Mobilitätsverhalten: Einflussfaktoren und Auswirkungen
Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 15.01.2025
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Der Begriff Mobilitätsverhalten bezeichnet die Entscheidungen, die Menschen einzeln, als Gruppen oder gesamtgesellschaftlich bezüglich ihrer Bewegung im Raum treffen. Er bezeichnet, welche Wege sie zurücklegen, welche Verkehrsmittel sie dafür nutzen und wann sie unterwegs sind. In erster Linie wird das Mobilitätsverhalten und somit auch die gesellschaftliche Teilhabe von den verfügbaren Mobilitätswerkzeugen bestimmt. Auto fahren kann nur, wer einen Führerschein und Zugriff auf ein Auto hat (besitzen, leihen, mieten). Den öffentlichen Nahverkehr kann man nur nutzen, wenn es ein Angebot gibt, das erreichbar, leistbar und für den Weg, den man zurücklegen will, passend ist. Und selbst Rad fahren und zu Fuß gehen ist nicht jedem Menschen uneingeschränkt möglich. Die tatsächliche Entscheidung für eine bestimmte prinzipiell verfügbare Form der Mobilität ist abhängig von persönlichen Faktoren (Einstellungen und Erfahrungen, Lebenssituation) und allgemeinen Faktoren wie der Qualität der Infrastruktur, der Verkehrssituation und auch dem Wetter. An Tagen mit Regen oder Schnee erhöht sich zum Beispiel die Zahl nicht-mobiler Menschen, in Frühjahr und Sommer wird häufiger Rad gefahren. [INDI10]
Die Summe unserer Mobilitätsentscheidungen bestimmt das Verkehrsgeschehen und seine erwünschten wie unerwünschten Nebeneffekte. Zu letzteren gehören Unfälle, Lärm, Luftverschmutzung, Flächenverbrauch und der Ausstoß von Klimagasen. Das gesellschaftliche Problembewusstsein bezüglich dieser Effekte wächst, gleichzeitig steigt aber auch das realisierte Mobilitätsbedürfnis in Form der in Deutschland zurückgelegten täglichen Personenkilometer: 3 Milliarden in 2002, 3,1 Milliarden in 2008, 3,2 Milliarden in 2017 und 3,4 Milliarden in 2019 [INFA18,BMDV23ad]. Laut Verkehrsprognose 2040 wird der Personenverkehr auf 3,62 Milliarden Personenkilometer pro Tag ansteigen [BMDV24ai].
Sowohl individuell als auch in Politik und Planung spielen die Konzepte der Multimodalität und Intermodalität zunehmend eine Rolle. Diese Begriffe beschreiben Mobilitätsverhalten, das einen Wechsel zwischen Verkehrsmitteln während eines Weges (zum Beispiel vom Auto in die Bahn) beinhaltet (intermodal) oder aber die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel auf verschiedenen Wegen (multimodal) im Gegensatz zu reiner Automobilität. Laut der Studie Mobilität in Deutschland [INFA18] hat sich zwischen 2002 und 2017 der Modal Split auch dahingehend verändert, dass der Anteil des Öffentlichen Nahverkehrs an den zurückgelegten Wegen von 8 Prozent auf 10 Prozent gestiegen und der des motorisierten Individualverkehrs (Fahrer und Mitfahrer) von 60 Prozent auf 57 Prozent gesunken ist. Im selben Zeitraum sank der Anteil des Fußverkehrs von 23 Prozent auf 22 Prozent und der des Radverkehrs stieg von 9 Prozent auf 11 Prozent. Auf Grund der insgesamt angewachsenen Menge der zurückgelegten Personenkilometer ist allerdings bei allen Verkehrsträgern mit Ausnahme des Fußverkehrs ein absoluter Anstieg der Verkehrsleistung zu beobachten [INFA18]. Verbesserte Möglichkeiten für die Inter- und Multimodalität, zum Beispiel durch Car- und Bike-Sharing Angebote verbessern also absolut betrachtet bisher eher die individuelle Flexibilität beim Mobilitätsverhalten als dass sie den Motorisierten Individualverkehr reduzieren. Zudem stehen diese Optionen auch nicht allen Bevölkerungsgruppen in gleichem Maße zur Verfügung, so dass sich auch bei der Multimodalität soziale Ungleichheit manifestieren kann. [GROT16]
Theoretisch kann motorisierte Mobilität mit elektrischem Antrieb zumindest in Bezug auf die Emission von klimaschädlichen Gasen und lokal wirksamen Luftschadstoffen negative externe Effekte reduzieren helfen. Dies ist jedoch abhängig davon, wie die verwendete Energie generiert wurde. Im Falle von Personenkraftwagen verbleiben zudem die Probleme des Flächenverbrauchs und auch Verkehrslärm entsteht ab einer Geschwindigkeit von ungefähr 30 Stundenkilometer nicht mehr hauptsächlich durch den Motor, sondern wird vom Rollgeräusch der Reifen dominiert. [KLOE06] Zwar gewinnt die Elektromobilität zunehmend an Bedeutung, jedoch ist die bisherige Marktdurchdringung von Elektroautos in Deutschland noch relativ gering. Während der Anteil von elektrisch angetriebenen Pkw im Bereich der Neuzulassungen im Oktober des Jahres 2024 bei 15,3 Prozent lag, betrug der Bestandsanteil der Pkw mit rein elektrischen Antrieben knapp 3 Prozent [Stat23c, ADAC24i]. Im Jahr 2023 erreichte der Anteil von E-Bikes am Gesamtfahrradmarkt 53 Prozent und übertraf damit erstmals den Verkauf herkömmlicher Fahrräder. Angesichts dieser Entwicklung geht der Zweirad-Industrie-Verband davon aus, dass der Markt noch nicht gesättigt ist [ZIV24a]. Elektrofahrräder ermöglichen es, auch längere Strecken relativ anstrengungsfrei zurück zu legen und können für ältere Menschen Fahrradmobilität länger attraktiv machen [Kalkhoff24].
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Mobilitätsverhaltens sind Einkaufswege die durch den Einkauf im Internet mit Lieferung nach Hause oder zu Abholstationen ersetzt werden. Die so induzierten Lieferverkehre (die durch die erleichterte Rückgabe in Form von kostenfreien Retouren weiter vermehrt werden) haben zum Teil deutliche Wirkungen auf das Verkehrsgeschehen, besonders in urbanen Bereichen. [BMVIT15a]