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Zuständigkeiten für die Verkehrsinfrastrukturfinanzierung im föderalen System

Erstellt am: 07.01.2021 | Stand des Wissens: 07.01.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein föderaler Staat. Dieses Organisationsprinzip wurde 1949 verfassungsrechtlich im Grundgesetz verankert (Artikel 20 I). Sowohl die Länder als Gliedstaaten wie auch der Bund als Gesamtstaat besitzen eine eigene Staatsgewalt. Die Ausübung dieser Staatsgewalt ist durch das Grundgesetz geregelt. Dabei wird von einer grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder ausgegangen (Artikel 30, 70, 83). Der Bund besitzt dagegen nur Kompetenzen, wenn sie ihm im Grundgesetz ausdrücklich zugewiesen werden. Diese sind hauptsächlich im Artikel 73 aufgeführt und beinhalten beispielsweise die Landesverteidigung, Währungs- und Geldfragen oder die Staatsangehörigkeitsregelungen.
Die Kommunen sind staatsorganisationsrechtlich Teile der Länder und damit keine dritte Ebene im föderalen Staatsaufbau. Sie besitzen mit dem verfassungsrechtlich garantierten Recht der Selbstverwaltung jedoch eine gewisse Eigenständigkeit und sind mit zahlreichen gesetzlich zugewiesenen staatlichen Aufgaben betraut. [BMI20a] Zu diesen Aufgaben gehören der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) und die kommunale Straßenbaulast, das heißt die Verantwortung für Bau, Betrieb und Unterhaltung der kommunalen Straßeninfrastruktur. Zu dieser zählen zunächst die Kreis- und Gemeindestraßen. Das Bundesfernstraßengesetz überträgt außerdem die Baulast der Bundesfernstraßen für Ortsdurchfahrten von Gemeinden mit mehr als 80.000 Einwohnern auf die jeweilige Gemeinde. Der ÖPNV wird in Deutschland in zwei Bereiche untergliedert, den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und den öffentlichen Straßenpersonenverkehr (ÖSPV). Für den SPNV, also den Eisenbahnverkehr mit Reiseweiten von bis zu 50 Kilometern beziehungsweise Reisezeiten von unter einer Stunde, sind die Länder zuständig und erhalten dafür vom Bund besondere Gelder, die Regionalisierungsmittel. Der ÖSPV, also der kommunale Verkehr mit Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen, ist in allen Bundesländern der kommunalen Ebene zugeordnet.
Der Bund stellt den Ländern mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) Mittel für die Verteilung an die Kommunen bereit. Das erklärte Ziel dieses Gesetzes ist es, durch diese Finanzhilfen die Verkehrsverhältnisse in den Kommunen zu verbessern, und tatsächlich sind die GVFG-Mittel das wichtigste Fördermittel für die kommunale Verkehrsinfrastruktur. Die Länder sind für die Verteilung der Mittel an die Kommunen zur Realisierung von Großvorhaben im ÖPNV verantwortlich. Ab einer Fördersumme von 30 Millionen Euro werden diese Projekte zu 60 Prozent vom Bund finanziert, während jeweils 20 Prozent der Kosten von den Ländern und Kommunen getragen werden müssen.
Die Föderalismusreform von 2006 verfolgte unter anderem das Ziel, die direkten Finanzbeziehungen zwischen Bund und Gemeinden zu kappen oder zu reduzieren, um so die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern zu entflechten. Das GVFG stellte in dieser Sichtweise einen Störfaktor dar und deshalb wurde seine Abschaffung beschlossen. Als Übergangslösung wurde es für den Zeitraum 2007 bis 2019 durch das Entflechtungsgesetz teilweise ersetzt, mit welchem der Bund den Ländern bis Ende 2019 entsprechende Mittel für die Förderung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stellte. Ab 2020 sollten die Länder mehr Mittel aus dem Mehrwertsteueraufkommen erhalten und die Förderung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur übernehmen. [BReg17] Im Jahr 2019 wurde diese Entscheidung jedoch revidiert, indem eine Fortführung und sogar Erhöhung der Mittel des GVFG beschlossenen wurde, während gleichzeitig auch an dem erhöhten Anteil der Länder an dem Mehrwertsteueraufkommen festgehalten wurde.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Kommunale Verkehrsinfrastruktur: Finanzierungsbedarf und -quellen und institutionelle Reformoptionen (Stand des Wissens: 07.01.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?516030
Literatur
[BMI20a] Bundesministerium des Innern (Hrsg.) Föderalismus und Kommunalwesen, 2020
[BReg17] Bundesregierung (Hrsg.) Gut angebunden mit Bus und Bahn, 2017
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
GVFG GFVG ist die Abkürzung von "Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz". Der ausführliche Gesetzestitel lautet: "Die Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinde" Im Rahmen des GVFG fördert der Bund Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden. Der Umfang der Bundesmittel ist gesetzlich auf 1.667 Millionen Euro jährlich begrenzt. Die Mittel werden nach einem Schlüssel auf die Länder verteilt. Förderbereiche des GVFG sind:
  • der kommunale Straßenbau (insbesondere Bau und Ausbau verkehrswichtiger innerörtlicher Straßen und Zubringerstraßen zum überörtlichen Verkehrsnetz, Omnibusspuren, Verkehrsleitsysteme, Kreuzungsmaßnahmen im Bereich von Eisenbahnen und Bundeswasserstraßen)
und
  • der öffentliche Personennahverkehr (insbesondere Bau und Ausbau von Straßen-, Hoch- , Untergrundbahnen. Nichtbundeseigenen Eisenbahnen, zentrale Omnibusbahnhöfe, Betriebsleitsysteme)
Über die Verwendung der Mittel werden Berichte erstellt. Quellen:
  • Gesetzestext
  • www.bmvbs.de/Verkehr/Oeffentlicher-Personennahverke-,1493/Gemeindeverkehrs-finanzierung.htm [dieser Link muss in die Adresszeile des Browsers kopiert werden]
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
Das 1971 in Kraft getretene Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) regelt die Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden. Gefördert werden verschiedene Baumaßnahmen von Bahnen (besonders Eisenbahnen, Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen), wobei diese dem öffentlichen Personennahverkehr dienen müssen. Voraussetzung für die Förderung ist vor allem ein Kosten-Nutzen-Faktor über 1,0 im Rahmen der Standardisierten Bewertung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?516068

Gedruckt am Freitag, 26. April 2024 18:56:06