Straßenbenutzungsgebühren
Erstellt am: 07.01.2021 | Stand des Wissens: 07.01.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Unter dem Begriff der Straßenbenutzungsgebühren werden alle Instrumente zur Bepreisung der Nutzung der Straßeninfrastruktur verstanden. Hierbei wird Grundsätzlich zwischen strecken- und zeitabhängigen Erhebungsformen unterschieden.
Zeitabhängige Gebühren werden auf den Fernstraßen einiger Nachbarländer, wie Österreich und der Schweiz, in Form einer Vignette erhoben. Mit der Infrastrukturabgabe wurde der Versuch unternommen, eine zeitabhängige Pkw-Maut für die Nutzung der Bundesautobahnen einzuführen; diese wurde jedoch nach Klagen europäischer Nachbarländer vom Europäischen Gerichtshof im Sommer 2019 gestoppt. Im kommunalen Kontext wurde eine zeitabhängige Maut noch nicht diskutiert.
Streckenabhängige Gebühren, die direkt beim Befahren von Streckenabschnitten kassiert werden, werden beispielsweiße auf einigen Fernstraßen in Frankreich und Italien genutzt. In Deutschland ist diese Finanzierungsform im Rahmen der F-Modelle für Bundesfernstraßen möglich, wird aber nur selten eingesetzt (Beispiel Herrentunnel in Lübeck). In engmaschigen kommunalen Verkehrsnetzen ist eine selektive Bepreisung einzelner Strecken wegen der vielen Umgehungsmöglichkeiten ungeeignet.
Die GPS-basierte deutsche Lkw-Maut stellt die technologisch fortschrittlichste Form streckenabhängiger Straßenbenutzungsgebühren dar, die derzeit im großen Stil im Einsatz ist. Die Lkw-Maut wird nur für die Nutzung der Bundesfernstraßen erhoben und für deren Finanzierung verwendet. Denkbar wäre aber eine Ausweitung auf Landes- und Gemeindestraßen mit entsprechender Verwendung der dort erhobenen Einnahmen für diese Straßen, denn das technische System der Lkw-Maut erlaubt eine solche Zuordnung. [WBVM13]
Als bereits bestehende, indirekte Nutzungsgebühren können die Kraftfahrzeugsteuer und die Energiesteuer auf Benzin und Diesel interpretiert werden. Zwar sind Einnahmen aus Steuern grundsätzlich nicht zweckgebunden (Non-Affektationsprinzip), doch werden diese beiden Steuern als Finanzierungsgrundlage des Straßensystems interpretiert und begründet. Ihre Einnahmen sind auch teilweise dem Verkehr gewidmet. Bei ihnen verschwimmt somit die sonst übliche Unterscheidung zwischen Steuer- und Nutzerfinanzierung des Verkehrs. [WBVM13] Beide Steuern sind derzeit reine Bundessteuern, doch da ein Teil der Fahrleistung der besteuerten Fahrzeughalter auf kommunalen Straßen erbracht wird, wäre eine Beteiligung der Kommunen an diesen Steuereinnahmen grundsätzlich zu rechtfertigen. [MaBu]
Im kommunalen Kontext werden bisher, mit Ausnahme der Parkgebühren, keine direkten Gebühren für die Nutzung der Straßeninfrastruktur erhoben. Aus gesamtverkehrlicher Sicht wären Nutzergebühren, über die von den Kommunen oder Ländern eigenmächtig entschieden werden kann, auch nicht ganz unproblematisch, da sie mit übergeordneten Verkehrsbedürfnissen kollidieren könnten. Andererseits kann bezweifelt werden, ob dieses Problem wirklich relevant wäre, angesichts des engmaschigen Netzes von Bundesfernstraßen, welches die übergeordneten Verkehrsbedürfnisse erfüllt (einige Bundesstraßen erfüllen sogar die Funktion von Landes- oder gar Gemeindestraßen).
Für Kommunen innerhalb der deutschen Verdichtungsräume steht im Zusammenhang mit der Einführung von Straßenbenutzungsgebühren ein weiteres Instrument in der Diskussion. Die sogenannte City-Maut wird bereits für die Einfahrt in einige europäische Großstädte zeitabhängig erhoben. Neben der Finanzierungswirkung wird hierdurch insbesondere das Ziel der Verkehrslenkung verfolgt. So konnte in London nach Einführung einer derartigen Nutzungsgebühr eine Staureduktion von 30 Prozent gemessen werden. In Mailand und Stockholm konnte eine signifikante Verbesserung der innerstädtischen Luftqualität nach Einführung von City-Maut-Systemen erreicht werden. [EPOM15] Damit ist die City-Maut ein wirksames Instrument der Verkehrslenkung. Ihre Finanzierungswirkung ist jedoch schon aufgrund ihrer begrenzten Einsatzmöglichkeit für die Gesamtheit der Kommunen als eher gering einzuschätzen.