Der Zusammenhang zwischen Walkability und Bewegung zu Fuß
Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 15.01.2025
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Das Zufußgehen ist für Menschen die natürlichste und grundsätzlichste Form der Fortbewegung, die sowohl im Zusammenhang von Umwelt- und Klimaschutz als auch in Bezug auf soziale Teilhabe und Gesundheitsförderung wieder zunehmend Beachtung findet. So empfiehlt auch die World Health Organisation ihren Mitgliedsstaaten, das Zufußgehen stärker zu fördern. [WHO010]
Das Konzept der Walkability beschreibt in diesem Zusammenhang sowohl das Ziel einer verbesserten Fußgängerfreundlichkeit von Siedlungseinheiten wie Stadtvierteln, Stadtzentren oder auch ganzen Kommunen als auch die Kriterien, die eine solche ausmachen [Tran18] . Der Begriff meint zu Deutsch in etwa Begehbarkeit. Es wird davon ausgegangen, dass eine Verbesserung der Walkability Menschen dazu animiert, mehr Wege zu Fuß zurück zu legen, was idealerweise positive Effekte auf ihre Gesundheit und durch die Vermeidung motorisierter Mobilität auch auf die Umwelt hat: "Walkability wird als ein Schlüssel zu alltagsnaher Bewegungsförderung gesehen und damit aus der Gesundheitsförderungsperspektive auch als essenzielles Element einer integrierten Verkehrspolitik postuliert." [FRAH18, Seite 399]. Durch positive Rückkoppelung kann eine empfundene Verbesserung der sozialen Sicherheit (mehr Menschen auf der Straße) und der räumlichen Qualität (weniger motorisierter Verkehr) wiederum weitere Fußgänger aktivieren. Auf einer konzeptionellen Ebene kann Walkability auch die (politische) Orientierung auf Fußgängerfreundlichkeit auf kommunaler Ebene bezeichnen. [FRAH18] Im Folgenden liegt das Augenmerk jedoch auf stadträumlichen Aspekten.
Im Jahr 1997 definierte der Bericht "Putting London back on its feet A Strategy for Walking in London" [TAYL97] für die britische Hauptstadt erstmals Kriterien für ein qualitätsvolles Angebot für Fußgänger, die sogenannten 5 Cs: connected (zusammenhängend), convenient (zweckmäßig), comfortable (komfortabel), convivial (einladend) und conspicuous (gut lesbar). Diese Kriterien beinhalten einen Großteil dessen, was noch immer als Grundanforderungen für fußgängerfreundliche Infrastruktur formuliert wird [WUDL15]. Sie beziehen sich jedoch in der Hauptsache auf das Fußgängernetz als solches und berücksichtigen nicht den stadträumlichen Zusammenhang, in den es eingebettet ist. Die heutige Operationalisierung von Walkability geschieht über weiterreichende Indizes. Sie sind dazu gedacht, bestehende Raumeinheiten sowie geplante verkehrs- und stadtplanerische Maßnahmen auf ihre Walkability hin untersuchen und bewerten zu können [FSSL10, SDSM16]. Für die USA existiert ein von Regierungsseite zur Verfügung gestellter, landesweiter Walkability Index auf Basis der statistischen Raumeinheit Block Group (zwischen 600 und 3000 Einwohner), die auch im alle zehn Jahre stattfindenden Zensus verwendet wird. Der Index basiert auf den folgenden Charakteristika: Straßenkreuzungen pro Acre (ca. 4050m²), Distanz zum nächsten Schienenhaltepunkt, Arbeitsplatzdiversität (Handel, Büro, Industrie) und Nutzungsmischung [USEP18]. Im Rahmen einer Untersuchung der Walkability der Stadt London wurde ein Index getestet, der sowohl die Konnektivität des Straßennetzes als auch die Dichte von Wohneinheiten und die Nutzungsmischung quantifiziert (Wohnen, Einzelhandel, Büros, Gesundheits- und kommunale Dienstleistungen, Unterhaltung und Freizeit). Die Methodik war relativ aufwendig, der Index zeigte jedoch eine sehr gute Übereinstimmung mit der Frequenz des Zu-Fuß-Gehens in den untersuchten Gebieten. [SDSM16]. Die Verwendung solcher Werkzeuge kann also helfen, bestehende stadtstrukturelle Probleme im Bereich Fußgängerfreundlichkeit zu identifizieren, Verbesserungen zu entwickeln und Planungen auf ihre Walkability hin zu überprüfen.
Auf der Detailebene sollte jedoch der spezifischen Ausgestaltung des Fußwegenetzes genauso viel Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dazu gehören beispielsweise die Gestaltung der Oberflächen, die Verfügbarkeit von Sitzgelegenheiten und (überdachten) Aufenthaltsflächen, eine gute Beleuchtung und allgemeine Barrierefreiheit. [WUDL15]
Eingedenk der Tatsache, dass über die Hälfte aller Wege, die in Deutschland mit dem Auto gefahren werden, unter 5 Kilometer lang sind und fast ein Viertel unter 2 Kilometer [INDI10] ist von einem relativ hohen Verlagerungspotenzial (auch) zum Fußverkehr auszugehen. Eine Steigerung der Walkability kann mithin in vielen Städten über mehr körperlicher Aktivität und verminderter Umweltschäden zu einer Verbesserung von Wohlbefinden und Gesundheit führen.