand des Wissens: 06.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?218979
Literatur
[FGSV20] Lothar H. Fiedler, Carsten Sommer, Oliver Dümmler, Ulrich-Karl Engel, Jürgen Gies, Stefan Groer, Franz Lambrecht, Thomas Petersen, Jochen Sauer, Gregor Waluga, Michael Wendt, Meinhard Zistel Hinweise zur Einführung und Anwendung neuer Finanzierungsinstrumente im ÖPNV, Ausgabe/Auflage 2020, FGSV-Verlag, Köln, 2020
[Ran13] Martin Randelhoff Die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in Deutschland: Struktur, Probleme und Alternativen, Technischen Universität Dortmund, Dortmund, 2013
[Zepp08] Alexander Eisenkopf, Carsten Hahn, Christian Schöbel Marktabgrenzung und Wettbewerb im Personenverkehr - zur Bedeutung des intermodalen Wettbewerbs aus der Perspektive des Schinenpersonenverkehrs, 2008
Glossar
Aufgabenträger
Aufgabenträger bestellen bei den Verkehrsunternehmen die im Rahmen der Daseinsvorsorge gewünschten Nahverkehrsleistungen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Im SPNV sind seit Bahnreform und ÖPNV-Regionalisierung im Jahr 1995/96 anstelle des Bundes die Länder für die Planung, Organisierung und Finanzierung verantwortlich. In einigen Ländern sind die Aufgabenträger für das gesamte Land zuständig, wie in Bayern, in anderen betreuen sie regional abgegrenzte Gebiete, wie in Nordrhein-Westfalen. Teilweise wird die Aufgabenträgerschaft den Verkehrsverbünden zugewiesen, wie in Hessen.
Die Aufgabenträgerfunktion für den straßengebundenen ÖPNV ist den Landkreisen oder kreisfreien Städten zugeordnet.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?519120

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 07:20:19