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Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen zur Finanzierung kommunaler Verkehrsinfrastruktur

Erstellt am: 08.01.2021 | Stand des Wissens: 08.01.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Die Einbeziehung von Steuermitteln als Finanzierungsgrundlage der Infrastrukturfonds oder Verkehrsinfrastrukturgesellschaften wirft erneut die Frage auf, wie diese Finanzierung verstetigt und von den Schwankungen der allgemeinen Haushaltslagen (Jährlichkeitsprinzip) isoliert werden kann. Eng mit dieser Frage verbunden ist die Frage nach der Kontrolle des Einsatzes dieser Steuermittel, denn die Parlamente entscheiden dann pauschal für die Zuwendung von Steuermitteln für den Verkehr und nicht mehr für einzelne Ausgabeposten. Aus ökonomischer Sicht stellt sich die Frage nach der Steuerung des effizienten Einsatzes der Mittel. Denn die Verkehrsinfrastrukturgesellschaften stellen große Institutionen dar, die über beträchtliche Mittel verfügen. Eine parlamentarische Kontrolle durch Entscheidung über einzelne Posten würde hier kaum helfen, es bedarf vielmehr benchmark-basierter Verfahren und Kosten-Nutzen-Angaben zur Prüfung des effizienten Einsatzes der Mittel in Hinblick auf den Gesamtzweck, die Aufrechterhaltung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur. [WBVM13] In Zusammenhang mit diesen Fragen wird der Einsatz von Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen (LuFV) diskutiert.
Seit 2009 wird die Finanzierung des Bestandnetzes der Eisenbahn in Form einer sogenannten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung geregelt. Diese langfristige vertragliche Regelung zwischen Bund und Deutsche Bahn AG (insbesondere auch DB Netz AG) hat das Ziel, die Erhaltung und Verbesserung des Zustands der Schienenwege voranzubringen. Statt einzelne Maßnahmen und Investitionsprogramme von Seiten des Bundes zu finanzieren, wird der DB Netz AG ein Infrastrukturbeitrag zur eigenverantwortlichen Verfügung bereitgestellt. Im Gegenzug verpflichtet sich das Unternehmen, Ersatzinvestitionen vorzunehmen, Instandhaltung zu betreiben und einen Eigenbeitrag für die Erhaltung und Modernisierung des Bestandnetzes einzusetzen. Der Zustand der Infrastruktur wird gesamthaft anhand von Qualitätskennzahlen erfasst und bei Nichteinhaltung der vereinbarten Standards sanktioniert. [zlise[legislation]:515876]
Das Konzept der LuFV hat aus ökonomischer Sicht einige Vorteile gegenüber der Finanzierung von Einzelmaßnahmen. Durch die vertragliche Verpflichtung des Bundes erhält der Infrastrukturbetreiber eine langfristig stabile Planungsgrundlage. So können der Mitteleinsatz durch die Lebenszyklusbetrachtung der Infrastruktur optimiert werden und die Transaktionskosten verringert werden. Die Kontrolle bezieht sich nicht mehr auf die Erstellung der einzelnen Anlagen, die vom Bund finanziert wurden, sondern die Qualitätskennzahlen und Sanktionen der LuFV beziehen sich auf das angestrebte Ziel der Finanzierung selbst, nämlich den Gesamtzustand der Infrastruktur.
Vor diesem Hintergrund werden zwei unterschiedliche Modelle diskutiert, wie eine Form der LuFV auch in der Beziehung zwischen den Kommunen und den Infrastrukturbetreibern im öffentlichen Personennahverkehr Anwendung finden kann. Die integrierte Option sieht die Bewirtschaftung der Infrastruktur durch das Verkehrsunternehmen selbst vor. Bei der getrennten Option übernimmt diese Aufgabe eine eigenständige Infrastrukturgesellschaft. [KuPe08]
Ein Beispiel für die Umsetzung einer getrennten LuFV ist die Errichtung der Infrastrukturgesellschaft infra 2001 in Hannover. Diese hat die Hauptaufgabe der Bewirtschaftung der Infrastrukturanlagen der Stadtbahn Hannover. Hierfür wurde ein Leistungskatalog definiert, der Verfügbarkeiten und Reaktionszeiten beinhaltet. Die infra erhält im Gegenzug eine pauschalierte Vergütung. Die getrennte Lösung manifestiert sich darin, dass ein separater Dienstleistungsvertrag mit einem Verkehrsunternehmen geschlossen wurde, der hannoverschen üstra. [INFRA18]
Auch die Beziehung zwischen dem Bund und einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft, wie sie diskutiert wird, könnte durch eine LuFV geregelt werden. Sie wäre das vertragliche Vehikel, um Steuermittel langfristig für den Verkehr zu widmen. Dies stellt zudem eine Möglichkeit dar, die Kontrolle dieser Gesellschaft mit Qualitätsindikatoren und Sanktionen adäquat zu gestalten. Allerdings ist in dieser Hinsicht festzustellen, dass das Urbild die LuFV mit der DB AG dafür kritisiert wird, dass Qualitätsindikatoren und Sanktionen gerade nicht adäquat ausgestaltet seien, um den effizienten Einsatz der Mittel sicherzustellen. [BRH18]
Qualitätsindikatoren und Sanktionen sollten daher bei einem Verkehrsinfrastrukturfonds beziehungsweise einer Verkehrsfinanzierungsgesellschaft mit Bedacht gewählt werden. Weitergehend könnten LuFV auch im Verhältnis zwischen der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft zu den Kommunen oder deren Infrastrukturbetreibern eingesetzt werden.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Kommunale Verkehrsinfrastruktur: Finanzierungsbedarf und -quellen und institutionelle Reformoptionen (Stand des Wissens: 07.01.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?516030
Literatur
[BRH18] Bundesrechnungshof (Hrsg.) Bericht über die Ziele des Bundes bei den Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG über eine dritte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die bestehende Eisenbahninfrastruktur, 2018/02
[INFRA18] infra Infrastrukturgesellschaft Region Hannover GmbH (Hrsg.) Die Aufgaben der infra, 2018/03
[KuPe08] Kühl, Ingo, Peterson, Thomas Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen für die ÖPNV Infrastruktur, 2008/06
[WBVM13] Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) Verkehrsfinanzierungsreform - Integration des kommunalen Verkehrs, 2013
Rechtsvorschriften
[EBA09a] Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung
Glossar
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung
Bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) handelt es sich um ein Vertragswerk zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes (DB Netz AG, DB Station&Service AG, DB Energie GmbH). Gegenstand sind Maßnahmen, die der Erhaltung und Verbesserung des Zustands der Schienenwege des Bundes dienen (Ersatzinvestitionen und Maßnahmen der Instandhaltung).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Instandhaltung
Im Kontext des Erhaltungsmanagements bezeichnen die Begriffe "Instandhaltung" und "bauliche Unterhaltung" bauliche Maßnahmen kleineren Umfangs zur Substanzerhaltung von Verkehrsflächen, die mit geringem Aufwand in der Regel sofort nach Auftreten eines örtlich begrenzten Schadens ausgeführt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?516227

Gedruckt am Dienstag, 23. April 2024 18:32:29