Soziale Aspekte der Verkehrslärmbelastung
Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 15.01.2025
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Aus der Perspektive der Umweltgerechtigkeit (UG) wird die Frage gestellt, ob Lärm als ein gesundheitsrelevanter Umweltstressor sozialräumlich ungerecht verteilt ist, ob also bestimmte Bevölkerungsgruppen überproportional stärker belastet sind als andere.
Lärm ist ein subjektives Phänomen, das sich aus dem Empfinden bzw. der Bewertung von Schallerlebnissen ergibt. Die Maßeinheit Dezibel (dB(A)) beschreibt Schalldruckpegel gewichtet mit Bezug auf das menschliche Gehör, wobei 0 dB(A) als die Untergrenze der Wahrnehmbarkeit definiert ist und circa 120 dB(A) als die Schmerzschwelle. Ab circa 150 dB(A) können auch schon bei einmaliger Einwirkung Hörschäden entstehen. [BZGA06] Besonders, wenn sie dauerhaft und nachts auftritt, was bei betroffenen Wohnstandorten häufig der Fall ist, kann Verkehrslärmbelastung aber zusätzlich zu Belästigung auch schon ab etwa 45 dB(A) gesundheitliche Schäden verursachen. Dazu gehören Herz-Kreislauferkrankungen, ein erhöhtes Depressionsrisiko (besonders für Frauen), chronische Schlafstörungen sowie vermehrte Arzneimitteleinnahme. [BAWO04, BAWO06, GRGR10, KOBO11]
In Erfüllung der Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2002/49/EG) werden in Deutschland seit 2007 in Fünfjahresabständen Lärmkarten für die Schallquellen Straßenverkehr, Schienenverkehr, Luftverkehr und Industrie- und Gewerbe erstellt. Dafür ist die Lärmbelastung anhand der beiden Indizes LDEN und LNight jeweils in 5dB(A) Schritten darzustellen (LDEN : >55 bis >75dB(A); LNight: > 45 bis >70). [LAI22] Im Zuge der strategischen Lärmkartierung müssen die zuständigen Behörden auch die Anzahl der jeweils an ihrem Wohnort von unterschiedlichen Schalldruckpegeln betroffenen Personen benennen. Eine Gesamtübersicht für Deutschland findet sich in Abbildung 1 (Stand 2024)
![Abb. 1: Belastung der Bevölkerung durch Verkehrslärm nach Umgebungslärmrichtlinie in der Umgebung von Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken, Großflughäfen und in Ballungsräumen [Eintrag-Id:491135] Laermkarte24.png](/servlet/is/507170/Laermkarte24.png)
Aus einer Erhebung für das Umweltbundesamt (UBA) geht hervor, dass in bei annähernd 100 Prozent von 1774 Meldungen der Länder zur Lärmaktionsplanung (Stichtag 30.11.2020) Straßenverkehrslärm als die Hauptlärmquelle benannt wurde [Hein21]. Dieselbe Studie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass aufgrund der geltenden Vorschriften für die Lärmkartierung diese nur einen geringen Anteil der Menschen erfasst, die sich laut repräsentativer Umfragen des Umweltbundesamts (UBA) [RuFr20] in 2018 durch Lärm aus dem Straßenverkehr mindestens "etwas belästigt" gefühlt haben. Gleiches gilt für Schienen- und Luftverkehr.
Zudem geben diese Statistiken keine Auskunft darüber, wie die Lärmbelastung innerhalb der Bevölkerung verteilt ist. Diesbezüglich haben jedoch verschiedene UG-Studien in Deutschland eine sozialräumliche Ungleichverteilung nachgewiesen. Dabei hat die Forschung lange mit subjektiven Sekundärdaten aus Befragungen gearbeitet, in denen die Befragten z.B. Auskunft zur Verkehrs-belastung ihres Wohnorts, zu ihrer Lärmbelastung und zu ihrem gesundheitlichen Wohlbefinden geben sollten (vgl. Literaturschau von [BOKO08] sowie [BUKA09]). Es wurden unter anderem Zusammenhänge von niedrigen Haushaltseinkommen und Migrationshintergrund mit höherer Lärmbelastung festgestellt. Diese Ergebnisse wurden auch durch eine Primärstudie von Köckler et al. [KKKK08] In Kassel bestätigt, die subjektive und objektive Belastungsindikatoren miteinander kombiniert hat (Wahrnehmung von Umweltbelastungen, Messungen von Schallimmissionen) [KKKK08]. Auch für Hamburg [GAFF11] und Berlin [BETH15] wurden sozialräumliche Ungleichheiten bei der Verkehrslärmbelastung anhand objektiver Indikatoren den für strategischen Lärmkarten modellierten Schallimmissionen nachgewiesen.