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Internationale Erfahrungen zur kommunalen Verkehrsinfrastrukturfinanzierung

Erstellt am: 07.01.2021 | Stand des Wissens: 07.01.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Die Herausforderung, eine leistungsfähige Straßeninfrastruktur und einen effizienten öffentlichen Personennahverkehr bereitzustellen, besteht nicht nur in Deutschland, sondern ebenso in vielen europäischen Nachbarländern und ist auch auf anderen Kontinenten ein vielbesprochenes Thema. Neben ökologischen Fragestellungen zur Ausgestaltung des Verkehrs der Zukunft, welche international diskutiert werden, gibt es für die Kommunen weltweit weitere spezifische Verkehrsprobleme, für die die Politik der jeweiligen Länder nach Antworten suchen.
Die starke Fokussierung auf den motorisierten Individualverkehr in den Industriestaaten hat in einigen Fällen zu massiven täglichen Verkehrsproblemen in und um die Millionenstädte geführt. So stehen die Einwohner von Los Angeles laut einer Studie jährlich den Rekordwert von 102 Stunden im Stau. [Cook18] Ebenfalls in den USA finden sich Beispiele eines drastischen Verfalls der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur. So waren 2017 in New York von 468 Stationen der U-Bahn lediglich 26 in einem insgesamt guten Zustand, und wochentags erreichten nur 65 Prozent der Züge ihre Ziele pünktlich. [DiBl20] Nachdem im selben Jahr bei einer Entgleisung 39 Personen verletzt wurden, rief der Gouverneur den Notstand für die U-Bahn aus. [Fitz17]
Die verkehrsbedingte Luftverschmutzung in den Städten hat hierzulande den Begriff des Feinstaubalarms geprägt. Wohin diese Entwicklung führen kann, zeigen insbesondere Metropolen auf dem asiatischen Kontinent. In der indischen Hauptstadt Neu-Delhi gehörten schon vor der Corona-Pandemie Atemmasken zum Alltag. Im World Air Quality Report von 2018 belegt die indische Stadt Platz 1 der am stärksten von Feinstaub belasteten Hauptstädte. [IQAir18]
Im Gegensatz zu diesen Negativbeispielen gibt es im internationalen Vergleich jedoch auch Vorbilder, aus deren Erfahrungen Deutschland lernen könnte. Weltweit als Spitzenreiter des ÖPNV gilt Hongkong. Der dortige Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen von über 90 Prozent, mit täglich 11 Millionen Fahrten bei einer Pünktlichkeit von 99 Prozent und einem Kostendeckungsgrad von 186 Prozent rechtfertigen diesen Ruf. [Rand14a] Auch innerhalb Europas finden sich Beispiele gelungener Verkehrspolitik. In Frankreich wurde mit dem Versement Transport bereits in den 70er Jahren ein innovatives System der Drittnutzerfinanzierung eingeführt. Diese Arbeitgeberabgabe wird zweckgebunden für die Infrastruktur oder den Betrieb des ÖPNV eingesetzt und ermöglicht den Verkehrsunternehmen über ein langfristig festes Budget, unabhängig von Haushaltsverhandlungen zu verfügen. Die Schweiz zeigt seit 1982, wie im Schienenpersonen(nah)verkehr ein flächendeckender Taktfahrplan funktionieren kann, und in Österreich werden mit dem Wiener Modell neue Wege der Stadtplanung gegangen.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Kommunale Verkehrsinfrastruktur: Finanzierungsbedarf und -quellen und institutionelle Reformoptionen (Stand des Wissens: 07.01.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?516030
Literatur
[Cook18] Cookson, Graham INRIX Global Traffic Scorecard, 2018/02
[DiBl20] DiNapoli, Thomas, Bleiwas, Kenneth NYC Subway Station Conditions, 2019/08
[Fitz17] Fitzsimmons, Emma Cuomo Declares a State of Emergency for New York City Subways, 2017/06/29
[IQAir18] IQAir AG (Hrsg.) 2018 World Air Quality Report, 2018/04
[Rand14a] Randelhoff, Martin ÖPNV mit asiatischem Anspruch, 2014/03/22
Glossar
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?516090

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 03:56:39