Sicherheitsempfinden als Bedingung der Teilhabe
Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 14.01.2025
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Der Zugang zum öffentlichen Raum hängt nicht nur von dessen Gestaltung ab (beispielsweise durch physische Barrieren oder Infrastruktur), sondern ist auch maßgeblich vom subjektiven Sicherheitsempfinden der einzelnen Personen abhängig.
Eine etablierte Messgröße für das situative Sicherheitsempfinden ist die Kriminalitätsfurcht, die als "emotionale Reaktion gegenüber Kriminalitätsgefahren, die als persönliche Bedrohung empfunden werden" definiert wird ([BOKL02, S. 1401; zitiert aus [HIHS18, S. 460]). Abgefragt wird die Kriminalitätsfurcht in der Regel über das situative Sicherheitsgefühl. Eine der am häufigsten eingesetzten Fragen lautet "Wie sicher fühlen Sie sich oder würden Sie sich fühlen, wenn Sie nach Einbruch der Dunkelheit in Ihrer Wohngegend alleine draußen sind?". [HIHS18, S. 461] Kriminalitätsfurcht ist in der Gesellschaft nicht gleich verteilt. Sie wird überdurchschnittlich häufig durch Frauen und ältere Menschen geäußert. Auch eine schlechte finanzielle Situation und ein niedriges Bildungsniveau wirken sich verstärkend auf das Unsicherheitsgefühl aus. [HUMM17]
Es bedarf keiner sichtbaren Kriminalität, um das Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen. Schon die Präsenz sogenannter Incivilities wirken sich negativ aus. Der aus dem Englischen entlehnte Sammelbegriff beschreibt "Verletzungen gemeinschaftlicher Standards, die eine Erosion anerkannter Werte und sozialer Normen signalisieren". [HAEF13, S. 21] Incivilities umfassen beispielsweise öffentlichen Alkoholkonsum, laut Musik hörende Jugendgruppen oder wahrnehmbare Zerstörungsspuren an Gebäuden oder Gegenständen. Incivilities können straf- oder ordnungsrechtlich relevant sein (beispielsweise Drogenhandel, zerstörte Bushaltestellen), wirken aber häufig auch unterhalb dieser Schwelle abschreckend (beispielsweise Gruppen herumhängender Jugendlicher) selbst wenn objektiv keine Bedrohung besteht. [HAEF13]
Um das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu verbessern und dem Vandalismus vorzubeugen, setzen einige Verkehrsunternehmen eigene oder externe private Ordnungs- oder Sicherheitsdienste ein, die auf Bahnhöfen und in Fahrzeugen patrouillieren (oft zu Tagesrandzeiten, bei Großereignissen oder in Vergnügungsvierteln). [beispielsweise S-BahnHH] Diese Ordnungsdienste können das Sicherheitsempfinden allerdings durch ihre Präsenz auch negativ beeinflussen, gerade wenn sie ihre Aufgabe uniformiert und bewaffnet ausüben [BehördenSpiegel24]. Insbesondere für Menschen, die behördliche Repression erfahren haben, können sie zudem eine Abschreckung darstellen. Schlecht beleuchtete oder schlecht einsehbare Räume wie Fußgängerunterführungen oder dunkle Wege können zu Angsträumen werden und die subjektive Bewertung von Bewegungsmöglichkeiten einschränken [Doll18].
Eine weitere Dimension des Sicherheitsempfindens, die insbesondere ältere sowie körperlich eingeschränkte Menschen betrifft, ist die körperliche Sicherheit vor Unfällen. Die Angst vor Stürzen beispielsweise beeinträchtigt Menschen im höheren Lebensalter insofern, als dass die Betroffenen ihre Mobilität vorsorglich einschränken [ADLR07]. Dieser Form körperlicher Unsicherheit kann vorgebeugt werden, indem öffentlicher Raum barrierefrei und nach dem Leitbild des "Design für alle" gestaltet wird [BMVBS08g]. Für bewegungseingeschränkte Menschen ist auch die Verfügbarkeit von Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum ein wichtiger Faktor, der ihre Mobilität beeinflusst [PochSchw15].