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Schiffsantrieb und -maschine autonomer Schiffe

Erstellt am: 07.09.2020 | Stand des Wissens: 05.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die Antriebstechnik eines Schiffes ist entscheidend für dessen Manövrierfähigkeit und somit auch unmittelbar für die Betriebssicherheit. Die Anlagen an Bord eines Schiffes, wie beispielsweise Schiffsantriebsmaschinen, Hilfsmaschinen, Generatoren zur Stromerzeugung, Separatoren, Pumpen oder Kühlsysteme, sind komplex und wartungsintensiv. Daher hat jede Schiffsbesatzung von Handelsschiffen Maschinenpersonal. Bei reduzierter oder fehlender Besatzung, wie es in der automatisierten Schifffahrt angestrebt wird, ist daher die Zuverlässigkeit der fahrzeugseitigen Maschinensysteme entscheidend, um ein akzeptables Maß an Sicherheit zu erreichen. Um die Redundanz, die für die allgemeine Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit erforderlich ist, zu bestimmen, kann das Niveau der funktionalen Sicherheit kategorisiert werden. Eine solche Kategorisierung des Redundanzniveaus und der Fehlertoleranz sowie der Funktionalität für konventionelle, bemannte (Level FT 0) und gänzlich unbemannte Schiffe (Level FT 5) ist in Tabelle 1 dargestellt. Hierbei beziehen sich Level FT 0 und FT 1 auf konventionell bemannte bis teilbemannte Schiffe, Level FT 2 und FT 3 auf ferngesteuerte Schiffe, während Level FT 4 und FT 5 die erforderlichen Redundanzen für ferngesteuerte hin bis zu vollständig autonomen Schiffen beschreiben [DTU16, S. 37].
level der fehlertoleranz.pngTabelle 1: Level der Fehlertoleranz und der Redundanz eines Schiffsantriebs [DTU16, S. 7]
Schiffsmotoren, die in der Hochseeschifffahrt üblicherweise mit Schweröl betrieben werden, sind wartungsintensiv. Ohne eine Besatzung, die diesen Schiffsmaschinen kontinuierlich wartet und überprüft, ist ein Maschinenausfall wahrscheinlich [SMN18]. Da diese Wartung auf einem unbemannten Schiff nicht gegeben ist, werden alternative Antriebe, wie beispielsweise batteriebetriebene Motoren, für den Einsatz in der unbemannten Schifffahrt erforscht und in Testprojekten erprobt. Bislang werden auf konventionellen Handelsschiffen für den Hauptantrieb keine batteriebetriebenen Motoren eingesetzt. Methoden zur Erreichung der Zuverlässigkeit von Akkus als Schiffsantrieben und -maschinen werden seit dem Jahr 2014 in dem Projekt ReVolt der Klassifikationsgesellschaft DNV GL untersucht. In dem Projekt ReVolt wird das Schiff von Akku-gespeisten Elektromotoren und zwei Propellern angetrieben. Durch die zweifache Ausführung des Antriebs ist das Schiff im Falle des Ausfalls eines Antriebs noch manövrierfähig. Im Rahmen des Projektes wurden die Vor- und Nachteile eines Batterieantriebes für autonom fahrende Schiffe untersucht. Auf der einen Seite ist der Batterieantrieb im Vergleich zu herkömmlichen Schiffsmotoren wartungsarm, hat geringere Betriebskosten und keine direkten Kohlenstoffdioxidemissionen. Auf der anderen Seite stehen die hohen Investitionskosten bei der Anschaffung der Batterien sowie, dass es sich bei Batterien um eine wenig bewährte Technologie für den Antrieb von konventionellen Handelsschiffen handelt [DNV15].

Ein weiteres Projekt nutzt ebenfalls akkubetriebene Elektromotoren für den Antrieb eines autonomen Schiffes, um die Wartungsintensität von Schiffsmotoren zu reduzieren. Das norwegische Feeder-Schiff Yara Birkeland, das im Jahr 2020 im Auftrag des norwegischen Düngemittelherstellers Yara gebaut wurde, ist vollständig akkubetrieben und soll zukünftig unbemannt fahren. Ziel des Projektes ist das Einsparen von Emissionen und somit der umweltfreundliche Transport von Gütern [Yara18; S&H20]. Seit April 2022 befindet sich das Schiff im bemannten Testbetrieb [ARD22a].

Durch einen unbemannten Betrieb von Schiffen kann die Antriebsanlage und das Design der Schiffspropeller anders ausgelegt werden. Befinden sich keine Personen an Bord, können größere Vibrationen und Geräuschentwicklungen durch den Schiffsantrieb zugelassen werden. So kann das Design des Propellers und der Antriebsanlage effizienter oder kostengünstiger gestaltet werden. Dennoch gibt es auch hier limitierende Faktoren. Es muss darauf geachtet werden, dass die durch den Propeller verursachten Vibrationen nicht die Funktion anderer an Bord befindlicher Systeme beeinflussen. Ebenso sollte wie bei konventionellen Schiffen Kavitation, die Bildung von dampfgefüllten Hohlräumen, die zur Erosion des Propellers führt, durch ein gutes Propellerdesign verhindert werden [Kous18, S. 9].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nutzen und Herausforderungen der autonomen Schifffahrt (Stand des Wissens: 05.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?512542
Literatur
[ARD22a] Tagesschau Ohne Diesel und Kapitän an Bord, 2022
[DNV15] Hans Anton Tvete Unmanned Vessels - The DNV GL "Revolt" Project, 2015/09/16
[DTU16] Mogens Blanke, Michael Henriques, Jakob Bang A pre-analysis on autonomous ships, 2016
[Kous18] Kourosh Koushan Ship Design Aspects of Unmanned and Autonomous Vessels, 2018
[S&H20] Schiff&Hafen Vard liefert "Yara Birkeland" ab, 2020
[SMN18] Torgeir Willumsen,, Vogt Simonsen A commercial reality check for autonomous shipping in 2018 , 2018/03/06
[Yara18] Yara International ASA (Hrsg.) YARA selects Norwegian shipbuilder VARD for zero-emission vessel Yara Birkeland, 2018/08/15
Glossar
Feederverkehr Unter „Feederverkehr” versteht man den Zubringer- bzw. Verteilverkehr, z.B. den straßenseitigen Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr Straße-Schiene. Ausgeprägte Feederverkehre finden sich in der Seeschifffahrt, in der die Hub-Häfen der interkontinentalen Verkehre über Feederlinien mit kleineren Schiffen ein größeres Einzugsgebiet erschließen
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?512982

Gedruckt am Dienstag, 16. April 2024 08:31:37